Zwischen zwei Welten. - Teil 21

15 2 1
                                    

Philipp hat mich in ein gruseliges Stadtviertel gebracht und als ob das nicht genug wäre, sitze ich nun mitten in diesem düsteren Tattoo Studio, mit diesem noch düstereren Tätowierer der gerade irgendeinem Kerl die Zunge spreizt. Ich sitze auf dem Stuhl gegenüber und lasse mir von Philipp die Haare föhnen.

''Danke.'', murmele ich und hoffe Philipp hört es nicht, aber irgendwie fühle ich mich verpflichtet es einmal gesagt zu haben. Er schaltet den Föhn aus und streicht mir durch die Haare. Dann kramt er sein Handy aus der Hosentasche heraus und grinst mich an. Ich hebe verblüfft die Augenbrauen ''Was ist?''

''Ich wollte den Moment aufnehmen. Sag es noch einmal.''

''Wovon sprichst du?''

''Davon, dass du dich bei mir bedankst.'' Ich sehe weg und spiele mit meinen Fingern herum ''Keine Ahnung, was du meinst.''

''Ich bin nicht blöd. Darauf hab ich nur gewartet.''

''Vergiss es!''

''Ich hab es doch schon gehört. Sag es noch einmal. Bitte.''

''Wieso?''

''Damit ich sicher sein kann, dass ich nicht geträumt habe.''

Ich lache ''So seltsam, dass ich mich bedanke?''

''Ja, ich bin ziemlich verblüfft.'', sagt er und hält die Kamera auf mich,''Also?''

''Danke.'', ich lächele schüchtern. Auch wenn ich Fotos liebe, hasse ich es vor der Kamera zu stehen. Lieber mache ich selber die Fotos, in diesem Fall ist es ein Video - noch schlimmer.

''Zufrieden?'', zische ich, als er grinsend das Handy wegpackt. Er kommt auf mich zu und beugt sich zu mir, dann haucht er ''Ja. Danke, Küken.''

Ich hebe den Kopf und unsere Gesichter sind sich ziemlich nahe - viel zu nahe. Beschämt sehe ich wieder weg und stehe auf ''Ich muss jetzt los.''

''Wohin?'' Ich hebe den Einkaufszettel in meiner Hand ''Einkaufen.''

''Soll ich dich begleiten?''

''Nein, schon okay.''

''Ich hab ein Auto.'', er klimpert mit dem Schlüssel in seiner Hand und dreht sich um. Ich renne auf ihn zu und werfe von hinten die Arme um ihn, meine Lippen sind ganz dicht an seinem Ohr ''Ich glaub, ich nehme dein Angebot doch an.''

Philipp grinst breit, schwankt kurz, plötzlich aber greift er meine Beine und trägt mich huckepack. Ich lache und schreie gleichzeitig ''Ich will runter!''

''Willst du nicht.''

''Okay, du hast recht. Aber beeilen müssen wir uns trotzdem!''

''Dann hör auf dich so an meinen Hals zu klammern. Ich bekomm Atemnot.''

''Ich frag mich, ob das gut oder schlecht ist.''

''Dann kann ich dich nicht fahren!'', flüstert er.

''Na und, klau ich mir eben deine Schlüssel.''

''Du bist erst sechzehn.''

''Als ob mich jemand in dieser Dunkelheit erkennt.''

''Arme weg!''

''Jaja schon okay, Zicke.'', ich lege meinen Kopf auf seine Schulter und kuschele mich an ihn. Irgendwie ist das ja ganz schön, ganz schön anstrengend. Manchmal benimmt er sich wie ein zwölfjähriger Pubertierender und manchmal wie ein vernünftiger Achtzehnjähriger. Soll einer mal die Jungs verstehen - ich jedenfalls tue es nicht. Auch wenn Philipp genauso alt ist, wie Matthias, kommt es mir so vor als würden Welten zwischen ihnen liegen. Er wirft mich ins Auto und schlägt die Tür zu, läuft einmal herum und setzt sich dann neben mich auf den Fahrersitz ''Schnall dich an.''

''Oh oh, hört sich nicht gut an.''

''Ich dachte wir müssten uns beeilen?''

''Und dafür würdest du eine Strafe kassieren?''

''Für dich würde ich sogar zehn Jahre hinter Gitter wandern.''

''Arschloch! Du lügst.'', ich verschränke die Arme vor der Brust.

''Ein wenig. Zwei Jahre vielleicht.'', er klingt ehrlich. Ich sehe ihn verblüfft an ''Wieso?''

''Weil ich dich mag. Irgendwie.''

''Ich dachte du hasst Bonzen.''

''Tu ich ja eigentlich auch. Du bist aber gar nicht so schrecklich, wie ich gedacht habe.''

''Danke.'', fauche ich.

''Hey, ich hab dir gerade ein Kompliment gemacht.''

''Find ich nicht.'', ich wende mich ab,''Scheiß Kiffer."

''Sei still.'', zischt er und ich sehe die Wut in seinen Augen aufblitzen,''Treib es nicht zu weit, Martina!''

Ich merke wie ihn diese Bemerkung von gerade schmerzt und fühle mich plötzlich schlecht - wieso hab ich das überhaupt gesagt? Wenn ich mal ehrlich zu mir bin, mag ich Philipp auch - sonst wäre ich nicht einmal mit ihm eingestiegen wenn er einen Privatjet hätte. Irgendwo sagt mir mein tiefes Inneres, dass ich ihn wirklich mag und dass er vielleicht irgendwann einmal, wenn ich endlich ehrlich zu mir selbst bin, ein guter Freund wird. Vielleicht. Irgendwann.

''Tut mir echt leid.'', sage ich später, weil mir die Stille in den Ohren schmerzt und ich es nicht ertragen kann, wie angestrengt er auf die Fahrbahn kommt und wie er das Lenkrad umklammert. Er sieht mich gar nicht erst an ''Schon gut. Bin ich gewohnt.''

''Es.. ich wusste nicht, dass es dir so zusetzt und ich meinte das nicht so, wirklich.''

''Ich hab's kapiert, Martina.''

Wieso nennt er mich Martina? Er soll mich nicht Martina nennen, nicht er auch noch! Ich hätte nie gedacht, wie sehr mir das fehlen würde. Und auch seine gute Laune und seine blöden Sprüche fehlen mir. Bitte, bitte sag wieder Küken..

''Du bist sauer.''

''Nein. Alles okay, sag ich doch.''

''Doch bist du. Du hasst mich!''

''Hey, pass mal auf. Vielleicht bin ich sauer - aber hassen? Keine Ahnung weshalb, aber ich kann dich einfach nicht hassen.''

''Was soll das denn heißen?''

''Ich versuche es, schaffe es aber nicht. Ich kann dich nicht hassen. Wirklich nicht.''

Stille. Seine Worte schmeicheln und rühren mich. Beschämt über meine egoistische und idiotische Art, verdecke ich das Gesicht hinter den Händen. Mir wird plötzlich heiß in dem Auto, meine Zunge ist trocken und die Luft ist stickig. Also lege ich meine glühende Wange an die kühle Fensterscheibe. Philipp sagt auch nichts mehr und das verunsichert mich noch mehr. Ich muss diese Worte loswerden, auch wenn ich es nicht will. Es zerreißt mich einfach und sprudelt plötzlich aus mir raus ''Auch wenn du mir nicht glaubst, Philipp, ich mag dich. Jedenfalls glaube ich das.'' Ich will es mir nur nicht eingestehen. Er dreht den Kopf leicht zur mir und sieht mich verblüfft an. Ich starre in seine goldenen Augen und meine Worte kommen aus tiefstem Herzen:''Vielleicht können wir ja doch Freunde werden. Irgendwann.'', ich bin froh endlich das gesagt zu haben, was ich die ganze Zeit über gedacht habe ''Glaubst du das?''

Ich kann nicht glauben was ich ihm da erzählt habe und spüre wie mir die Hitze ins Gesicht schießt. Philipp lächelt mich einfach nur an und sein Lächeln zählt mehr als tausend Worte. Zauberhaft. Wunderschön. Unglaublich. Einfach nur Freunde.

Zwischen zwei Welten.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt