Die Kleider des feinen Frolleins (Teil 2)

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Riki wusste nicht, wie sie darauf reagieren sollte. Schließlich zuckte sie vage die Schultern. „Ich habe wohl keine andere Wahl."

Ramiro hob ihr Kinn sanft mit der Hand an und schaute ihr in die Augen. „Man hat immer eine Wahl."

Riki fühlte hilflose Wut in sich aufsteigen. „Weißt du, so langsam kann ich es nicht mehr hören. Meine Gedanken drehen sich seit Stunden im Kreis. Ich bin mir wahrlich nicht sicher, ob ich eine Wahl habe oder nicht!"

Ramiros geradezu zermürbendes „du musst tun, was du für richtig hältst", stand im drastischen Gegensatz zu dem dogmatischen „du tust, was ich sage, denn ich weiß, was für dich das Beste ist" ihres Onkels.

„Die hast du aber. Und mit dem, was du letzten Endes tust, wirst du eine Entscheidung treffen, egal ob du alles abgewogen hast oder nicht. Ich wollte dich nur daran erinnern", beharrte Ramiro.

Riki funkelte ihn giftig an. „Sehr freundlich, ich hab's verstanden. Ich entscheide mich so oder so, auch wenn ich mich zu irgendetwas gezwungen fühle. Prima. Was nutzt mir die beste Wahl, wenn ich die Konsequenzen nicht ertragen kann!"

„Das ist etwas anderes."

Riki hätte viel darum gegeben zu wissen, wie er das meinte, wie er fühlte, doch sein Tonfall war völlig neutral. Eben war er doch noch eifersüchtig gewesen, warum konnte er ihr nicht einfach sagen, dass sie ihm etwas bedeutete! Es war zum Verrücktwerden mit diesem Mannsbild!

„Und ich dachte schon, du bist gekommen, weil du mich noch einmal sehen wolltest und um mich vielleicht zu überreden, mit euch zu kommen. Mit dir zu kommen, falls dir das überhaupt wichtig ist!" Warum war sie jetzt so gemein? Es war für ihn immerhin nicht ungefährlich, in ihr Zimmer zu klettern. Doch sie war die letzte Zeit so voller Schmerz gewesen, dass sie ihn einfach wahllos in alle Richtungen austeilen und selbst Schmerz verursachen musste, sonst würde sie noch platzen!

Ramiro zog ihren Kopf zu sich und küsste sie auf den Mund. Nicht fordernd, lediglich sanft und sehr zärtlich. Dann schaute er ihr ernst in die Augen. „Ich würde dich niemals zu irgendetwas überreden, was du später bereuen könntest."

„Bereuen! Wie könnte ich das bereuen!", rief Riki verzweifelt. „Ich liebe dich, Ramiro!" Jetzt war es heraus.

Er zog sie hastig in die Arme, teils, weil er nicht anders konnte, teils, weil er nicht wollte, dass sie die starken Gefühle auf seinem Gesicht sah.

„Nein, das ist nicht gut für dich", sagte er schließlich rau. „Ich bin nicht gut für dich."

„Das mag sein", murmelte Riki an seinem Hals. „Aber ich kann es nicht ändern."

„Nein", presste er hervor und schob sie fast gewaltsam von sich, ohne sie jedoch dabei gänzlich loszulassen. „Lass das. Was willst du mit mir! Ich bin zu alt für dich!"

„Pah, Ausreden!", schnaubte Riki. „Das war dir gestern auch einerlei! Und was glaubst du überhaupt, was für Verbindungen in meinen hochgelobten Kreisen geschlossen werden, nur weil es vorteilhaft ist? Da fragt niemand nach dem Alter! Außerdem, du weißt doch gar nicht, wie alt du bist!"

Ramiro verdrehte die Augen. „Alt genug auf jeden Fall. Und hör auf abzulenken. Ich gehöre nun mal nicht zu deinen Kreisen. Jetzt mach bitte keine Dummheiten!"

„Ist es wirklich so dumm, dich zu lie..."

„Ja, das ist es, verdammt!", unterbrach er sie heftig. Ramiro wollte nichts lieber, als mit ihr für immer aus diesem Zimmer zu verschwinden, um endlich mit ihr zusammen zu sein. Aber es ging hier nicht um ihn, sondern um sie. Natürlich sollte sie selbst entscheiden, welche Wahl sie letzten Endes traf. Aber er könnte sich nie verzeihen, wenn eine romantische Schwärmerei für ihn ausschlaggebend dafür wäre, dass sie sich gegen ein Leben in Wohlstand und Sicherheit entschied.

Die Reise des Karneolvogels - Der WanderzirkusWo Geschichten leben. Entdecke jetzt