Eine verruchte Nacht (Teil1)

118 11 2
                                    

Als Riki am nächsten Morgen aufwachte, beschloss sie augenblicklich, sich nie wieder in ihrem Leben zu bewegen. Sie würde hier einfach für immer liegen bleiben. Und davon würden sie weder die Aussicht auf Frühstück noch ein nackt im Fluss badender Ramiro, ja nicht einmal ein plötzlich ausbrechender Waldbrand abbringen. Selbst letzterer konnte unmöglich mehr brennen als ihre Muskeln.

Jede einzelne Faser ihres Körpers unterstützte diese Meinung vehement und ahndete auch nur den leisesten Versuch eines Verstoßes mit wütendem Beißen und Zerren.

Das war kein Muskelkater, das war ein Muskellöwe, beziehungsweise eher ein Muskellöwenrudel!

Sie musste sich erleichtern, beschloss aber, das in Anbetracht der Umstände einfach zu ignorieren.

Riki öffnete vorsichtig die Augen und freute sich, dass zumindest dieser Vorgang schmerzfrei vonstattenging. Außer ihr war noch niemand wach. Erleichtert schloss sie die Augen wieder und suchte sich behutsam eine bequeme Position, in der sie in Ruhe den Rest des Tages verbringen konnte. Die düsteren Gedanken, die die Karneolvogelgeschichte betrafen, schob sie vehement beiseite. Alles zu seiner Zeit. Hier und heute konnte sie ohnehin nichts daran ändern.

Sie blieb noch eine Weile liegen, bis sich ihre volle Blase nicht mehr ignorieren ließ und ihr Recht einforderte.

Schimpfend kämpfte sie sich nach oben und schleppte sich gebeugt in den Wald.

Im Augenblick hätte jede arthritis- und rheumageplagte Großmutter über hundert sie leichtfüßig überholt!

Sie suchte sich eine geschützte Stelle und fühlte sich bald darauf sehr erleichtert. Dann entdeckte sie allerdings noch etwas: Blut. Auch das noch. Dieses Übel hatte sie ja völlig vergessen! Nein, das war kein guter Tag heute. Vor lauter Muskelkater hatte sie das Ziehen im Bauch gar nicht bemerkt. Sie untersuchte ihre Hose, die aber zum Glück nicht in Mitleidenschaft gezogen worden war. Trotzdem, wohl dem, der klug genug war, einen dunklen Stoff zu wählen! Sie schleppte sich zurück zum Lager, um ein Tuch zu holen, das das Blut auffangen sollte, und ihr grauste schon vor dem langen Weg zum Bach. Aber es musste eben sein.

Durch den Spaziergang zum Bach lockerten sich ihre Muskeln etwas und protestierten zumindest einen Tick weniger. Nachdem sie sich gewaschen hatte, fühlte sie sich schon deutlich besser.

Sie legte ein gefaltetes Baumwolltuch in eine speziell dafür gefertigte eng anliegende Hose und hoffte, dass die Baumwolle das Blut auffangen würde. Ihre Monatsblutung war nun wirklich das Letzte, wodurch sie sich verraten wollte! Dann machte sie sich auf den Weg zurück ins Lager. Hier traf sie als Erstes die Person, auf die sie am wenigsten treffen wollte: Alarico. Sofort schrillten sämtliche Alarmglocken, doch nach einer Schrecksekunde sagte sie sich, dass er sie unmöglich gesehen haben konnte. Sie war sich zwar sicher, dass er sie komisch ansah, führte es aber letztendlich auf ihre Nervosität zurück. Wahrscheinlich schaute er nur so hochmütig drein wie immer. Er schritt grußlos an ihr vorüber und beachtete sie nicht weiter. Riki war ihm in diesem speziellen Fall sogar dankbar dafür.

Da es immer noch sehr früh war, legte sie sich wieder auf ihr Lager und döste ein.

Eine Weile später schüttelte Myra sie wach. Moment, Myra war früher wach als sie? Das war mehr als ungewöhnlich.

„Wach auf, wir haben fast Mittag!"

Fast Mittag?! Das konnte doch nicht sein! Unbedarft wollte sie die Position wechseln und sofort brüllte ihr Muskelkater los. Aua, da war ja noch etwas. Stimmt, sie hatte sich heute Morgen vorgenommen sich nie wieder zu bewegen und das würde sie jetzt hiermit tun.

„Ramiro wartet schon auf dich", teilte Myra ihr mit.

„Oh, lass ihn warten. Ich habe einen solchen Muskelkater, dass ich ohnehin nichts Gescheites zustande brächte. Sagst du ihm Bescheid?"

Die Reise des Karneolvogels - Der WanderzirkusWo Geschichten leben. Entdecke jetzt