Kapitel 1 ~ Zwergenblut

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Esgaroth, 60 Jahre später

Der kalte Wind der Seestadt wehte mir um die Ohren und liess mich erzittern. Ich schlang meinen Mantel fester um meinen Körper und beschleunigte meine Schritte.
Heute war Marktag in Esgaroth. Das hiess, dass die halbe Stadtbevölkerung sich auf dem Marktplatz versammelt hatte, um das Wenige was sie besassen zu verkaufen oder gegen Essbares zu tauschen.
Ich versuchte mich durch die Menschenmassen hindurch zu schlängeln, was mir sichtlich schwer fiel, da sie alle mindestens einen Kopf größer waren als ich und mich dadurch wenig beachteten.
Ich brachte den Marktplatz hinter mich und folgte den Stegen weiter, bis zu Sigrids Haus.
Sigrid war meine beste Freundin und ihre Familie war mir über die Jahre sehr ans Herz gewachsen. Deshalb verbrachte ich die meiste Zeit bei ihr. Wie auch heute.
Ich wollte gerade die Treppe hochsteigen, als mich jemand von hinten festhielt. Es war Areas, Bragas ältester Sohn.
"Schon so früh unterwegs, junge Lady", er warf mir ein belustigtes Grinsen zu.
Areas war der Frauenheld der Stadt und versuchte schon seit längerem, mich in seiner Trophäenliste abzuhaken, obwohl er genau wusste, dass ich mich überhaupt nicht für ihn interessierte.
"Ja. Aber das geht dich gar nichts an. Entschuldige mich", antwortete ich kalt und wollte mich umdrehen, doch er hielt mich weiter fest.
"Ob der Bürgermeister dass gerne sieht, wenn seine Nichte Unruhestifter besucht?", er zog eine Augenbraue hoch. "Du könntest deine Zeit viel nützlicher verbringen, indem du mich begleitest. Wir könnten ein bisschen auf dem Markt schlendern gehen", er grinste breiter.
"Dort war ich heute schon und ausserdem geht es weder dich, noch meinem Onkel etwas an, ob ich meine Freunde besuche oder nicht. Meine Zeit gehört immer noch mir und ich kann währenddessen tun und lassen was ich will. Also wenn du nun so freundlich wärst", zischte ich scharf, riss mich los und ging die Treppe hoch.
"Da merkt man es wieder. Durch und durch ein Zwerg. Deine Sturheit und dein Stolz wird dein Untergang sein. Du solltest nehmen was du kriegen kannst, bevor du allein endest oder dich selbst umbringst wie dein Vater!", rief Areas mir erzürnt hinterher. Die Worte waren wie Stiche in mein Herz und die Wut, die in mir aufstieg, trieb mir Tränen in die Augen.
Ich drehte mich auf der Stelle um, lief die Treppe hinunter und verpasste Areas eine Ohrfeige.
"Du weißt überhaupt nichts! Sprich nie wieder von meinem Vater oder es wird dein letzter Tag sein, an dem du sprechen kannst!", schrie ich ihn an und stürmte die Treppe hoch in Bards Haus. Gereizt schlug ich die Tür hinter mir zu und warf meinen Mantel über einen Stuhl.

Was bildete sich dieser Kerl eigentlich ein. Er wusste überhaupt nichts, weder über mich, noch über meinen Vater. Obendrein, was holte er sich heraus, so abschätzig über Zwerge zu reden.

"Was ist denn hier los?!", Sigrid kam aufgebracht aus der Küche gestürmt. Dann sah sie mich und ihre Züge wurden freundlicher. „Briíss, du kannst die Tür doch nicht so zu knallen. Tilda schläft noch", sprach sie ermahnend auf mich ein.
"Ja, ich weiss, tut mir wirklich Leid", entschuldigend sah ich sie an und umarmte sie darauf.
Dann half ich ihr beim Frühstück. Wir stellten das Geschirr auf den Tisch und Sigrid holte den Haferbrei aus der Küche. Ich weckte Tilda auf, die sich sehr freute mich zu sehen.

"Wo sind eigentlich Bain und Bard?", fragte ich an Sigrid gewandt, als wir alle zusammen am grossen Holztisch sassen.
"Sie sind kurz bevor du gekommen bist aufgebrochen. Vater holt die wöchentliche Lieferung der Fässer aus dem Waldlandreich ab und Bain versucht auf dem Markt unsere Kräuter gegen Brot einzutauschen", antwortete Sigrid und nahm dann einen Schluck von ihrem Tee.
Wir assen auf und wuschen darauf das dreckige Geschirr ab. Dann setzte ich mich wieder an den Holztisch. Sigrid holte ihre Stricksachen und setzte sich zu mir. Sie wickelte den Wollfaden um ihren Finger und begann weiter an einem Schal zu stricken.
Eine Weile sass ich einfach nur so da und schaute ihr zu, wie sie von Masche zu Masche den Schal zum wachsen brachte.
"Was war eigentlich vorher los?", mit dieser Frage durchbrach Sigrid die Stille. Ich wusste sofort was sie meinte.
"Areas war los. Er hat schon wieder versucht, sich an mich ranzumachen. Als ich ihm dann aber entgegnete, dass ich gänzlich abgeneigt bin, mit ihm den Tag zu verbringen, hat er mir- Ach, das ist nicht so wichtig.", brach ich mitten im Satz ab.
Ich wollte nicht schon wieder an meinen Vater erinnert werden oder darüber sprechen.
"Natürlich ist das wichtig, was hat er dann gesagt?", besorgt legte Sigrid mir eine Hand auf meine Schulter. Ich atmete tief ein. Ich musste ihr es jetzt sagen, bevor sie weiter nachhakte.
"Er hat gesagt, dass man merkt dass ich ein Zwerg bin und dass ich wegen meiner Sturheit und meinem Stolz alleine ende oder... oder mich selbst umbringe wie mein Vater", ich versuchte schnell und ohne Emotionen zu sprechen, damit mir nicht schon wieder Tränen in die Augen schossen. Sigrid erwiderte nichts.

Ich wusste, dass sie schon seit längerem Gefühle für Areas hegte, obwohl ich das nie verstand. Wie konnte man so einen Menschen mögen? Andererseits waren Gefühle manchmal nicht zu kontrollieren.

"Das hätte ich ihm nie zugetraut", sagte sie kurz.
"Ist ja auch nicht so wichtig... Könntest du vielleicht doch nochmal versuchen, mir das Stricken beizubringen", sagte ich, um schnell vom Thema abzulenken. Sigrid schaute mich misstrauisch an, nahm dann aber doch wieder ihr Strickzeug zur Hand und versuchte mir zum tausendsten Mal Stricken beizubringen.

Nach mehreren kläglichen Versuchen liess ich die Stricknadeln fallen. „Ich kann es einfach nicht", belustigt schaute ich auf meine Wollklumpen, die ich zu Stande gebracht hatte. Ich begann zu kichern. „Ich kann es nicht und werde es auch nie können". Sigrid blickte nun auch auf mein Werk und stimmte in mein Gekicher ein.
„Da muss ich dir leider zustimmen", sie stand auf, nahm die Wolle und tat sie in einen Korb. Dann blickte sie besorgt aus dem Fenster.
"Findest du nicht auch, dass Vater und Bain schon ziemlich lange weg sind?".
Ich stand auf und schaute ebenfalls aus dem Fenster. Die Sonne war bereits am Hochstand angelangt.
"Es ist Mittagzeit... mach dir keine Sorgen. Vielleicht ist der Wein noch nicht fertig, weil Thranduil beschlossen hat, alles selber auszutrinken und deshalb muss dein Vater jetzt warten", ich legte ihr meine Hand auf die Schulter und sah sie aufmunternd an.
"Genau in solchen Momenten merkt man, dass du zwergisches Blut in dir trägst, immer einen elbenfeindlichen Spruch auf den Lippen", sie lachte kurz auf und ich stimmte mit ein.
"Wann musst du eigentlich gehen?", fragte mich Sigrid nachdem wir aufgehört hatten zu lachen. "Ich will nämlich nicht, dass der Bürgermeister dich wieder persönlich mit seiner Leibgarde bei uns abholt und dir dann einen Monat Hausarrest gibt," fuhr sie fort.
"Eigentlich sollte ich ja heute mit ihm Speisen, da er mir etwas 'wichtiges' mitteilen wollte," antwortete ich mit einem ironischen Unterton. "Tja, die 'wichtige' Mitteilung habe ich wohl verpasst", ich lachte abermals kurz auf. Sigrids Miene wurde jedoch ernster. "Du solltest nicht mit der Laune deines Onkels spielen. Wer weiß sonst noch, was er mit dir anstellt. Am Ende kommt es noch soweit, dass er dich verbannt oder schlimmeres", sie sah mich besorgt an.
"Er würde mich nicht verbannen, dafür ist er immer noch zu ängstlich, denn er hat meiner Mutter an ihrem Sterbebett versprochen, dass er sich um mich kümmern würde. Meine Mutter, besser gesagt seine Schwester, hatte er geliebt, obwohl sie mit einem Zwerg zusammen war. Sie hat ihn immer davon abgehalten der Goldgier zu verfallen", sagte ich.
"Briíss, auch wenn, es gibt auch andere Bestrafungen als Verbannung. Ich bitte dich, treib es nicht bis zum Äußersten".
Ich seufzte. Sie hatte ja recht.
Ich umarmte sie und nahm meinen Mantel.
"Ich gehe nur deinetwegen", ich lächelte ihr zu, doch im Innersten hatte ich unglaubliche Angst jetzt zu gehen. Wer weiß was der Bürgermeister sich heute als Bestrafung ausgedacht hat.

Was wohl in den 60 Jahren alles passiert ist, dass Briíss jetzt in Esgaroth bei ihrem Onkel dem Bürgermeister lebt? - Das wird sich in den folgenden Kapiteln noch ergeben^^
Verbesserungswünsche, eure Meinung oder Sonstiges in die Kommentare, darüber würde ich mich sehr freuen!:) Zum Schluss wollte ich noch meinen Beta-Leserinnen Elanna15 und loepfeli danken❤️✨
Ihr gebt der FF durch eure Ratschläge den letzten Schliff! Danke dafür!😊
Das wars jetzt auch von mir^^ Bis zum nächsten Kapitel - loniXD

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