Kapitel 14

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Nach dem Frühstück fiel es Ruby schwer, sich wieder auf das Training zu konzentrieren. Leider merkte dies auch Ausbilder Diro. Genervt wandte er sich zu ihr um, als sie schon wieder versehentlich auf einen Stock getreten war, während sie sich an Neo hatte anschleichen sollen.

"Kannst du dich nicht mal anstrengen?", herrschte er sie an. Mit einem schlechtem Gewissen nickte Ruby und versuchte, nicht mehr an ihre bevorstehende Suchmission zu denken, um sich nicht noch weiter ablenken zu lassen.

"Also, schleich dich nochmal an Neo ran und versuch diesmal auf alles zu achten. Du hast ein weißes Gewand an, damit bist du im Wald gut zu erkennen. Du brauchst also besonders dichte Deckung. Es reicht kein dünner Baumstamm hinter dem du noch halb hervorguckst", erklärte er. Mit seiner Geduld war er allerdings langsam am Ende. "Auf was musst du noch achten", fragte er nun auffordernd.

Kurz musste Ruby überlegen und sie wurde nervös, doch dann fiel es ihr zum Glück wieder ein und sie ratterte es erleichtert herunter: "Darauf leichtfüßig aufzutreten, damit man meine Schritte nicht hört. Auch auf verwelkte Blätter und Stöcke, da die zu laut wären, wenn man auf sie tritt. Tarnkleidung wäre eigentlich auch ganz gut, aber die hat man nun mal nicht immer, sodass man, wie Sie schon erwähnten, immer auf passende Deckung achten sollte. Die Atmung sollte möglichst flach sein, damit man auch diese möglichst nicht war nimmt!"

"Genau", sagte der Ausbilder und schien jetzt schon etwas zufriedener. "Dann los! Neo du stellst dich zur Eiche und machst die Augen zu, währenddessen suchst du, Ruby, dir eine Richtung aus, aus welcher du dich an ihn anschleichst. Wenn du weißt wo sie ist, sagst du Bescheid Neo", fuhr er fort.

Die beiden Auszubildenden nickten und begaben sich in Position. Als Neo die Augen schloss, schlich Ruby sich langsam rückwärts von dem kahleren Flecken weg und trat zwischen die dichteren Bäume. Hier drang nicht mehr ganz so viel Sonnenlicht zu ihr und es wurde kühler. Die Erde war trocken und fest. Ein kleiner Pfad schlängelte sich abseits von Ruby durch den Wald, doch sie ignorierte diesen. Da gäbe es nicht genügend Deckung.

Parallel zu ihm huschte Ruby von einem Baum zum anderen und achtete dabei penibel darauf, auf keine der trockenen Äste zu treten, die von den Bäumen abgebrochen waren. Mit ein paar Sprüngen hechtete sie von einem Moosfleck an den Wurzeln der Bäume zum anderen.

Immer hielt sie dabei Neo im Auge, der nun seine Augen wieder öffnete und angestrengt durch den Wald spähte.
Schnell brachte sie sich hinter einem Stamm in Sicherheit. Ihr Herz raste. Doch so entdeckte der Junge sie nicht, als er in ihre Richtung blickte. Als Ruby glaubte, er würde sich einer anderen Richtung zugewandt haben, kam sie langsam aus ihrer Deckung heraus und wurde wieder ruhiger.

Ihr Ziel war es, sich hinter ihn zu schleichen und dann zu überraschen. Darauf würde er bestimmt nicht vorbereitet sein.

Neo hatte gerade die Augen wieder geschlossen, um sich ganz auf sein Gehör zu verlassen, denn so wurde dieses schärfer, als Ruby weiter lief. Auf leisen Füßen schlich sie langsam und aufmerksam um den kleinen Platz und brachte sich schließlich hinter der großen Eiche, vor welcher Neo stand, in Sicherheit.

Gerade noch rechtzeitig, denn schon hatte Neo seine Augen wieder geöffnet. Vorsichtig wagte sie sich die letzten paar Meter zu ihm und berührte ihn dann leicht an der Schulter. Bei einem richtigen Kampf, hätte sie ihn jetzt erledigen können, ohne viel Aufsehen zu erregen.

Neo zuckte unwillkürlich zusammen und schoss zu ihr herum. Als er sie bemerkte, beruhigte er sich allerdings wieder und lächelte etwas schief. "Du holst auf. Nur noch eins zu drei stichelte er, auf die anderen Versuche ihrerseits anspielend.

"Sehr gut", fügte der Ausbilder hinzu und ging dann zu einem anderen Zweierteam. "Und wie ich das tue! Aber jetzt bist du erstmal dran", rief Ruby fröhlich. Ihr Kampfgeist war geweckt und die Mission vergessen.

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"Nicht Schwertkampf", stöhnte Alina. Sie konnte nicht nur mit dem Ausbilder, sondern auch mit der Lehre an sich nichts anfangen.

"Doch, genau dorthin müssen wir jetzt", meinte Kayra unbarmherzig, verzog aber selbst das Gesicht. "Leider", fügte Ruby hinzu. Keiner der Freunde war sonderlich begeistert über die bevorstehende Stunde. "Wieso mussten wir ausgerechnet den Yengon erwischen", fragte Flynn missmutig und sammelte sein Schwert vom Boden auf, das während des Trainings dort seinen Platz erhalten hatte.

"Keine Ahnung, aber wenn wir pünktlich sein wollen, müssen wir jetzt los!", bemerkte Neo. Auch wenn er selbst nicht wirklich glücklich darüber zu sein schien, war er dennoch besserer Laune als der Rest der Truppe. Das war allerdings sicherlich auch dem Fakt geschuldet, dass Yengon ihn leiden konnte und deshalb oftmals bevorzugte.

"Ist ja gut", meinte Ruby stöhnend und hievte sich mühsam vom Boden auf. "Kann die alte Oma das auch schneller?", fragte Kayra schmunzelnd und rannte schnell voraus durch den Wald. "Sagt die richtige!", rief Ruby und sprintete an ihr vorbei den ausgetreten Pfad entlang, der sich an den Bäumen dahin schlängelte.

"Ey, wartet!", rief Alina empört und die anderen drei holten schnell zu ihnen auf. Grinsend warteten Kayra und Ruby auf sie, dann gingen die fünf im Schritttempo weiter.

"Was denkt ihr, ist mit den Verschollenen passiert?", fragte Flynn nach einer Weile des Schweigens nachdenklich. "Keine Ahnung. Großmeister Zhan hatte gestern nur gesagt, dass die Unwürdigen woanders hingebracht werden sollen", antwortete Neo schulterzuckend, während sie dem Lager immer näher kamen.

Ein paar abgestorbene Blätter knisterten unter Rubys Füßen und die Erde fühlte sich warm und vertraut an. Ein paar Wurzeln ragten über der Oberfläche hervor und mehrere Bäume hatten ihr Blätterdach über sie gestreckt. An den Seiten des Pfades ging es ein wenig bergauf, doch der Pfad an sich, war eben in die Landschaft integriert und schlängelte sich geheimnisvoll, mit kleinen Lichtsprenkeln der Sonne bestückt, zum Lager.

"Habt ihr eine Idee, wo er sie hingebracht haben könnte?", fragte Alina schließlich. "Ich meine, sie können kaum nach Hause gebracht worden sein, das hätten wir mitbekommen", erklärte sie sich.

"Hier gibt es vieles, was wir nicht kennen. Denkt doch nur an all die verbotenen Gebiete", meinte Ruby und dachte mit Schaudern an den etwas weiter hinten liegenden Teil des Waldes. Hier war es meist recht friedlich - selbst mit Nebelwölfen und der gleichen - dort allerdings existierte nur das Böse.

Weshalb da auch immer die Abschlussprüfungen stattfanden, um zu klären, ob man für den Krieg tauglich war. Es war grausam. Ruby wurde ungewollt kälter und sie begann ein wenig zu zittern. Sie mochte es sich gar nicht ausdenken, dort zu sein. "Ich weiß-", setzte Kayra an, doch wurde sofort von Alina unterbrochen. "Ruhe!", zischte diese panisch und genau in dem Moment bog ihr Ausbilder um die nächste Ecke. Es war Ausbilder Diro. Verdutzt blieb er stehen, als er sie entdeckte.

"Wieso seid ihr noch hier? Geht es nicht ein wenig schneller zur nächsten Lehre?", rief er zornig und machte eine ausladende Geste Richtung Lager. Hastig nickten die Freunde und rannten an ihm vorbei. Im Lager angekommen, liefen sie einmal quer durch eben dieses und sprinteten dann rechts wieder hinaus, um dem Pfad zur großen Wiese zu folgen. Völlig außer Atem kamen sie schließlich vor Ausbilder Yengon zum Stehen. Zum Glück waren sie noch pünktlich, denn auch jemand anderes hatte sich zu ihnen gesellt und beobachtete alles mit seinen Adleraugen.

SaghoryaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt