Zwischen zwei Welten. - Teil 6

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''Mama!'', rufe ich, als ich hinter Matthias die Tür schließe und meine Jacke aufhänge,''Ich habe jemanden..''

Mama kommt in den Flur gestürmt, sie scheint heute wieder shoppen gewesen zu sein. Ich will nicht wissen wie viel Geld sie heute ausgegeben hat, vielleicht 800 Euro? Oder doch 900 Euro? Vielleicht auch mehr, schließlich bringt Papa ja genug neues Geld. Sie wirft ihre frisch gefärbten, platinblonden Haare nach hinten und stürmt auf Matthias zu, um ihm die Jacke abzunehmen ''Matthias! Was für eine Ehre, dass du uns mal wieder besuchen kommst, während des ganzen Schulstress vor den Weihnachtsferien.''

  Matthias lacht ''Das ist etwas übertrieben..''

''Geht doch schon einmal in dein Zimmer Martina, bis das Essen fertig ist und dein Vater kommt.'', sie lässt ihn nicht einmal aussprechen. Matthias geht schon vor, ich sehe Mama an ''Woher wusstest du, dass er mitkommt?''

''Großmutter Chiara hat angerufen.'', sie drückt mich ebenfalls in seine Richtung,''Ich möchte ihn als Schwiegersohn, also gib dir Mühe, mein Schatz.''

Sie mag ihn nur, weil sein Vater genug Geld hat – was heißt hier genug? Er hat zu viel – und Matthias ist kein schlechter Schüler im Gegenteil, wobei ich ihn nie beim Lernen erwische. Meiste Zeit ist er mit Freunden feiern und unterwegs, aber trotzdem besteht sein Zeugnis ausschließlich aus Einsen. So wie meines.
Ich gehe hinter ihm die Treppe hoch, er hat sich bereits auf meinen Stuhl gesetzt und blickt mit einem halben Lächeln auf ''Du hast weiter geschrieben.''

''Was?''

Er lacht und geht sich durch die Haare ''Immer wenn ich bei dir bin, lese ich deine Geschichte. Du hast aber schon lange nicht weitergeschrieben, aber jetzt schon.''

Er hebt das Heft in seinen Händen hoch – das Heft in denen meine Geschichte stehen! Für einige Sekunden dachte ich schon, er meinte mein Tagebuch – denn wenn er dies gelesen hätte, wäre ich tot. Die Geschichte in dem Heft ist nicht wirklich spannend und deshalb erkläre ich auch nicht genauer was darin passiert. Meine Wangen fangen an zu brennen und ich sehe beschämt zu Boden. Er liest wirklich meine lächerliche Geschichte?

''Sie ist wirklich gut.'' Er legt das Heft wieder in die Schublade, dann dreht er sich zu mir und streckt die Beine aus. Ich hüpfe nervös von einem Fuß auf das andere und betrachte ihn unsicher ''Ist das dein ernst?''

''Ja natürlich.'' Er sieht mich emotionslos an, streckt dann die Hand aus. ''Komm mal her, Piccola.''

Ich gehe zaghaft auf ihn zu, als ich vor ihm stehe, zieht er mich auf seinen Schoß – er lacht leise und mich überkommt plötzlich eine Gänsehaut ''Du tust ja so als ob ich der große, graue Wolf wäre und du Rotkäppchen. Piccola, fühlst du dich unwohl?''
''Nein.'', sage ich leise und meine es auch so, dann lehne ich mich nach hinten an ihn. ''Es ist nur so ungewohnt, das letzte Mal als ich auf deinem Schoß saß, das ist Jahre her.. da warst du, glaub ich, dreizehn und ich elf.''

Ich lache unsicher, aber ich sehe wieder wie sich sein einer Mundwinkel hebt – wie ich dieses halbe Lächeln an ihm liebe. Es sieht so verführerisch aus.

Bald ist Weihnachten und ich habe noch nicht einmal ein Geschenk für ihn! Ich muss mir unbedingt was unglaublich Tolles einfallen lassen..

''Matthias, hast du an Weihnachten schon etwas vor?'', frage ich und spiele unsicher mit dem Saum meines dicken Pullis. Er geht mit seinen großen und starken Händen durch meine Haare, ich erinnere mich noch, als sie klein und zart waren. Aber sie waren eigentlich immer noch zart, nur etwas größer. Ich drehe mich zu ihm um, als er nicht antwortet – dann sieht er von seinem Handy auf, lächelt mich an und steckt es in seine Hosentasche. Was hat er am Handy gemacht?

''Jetzt nicht mehr.'' Sein Grinsen wird breiter und ich sehe seine perfekten, weißen Zähne aufblitzen. Ich hebe eine Augenbraue:''Wie meinst du das? Was hast du gemacht?''
''Ach, ich hatte mich eigentlich mit ein paar Freunden zum Saufen und feiern bei mir getroffen. Eine kleine Party, weil mein Vater wahrscheinlich Nachtschicht machen wird.'', er lacht und ich muss auch lächeln. ''Ich hab gerade abgesagt, also wenn du mich jetzt nicht fragst, ob ich mit dir feiern will, dann bin ich wirklich ein Vollidiot.''

''Matthias! Giftkröte!'', ruft Louis von unten. ''Mama sagt ihr sollt essen kommen!''

Ich lache, schlage Matthias leicht und springe auf ''Du Idiot.''
Er lacht und sieht mich erwartungsvoll an ''Also, bin ich offiziell eingeladen?''

''Du bist immer eingeladen, das weißt du doch! Und du bist auch immer herzlich willkommen bei uns.''

Er steht auf, schnappt nach meiner Hand als ich raus gehen will und zieht mich an sich heran ''Danke, du weißt nicht wie viel mir das bedeutet. Ich liebe dich, Piccola.''

Das hat er schon so oft gesagt, aber auch wenn es ernst gemeint ist, ist und bleibt es nur ein schwesterliches, freundschaftliches 'Ich liebe dich'.

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