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Wenn Glück eine Sanduhr wäre, dürfte es nicht verwunderlich sein, wie schnell der feine Sand hindurch rieselt und sich am Boden als bedrückender Haufen des Unglücks sammelt

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Wenn Glück eine Sanduhr wäre, dürfte es nicht verwunderlich sein, wie schnell der feine Sand hindurch rieselt und sich am Boden als bedrückender Haufen des Unglücks sammelt.

Dennoch meinen die meisten Menschen, auch nur ein Funken Einfluss auf den Verlauf ihrer Glückskurve nehmen zu können und sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf des Pechs herausziehen zu können.

Taehyung hat noch nie an Glück und Unglück geglaubt; sein ganzes Leben lang wurden ihm zwei völlig andere Prinzipien vorgelebt: Kalt oder Warm.

Letztendlich ist es also kein starker Wille, sondern Zufall, der die Menschen in Kategorien einordnet und mit dem Stand der Geburt Glück oder Unglück in die Wiege legt. Womöglich kann man sein Unglück bis zu einem gewissen Grad optimieren, aber von Glück kann nicht die Rede sein, wenn man täglich bis ans Ende seiner Kräfte gelangt.

Und Taehyung ahnt, dass ihr winziger Ansatz von Glück beinah vollständig hindurchgerieselt ist. Nach ihrer gemeinsamen Nacht ist sein Zustand immer kritischer geworden. Der Arm schmerzt wie Hölle, pocht unangenehm und treibt seine Körpertemperatur unaufhaltsam in die Höhe. Aber noch viel unterträglicher als seine eigenen Leiden, ist der Moment, in dem Jungkook etwas von Schmerzen in der Lunge murmelt.

Wären die Umstände anders, hätte Taehyung sich am darauffolgenden Abend direkt wieder mit Jungkook vereint, doch sein Körper verweigert ihm den Gehorsam. Alle Kraft ist aus seinen Muskeln gewichen, fiebrige Hitze verbrennt sein Inneres und lässt abwechselnd Blut oder gelbliches Exsudat seinen Verband einnässen. Taehyung befindet sich im ständigen Wechsel von Fiebertraum und Realität und so drängen sie sich abends bloß eng aneinander und erzählen sich flüsternd jede gute Erinnerung, die sie an ihre Vergangenheit haben. Unruhig nimmt Taehyung wahr, wie Jungkook wiederholte Male von einem bellenden Husten unterbrochen wird, während er mit leuchtenden Augen von dem Tag erzählt, als Jin ihm zu seinem Geburtstag ein Kartendeck geklaut hat und sie die ganze Nacht gespielt haben. Sie kannten die Regeln nicht, also haben sie selbst welche erfunden. Und Jungkook hat immer gewonnen.

Ununterbrochen versorgt Jungkook seinen Liebsten mit Schmerztabletten und Salbe von der Kalten, aber es hilft nicht. Sein Körper ist zu schwach, um zu kämpfen. Und spätestens, als sich rote Streifen wie Kratzer des Todes ihren Weg von der Wunde seinen Arm hinaufziehen, wird ihm bewusst, wie schlecht es wirklich um ihn steht.

Jungkooks ungesunder Husten erreicht ebenfalls einen bedenklichen Zustand, jedes Mal erschüttert sein gesamter Körper und lässt ihn im Anschluss nach Luft schnappen. Aber vor Sorge um Taehyung stellt er sich selbst zurück, behauptet immernoch, alles sei gut, obwohl sie beide ahnen, was bald bevorsteht.

Als die Kalte bemerkt, dass Jungkook sich an ihren Sachen bedient, um Taehyung zu versorgen, schmeißt sie die Zwei ohne zu zögern hinaus. Drei Tage früher als abgemacht.

Und so stehen sie verloren in der Kälte und halten sich gegenseitig aufrecht. Nach den paar Tagen im Warmen erscheint ihnen die kalte Luft noch beißender als jemals zuvor. Der Wind pfeift eisern um sie, drängt sich in jeden Spalt ihrer Kleidung und lässt ihre Zähne klappern.

𝐖𝐈𝐍𝐓𝐄𝐑𝐖𝐈𝐍𝐃 | taekookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt