Zwischen zwei Welten. - Teil 16

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Ich versuche erschöpft die Augen zu öffnen, schaffe es jedoch nicht und muss feststellen, dass mein Platz kuschelig weich ist, nicht wie sonst. Mit meinem Finger streiche ich über das Kissen unter mir, es fühlt sich an wie warme Haut – aber das kann nicht sein. Jemand hat den Arm um mich gelegt und drückt mich an sich. Es ist eine große und kräftige Hand. Verwirrt blinzele ich gegen das kalte Sonnenlicht und reibe mir die verschlafenen Augen. Jemand seufzt. Nun werden meine Bewegungen schneller und ich setzte mich im Bett auf. Mein Mund klappt auf, als ich feststellen muss, dass ich gerade mit dem Kopf auf Philipp's Brust lag und er den Arm um mich gelegt hatte. Er öffnet erst jetzt die Augen und blinzelt verwirrt, als er mich sieht.
''Was machst du in meinem Bett?'', er betastet das Bett und sieht sich um,''Wo ist überhaupt mein Bett?''

Eigentlich hätte ich darüber gelacht, aber nicht jetzt – nicht in dieser unangenehmen Situation ''Was ist gestern Nacht noch passiert?''

Er sieht mich verblüfft an und scheint selbst keine Antwort auf meine Frage zu haben, dann sieht er auf die Uhr, die neben ihm liegt ''Scheiße, wir haben Silvester verpennt.''

''Ist das dein einziges Problem?'', zische ich. Wir wachen hier halbnackt in einem Bett nebeneinander auf und er hat nur das eine Problem, Silvester verschlafen zu haben?

''Hey, ich hab das totale Blackout.'', er macht die Schublade neben sich auf und murmelt irgendetwas Unverständliches,''Du hast nicht einmal was getrunken.''

Will er sich damit jetzt aus der Affäre ziehen? In dem er sagt, dass er zu besoffen war und ich ja nüchtern?

''Willst du mir jetzt die Schuld geben?'', fauche ich.

''Wer weiß, wahrscheinlich hast du dich wie eine Raubkatze an mich geschmissen.''

''WAS?'' Spinnt der Typ nun völlig? Ich und mich an ihn ran schmeißen?

''Keine Sorge, aber ich versteh dich. Ich meine, wäre ich ein Mädchen, dann..''

''Du Lustmolch!'', unterbreche ich ihn.

''Du bist süß, wenn du sauer bist.''

Als ob er das ernst meint. Ich sehe ihn verdattert an ''Du machst dich doch lustig über mich!''

Philipp zuckt gleichgültig mit den Schultern ''Wohl möglich.''
''Du bist so ein perverses Arschloch!''

''Das hör ich mir nicht länger an.'', er steigt aus dem Bett und steht plötzlich in Boxershorts vor mir. Ich betrachte seine braungebrannte Brust, sieht aus wie diese Männer aus den McFit Magazinen, oder wie die aus Hollister. Nur in der Realität und das habe ich noch nie gesehen – Emilia würde an dieser Stelle sagen 'Du hörst viel zu sehr auf deine Eltern.'

In seiner rechten Hand ist eine Zigarette, in der Linken Feuerzeug – seine Miene ist anders als gestern, gleichgültiger und genervt.

''Du bist anders, wenn du unter Alkohol und Drogeneinfluss bist.'', ich schüttele den Kopf und erwische mich dabei, dass mich diese Erkenntnis enttäuscht.

''Ist ja wohl normal, oder?'', seine Stimme klingt beißend,''Das Leben ist ernst genug, da lass ich mich lieber volllaufen und vergiss all meine Sorgen.''

''Als ob du Sorgen hättest.''

Er sieht mich verblüfft und verärgert zugleich an ''Wenn du wüsstest.''

''Ich will jetzt trotzdem wissen, was da gestern lief!''

''Wie dem auch sei, ich verpiss mich jetzt.''

Ich springe auf – bemerke peinlich berührt, dass ich nicht mehr als ein Top und eine kurze Boxershorts trage, stelle mich aber trotzdem vor die Tür und stemme die Hände in die Hüften ''Du gehst nirgendwohin! Gestern hast du doch noch so viel Interesse an mir gehabt – du meintest, ich interessiere dich!''

''Hab ich das ehrlich gesagt?'', er verkneift sich ein Lachen,''Sorry, ich erinnere mich an gar nichts mehr. Vollkommenes Blackout – alles ist weg.''

''Du.. aber du bist mir hinterhergelaufen!'', versuche ich hoffnungsvoll.

''Ach, bin ich das?'', er kommt nun näher an mich heran, ich gehe ebenso einen Schritt zurück und drücke mich gegen die geschlossene Tür. Er stemmt den Ellenbogen gegen die Tür und beugt sich über mich, weil er um einige Zentimeter größer ist, als ich, muss ich nach oben schauen.

''Mal was von 'herumkriegen' gehört, Küken?'', sein Atem kitzelt meine Haut, er hat die Augen leicht auf. Das versetzt mir ein Schlag in die Magengrube, aber mir war doch eh klar, dass da nicht mehr drinnen war. Nicht bei so einem Typen, wie ihm.
Mit der freien Hand, hält er mein Gesicht fest und grinst:''Hey, guck nicht so.''

Er beugt sich zu mir weiter vor.

''Nicht..''

Aber er ist zu spät, er legt schon seine Lippen auf meine und ich spüre wie er seinen Mund öffnet und seine Zunge durch meine Lippen drückt. Er schmeckt nach Zigaretten, Alkohol und noch etwas – ich versuche ihn weg zu drücken, aber er lässt schon wieder von mir ab ''Siehst du? Nichts, rein gar nichts.''

Ich starre ihn an. Nein, das glaube ich nicht. Es ist, als ob irgendetwas gerade in mir stirbt. Nicht, dass dieser Junge mir etwas bedeutet, aber wie er mich behandelt. Als wäre ich ein Stück Dreck, dass man küssen kann und wieder wegwirft.
Philipp zieht mich von der Tür weg und öffnet sie, dabei zündet er sich eine Zigarette an, aber bevor er weg ist, dreht er sich noch einmal zu mir um ''Ach und nur damit du es weißt, wir hatten nichts miteinander.''

''Woher.. weißt du das?'', stottere ich.

''Ich hab so einige Mädchen entjungfert, glaub mir, ich weiß wie das abläuft. Um so besser.''

Ich fange an zu weinen, gleite die Wand hinunter und wiege mich hin und her. Seit ich in der Grundschule war, hat mich nichts und niemand mehr zum weinen gebracht und jetzt kommt dieser Idiot von Philipp und macht meine ganze starke Mauer kaputt!

''Nicht weinen, wenn du weinst, siehst du hässlich aus.'', er sieht noch einmal stirnrunzelnd zu mir, inhaliert an seiner Zigarette und ist dann weg.

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