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Seit dem Vorfall, bei welchem mich Gellert aus seinem Zimmer geschmissen hatte, ist bereits eine Woche vergangen. Ich habe ihn nicht mehr besucht und mein Zimmer habe ich auch nur noch selten verlassen. Es war nicht so, als ob ich schmollen würde, sondern eher, dass ich dem Frieden nicht traute. Verflucht  war der Blutpakt nicht, zumindest nicht mehr als ich ohnehin schon wusste. Dennoch war es mir unbegreiflich, seinen Plan zu erkennen. Gellert tat nie etwas aus einem Impuls heraus, dafür war er viel zu ...nun, er selbst eben. Bis zuvor dachte ich immer, ihm sei dieses Ding wichtiger als alles andere, seine Lebensversicherung. Den Pakt einfach wegzugeben war definitiv keine Wahrscheinlichkeit, die ich aufgestellt habe. Das er so unvorhersehbar handelte, ließ mir ein mulmiges Gefühl zurück. Ein berechnender Gellert war schon gefährlich, aber ein unvorhersehbarer war tödlich.
Seufzend drehte ich zum keine Ahnung wie vielen Male die Kette in meiner Hand hin und her. Hatte das Gift etwa sein Hirn befallen? Oder besser gesagt seinen Verstand? Immerhin war er seit dem Vorfall nicht mehr ganz normal.  Nah, das wäre sehr unwahrscheinlich.
Ein Klopfen riss mich zurück in die bittere Realität zurück. Augenblicklich schossen meine Gedanken zu Gellert. Ließ er sich nach einer Woche etwa wieder blicken? „Ja bitte?" Direkt nach meiner Antwort wurde die Tür geöffnet. Was ich dann zu Gesicht bekam, war alles, nur nicht Gellert. Ein Hauch von Enttäuschung machte sich in mir breit. Moment, hatte ich nicht zuvor mich beschlossen, dass dieser Mann kein Recht mehr hat in meinen Gedanken zu sein? Damn, ich war ein wahrlich hoffnungsloser Fall.
Etwas gefasster richtete ich mich auf und versuchte meine äußere Erscheinung nicht all zu verwahrlost wirken zu lassen. Mission failed. Ein Mann in einem teuren Anzug betrat mein Zimmer. Im Gegensatz zu mir sah er aus, als sei er frisch aus dem Ei gepellt worden. Das stärkt mein Ego ungemein... Seine Figur war großartig. Ich sage sowas sonst eigentlich nie, naja.. zu einem Mann habe ich es vielleicht ab und zu, nur war dies anderes. Diese Figur war wirklich perfekt. Nicht zu dünn, nicht zu breit, passend bemuskelt und seine Haltung zeugte auch nicht gerade von schlechten Eltern. Zögerlich ließ ich keine Augen weiter nach oben wandern. Kein Bart war zu sehen, seine Haut war makellos, sein Kiefer war markant, jedoch nicht störend markant und seine Augen hatten ein Grau, das wie Kristall aussah. Dazu hatte er passende, dunkle Augenbrauen und kurzes, dunkelbraunes Haar, welches an das schönste Holz in einem Wald erinnerte. Mir bliebt offen gesagt der Atem weg. Ein zartes Lächeln umspielte seine perfekt geschwungenen Lippen. „Hallo Mr. Dumbledore. Das ich so unangekündigt auftrete tut mir wirklich leid, dies ist normal nicht meine Art." Mit einem Schrecken stellte ich fest, dass auch seine Stimme absolut perfekt war. Warum gab es überhaupt eine Person, die man mit so viel ˋperfekt' beschreiben konnte?! Räuspernd versuchte ich, meine Fassung zurück zu erlangen. „Schon gut. Es wäre ja nicht so, als ob ich regelmäßig jemanden erwarten würde. Wie kann ich helfen?" Zögerlich erhob ich mich von meinem Bett. Diese Präsenz war unglaublich. Sie war nicht erdrückend wie die von Gellert, bei welcher man kaum zu atmen vermag, sondern etwas anders. Es war nicht zu beschreiben, jedoch war auch mir klar, dass dieser Mann nicht nur ein hübsches Äußeres zu bieten hatte. Mit ihm wollte man sich gewiss nicht anlegen. Aus diesem Grund erhob ich mich höflichkeitshalber. „Bitte setzen Sie sich doch." Mit mehr Selbstvertrauen als ich eigentlich im Moment hatte, deutete ich auf den Stuhl, welcher an einem Schreibtisch vor dem Fenster stand. Dankend zog der Mann vor sich den Stuhl zu sich und ließ sich darauf nieder. Nun konnte auch ich mich wieder, auf mein nicht ganz so vornehmes Bett, setzen. „Ich habe mich noch nicht vorgestellt. Mein Name ist John Stuart." Während er sprach, nahm er seinen ebenso teuer aussehenden Hut ab. Bei mir jedoch klingelten alle Alarmglocken. Dieser Name sagte mir etwas. Offiziell ist John Stuart die rechte Hand des Präsidenten des Ministeriums und einer der wichtigsten Persönlichkeiten, die für ein Bündnis zwischen England, Amerika und Frankreich gesorgt hat. Soweit ich weiß, hat er auch Deutschland mit einbezogen. Seine Intelligenz und sein politisches Geschick ist in aller Munde. Inoffiziell wird gesagt, er würde die Fäden in der Hand haben und der Minister würde entsprechend tanzen. Die Unterwelt soll durch ihn allein geregelt werden. Um es kurz zu fassen: so hübsch wie dieser Mann ist, umso gefährlicher war er. Das Gellert hohe Tiere in seinen Reuhen hatte, war mir zwar bewusst, nur hätte ich nie damit gerechnet, dass er diesen Mann ebenfalls auf seiner Seite weiß. Mit Stuart hat er Großbritannien, Frankreich, Amerika und Deutschland sicher. Sein Einfluss ist zwar noch immer nicht vollends bekannt, jedoch konnte ich mir jetzt allmählich vorstellen wie groß dieser wirklich war. Ihn und Gellert würde man nicht in einem Raum haben wollen. Dann zu atmen war schier unmöglich. „Ihrer Reaktion nach zu urteilen würde ich sagen, Sie haben meinen Namen bereits gehört?" Seine Tonlage war nicht zu laut oder zu leise und er war sehr höflich. Die Geduld welche er tagtäglich brauchte, war bereits jetzt zu bemerken. Dieser Mann wirkte wie ein Vulkan. Nach außen hin ruhig, aber wenn er ausbrach eine Katastrophe, welcher man nicht begegnen wollte. „Verzeihung. Ja, tatsächlich habe ich von Ihnen gehört. Umso mehr frage ich mich, was ein Mann wie Sie von jemanden wie mir wollen würde?" Sein höfliches Lächeln wich für keine Sekunde von seinen Lippen. „Sie haben das wohl etwas falsch aufgefasst, Verzeihung. Ich habe keinerlei Absicht oder Bedürfnis etwas von Ihnen zu wollen." Allmählich riss mir mein eh schon dünner Geduldsfaden. „Also hat Gellert Sie auf mich angesetzt. Was will er diesmal? Sein Schmuckstück zurück?" Meine Frage kam zynischer als erwartet. Eine entsprechende Reaktion bekam ich von meinem Gegenüber jedoch nicht. Langsam lehnte er sich auf seinem Stuhl zurück. Seine Augen verließen mich dabei nie. „Auch dies ist falsch. Ich bin keiner von Gellerts Lakaien." Überrascht fiel mir der Mund offen. Er scherzte. Misstrauisch durchsuchte ich sein Gesicht auf Hinweise, aber entweder er war ein hervorragender Lügner, oder er sprach tatsächlich die Wahrheit. Höflich versuchte er, sein sanftes Lachen mit seiner Hand zu verdecken. Merlin, wer war dieser Mann? „Ich lüge nie, wenn es das ist woran Sie gerade denken." Meine Augen weiteten sich erstaunt. Er las mich. Wage bemerkte ich das Zittern meiner Hand. Mein Atem ging schneller. Der einzige Mensch der mich je lesen konnte, der je hinter meine Maske sehen konnte, war Gellert und doch  tat es dieser Mann gerade, als sei es das leichteste der Welt. „Bitte gucken Sie nicht so. Ich bin wirklich nicht hier um Sie zu bedrohen." Beschwichtigend hob er seine Hände. Da er mich durchschaut hatte, musste ich auch nicht mehr gute Miene zu bösen Spiel machen. „Wenn dem so sein sollte, wie sind Sie hier her gekommen, Mr. Stuart? Gellert ist kein großer Fan von Fremden und ich bezweifle, dass jemand es schaffen würde unter seiner Aufsicht hier unbemerkt herauszukommen." Scheinbar hatte er mit dieser Frage schon gerechnet. Verflucht, bin ich wirklich so vorhersehbar geworden?? „Nur weil ich keiner seiner Lakaien bin, heißt das nicht, dass ich keinerlei Berechtigung habe hier zu sein. Um auf Ihre Frage zu antworten: Ja, Gellert weiß Bescheid und ja, er weiß auch, dass ich mich in diesem Moment mit Ihnen unterhalte." Gefasst schlug er seine Beine übereinander, bevor sein Blick wieder zu mir wanderte. „Wir sind keine Feinde, jedoch auch keine Freunde. Wir sind einfach nur zwei Männer, die per Zufall ein ähnliches Ziel verfolgen. Das ist alles." Als ob Gellert so etwas zulassen würde. Neugieriger als zuvor überlegte ich nach einer treffenden Frage. Scheinbar schien er mir alles zu beantworten. Würde ich nun fragen was seine Ziele waren, dann wäre ich genauso intelligent wie diese Auroren. Zähneknirschend zermalmte ich mir mein Hirn. Wie ich es auch drehte und wendete, ich wurde aus diesem Mann nicht schlau. Einerseits war das erschreckend, anderseits jedoch unfassbar interessant und aufregend. „Sie wollen also mit mir reden. Sie sagten, Sie und Gellert wären keine Freunde, heißt das, Sie wollen mit mir befreundet sein?" Nun war es an mir zu lächeln. Das sanfte Geräusch seines Lachens erreichte meine Ohren kurze Zeit später. „Wollen Sie das denn? Mein Freund sein? Dabei dachte ich immer, Sie wären nicht der Typ für sowas. Sie akzeptieren Menschen unter Ihrem Niveau, aber wirklich zurecht kommen Sie mit ihnen nicht, oder liege ich da falsch?" Diese Worten waren zuckersüß und giftig zugleich. Mr. Stuart hatte den Nagel auf den Kopf getroffen. „Was bin ich denn für Sie, Mr. Dumbledore? Jemand unter Ihrem Niveau, oder jemand auf Ihrem Niveau?" Dieser Bastard hatte das Spiel einfach umgekehrt! Wirklich faszinierend. So viel Aufregung hatte ich ewig nicht. „Was denken Sie denn, Mr. Stuart?"
Nachdenklich legte er seinen schlanken Zeigefinger an seine Lippen, bevor er zu sprechen begann. „Ich denke Sie schätzen ab was ich für Sie bin. Bin ich Ihr Freund, oder Ihr Feind. Jedoch scheinen Sie mich immer keine Argumente für jeweilige Vermutungen zu haben." Merlin, er war gut. „Was wenn ich Ihnen sagen würde, dass Sie meinen Test bestanden haben?" Für einen kurzen Moment funkelten seine Augen. „Dann würde ich mich sehr glücklich schätzen." Glücklich? Scheinbar war er nicht nur sehr intelligent, sondern auch mit Worten mehr als begabt. „Sie und Gellert sind also in keiner bestimmten Abhängigkeit zueinander?" Themenwechsel waren in solchen Situationen wirklich hilfreich. „Ich sagte nie das wir in keiner Abhängigkeit zueinander stehen würden. Wäre dem nicht so, wäre ich wohl nicht hier. Da es Sie jedoch so brennend interessieren zu scheint, werde ich Ihren Wissensdurst stillen. Eine Hand wäscht die andere. Ich habe Dinge die er braucht und er hat Dinge die ich brauche. Reicht Ihnen das als Antwort?" Verstehe, eine Partnerschaft also. Nickend antwortete ich auf seine Frage. Meine Schutzwälle fuhren jedoch sofort wieder hoch, als ich eine Änderung der Stimmung im Raum vernahm. „Mr. Dumbledore ich kann Ihnen eine Möglichkeit geben. Wenn Sie dies wünschen, dann kann ich Sie hier noch heute rausholen. Sie würden mit mir dieses Schloss verlassen." Sein Ton war absolut ernst und ließ keine Anzeichen für Zweifel zu. Unwohl veränderte ich meine Position. „Wo ist der Haken? Was wollen Sie dafür?" Kopfschüttelnd blickte er mir direkt in die Augen. „Ich sagte bereits das ich nichts von Ihnen möchte, oder brauche. Ich mache dieses Angebot aus freien Stücken, jedoch werde ich es nur ein Mal machen können. Wie lautet also Ihre Antwort?" Ungläubig blickte ich meinem Gegenüber in die Augen. Ich selbst konnte von hier nicht fliehen, woher also sollte dieser Mann so viel Macht besitzen und mich einfach mitnehmen? „Tut mir leid." Seine Augen waren noch immer wachsam. „Jedoch muss ich dieses Angebot leider ablehnen. Ich werde Nurmengard nicht verlassen, jedoch danke ich Ihnen für diese Möglichkeit. Ich weiß es sehr zu schätzen." Das sanfte Lächeln vom Beginn umspielte wieder seine Lippen. „In Ordnung." Elegant erhob er sich und setzte sich seinen Hut wieder auf. „Ich bin sicher wir werden uns unter diesen Umständen noch weitere Male treffen können. Ich wünsche Ihnen noch einen angenehmen Tag. Die Elfen scheinen heute etwas köstliches zum Mittag zuzubereiten. Es riecht wirklich hervorragend. Welch Jammer das ich nicht bleiben kann." Zwinkernd deutete er zur Tür, welche auf den großen Gang führte. Höflich nah, er zum Abschied noch kurz seinen Hut ab, bevor er mit einem leisen ˋPlopp' verschwand. Er konnte apparieren. Gellert hatte ihn also auf die Schutzzauber kalibriert.
Meine Gedanken wirbelten nur so in meinem Kopf herum. Mein Gefühl sagte mir tief im Inneren, dass ich besser einen großen Bogen um diese Person machen sollte.
Der verlockende Duft von Waffeln ließ mich diese Gedanken vergessen. Himmel noch eins roch das gut. Bei Waffeln konnte ich nicht anders als schwach zu werden. Heimlich schlich ich mich nach draußen und stieß auch sofort mit jemanden zusammen. Der Tag heute war wirklich verflucht ! „Ist alles in Ordnung?" Das Blut gefror mir in den Adern. Das war's dann mit meiner guten Laune. „Mir geht es blendend, Gellert. Will ich wissen was du  or meiner Tür gemacht hast?" Augenblicklich liefen seine Ohren rot an. „Hast du gelauscht ? Hast du es wirklich so nötig?!" Ich war kurz davor von 0 auf 180 zu gehen, als ich den zerbrochenen Teller zwischen uns bemerkte. Irritiert realisierte ich, was auf dem Teller gelegen hatte. Es waren Waffeln. Entsetzt kombinierte ich 1 mit 1. Morgana war das peinlich! „Waren die.. für mich?" Vorsichtig deutete ich auf die Waffeln. Achselzuckend wedelte Gellert mit seiner Hand, sodass Waffeln und Scherben verschwanden. „Ist jetzt eh zu spät." Ich Idiot! Verzweifelt trauerte ich den saftig, weichen Waffeln hinterher. Sie sahen so gut aus! Schniefend drehte ich mich um, in der Hoffnung auf meinem Zimmer in Ruhe sterben zu können. „Hey, du brauchst wegen sowas doch nicht traurig sein." Sichtlich überfordert stammelte Gellert belanglose Sachen vor sich hin. Sowas konnte wirklich nur jemand sagen, der die wahre Gabe der Waffeln nicht verstand. Idiot.. „Nun, also...was ich sagen will ist... du könntest ja auch mit mir zusammen essen? Die Elfen haben mich viel mehr Waffeln gemacht." Damit beendete er sein Gefasel. Schlagartig vergaß ich meinen Ärger über ihn und die verschwendeten, armen Waffeln. „Fein, aber glaub nicht das dadurch wieder alles gut ist." Ungeduldig zog ich ihn mit mir die Treppen nach unten.

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