Kapitel 26

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Gleichermaßen prasselte der Regen auf ihr behelfsmäßiges Dach. Ruby hatte ein paar Rankpflanzen gefunden, mit denen sie sich zwischen zwei eng stehenden Bäumen ein kleines Dach angefertigt hatte. Die jeweiligen Enden hatte sie um die dicken Stämme gesponnen und die Lücken mit Erde und Blättern ausgefüllt. Auch die Seiten hatte sie so verschlossen und nur eine kleine Stelle am Rand etwas freigelassen, um noch rein und rauszukommen.

Jetzt beim Regen hatte sie aber dennoch ein paar Äste davor platziert, um nicht nass zu werden. Das ganze hatte den vollen Tag gedauert und jetzt war sie fix und fertig. Sie hatte es nur noch geschafft ein bisschen Moos zusammen zu tragen um eine halbwegs gemütliche Liegefläche für die Nacht zu haben. Todmüde wie sie war, hoffte sie nun, ihr Dach würde halten. Und vor allem dicht sein.

Schlapp legte sie sich vollends hin und schloss die Augen. Doch durch das stetige Platschen des Regens fiel es ihr schwer Ruhe zu finden. Gequält wälzte sie sich hin und her. Doch das Gefühl der Unruhe wuchs mit jeder Sekunde. Sie fühlte sich einfach unwohl, doch hatte keine Erklärung dafür.

Ob es daran lag, dass sie so weit von Zuhause weg war, dass sie ihre Freunde nicht mehr um sich hatte oder das Eljin nicht mehr bei ihr war, sie wusste es nicht. Fest stand aber, dass das so nichts werden würde. Als der Regen etwas nachließ - ihre Hütte hatte erstaunlicherweise dicht gehalten – zwängte sie sich durch die kleine Öffnung hinaus.

Es war inzwischen stockdunkel geworden, eigentlich die perfekte Uhrzeit, um sich hier draußen nicht mehr blicken zu lassen. Denn nachts schlief der Regenwald nicht. Sie hatte schon viel über Schlangen, Jaguare und der gleichen gehört, doch trotzdem zog es sie nach draußen. Sie konnte einfach nicht mehr in ihrer relativ gemütlichen Behausung verweilen, wusste selbst nicht wieso.

Also schnallte sie sich ihr Schwert und ihren Bogen wieder über den Rücken, die sie vor dem schlafen gehen neben sich liegend drapiert hatte, steckte sich noch zwei Pfeile ein und marschierte einfach drauf los. Mitten durch die Pflanzen hindurch. Doch schon bald merkte sie, dass sie so nicht weit kommen würden.

Hastig zog sie ihr Schwert von ihrem Rücken und schlug mit der scharfen Klinge die Pflanzen beiseite, die ihr den Weg versperrten. Immer weiter kämpfte sie sich so durch das Dickicht. Es tat gut, sich zu bewegen, zu betätigen. Auch wenn ihr die hohe Luftfeuchtigkeit zu schaffen machte. Erst als sie bei einem riesigen Baum stand, machte sie halt.

Der knorrige Stamm war so dick wie ihr ganzes Zelt, in dem sie noch vor wenigen Sonnenaufgängen geschlafen hatte. So hoch, wie die größten Bäume im Schrecken Saghoryas. Lianen verwucherten ihn, bis man das Braun des Stammes schon fast gar nicht mehr erkennen konnte. Eine Blätterpracht beschützte die oberen Äste, während noch mehr Schlingpflanzen herunterhangen. Am Fuße des Baumes hausten eigenartige Lila Pflanzen. Die ganze Welt schien sich einzig um diesen Titan zu drehen.

Respektvoll hielten die anderen Bäume Abstand und ließen ihm seinen Platz. Das war wohl auch der Grund wieso tatsächlich Mondlicht zu ihm hindurch sickerte. Die ganze Lichtung in ein seltsames, silbriges Licht tauchte, während Funken von dem Baum stoben und die Luft erfüllten. Wie erstarrt schaute sie an ihm hoch – und sah den Wegweiser! Er leuchtete hell über ihr, schien auf sich aufmerksam machen zu wollen.

Ein Lächeln umspielte ihre Lippen. Sie konnte einfach nicht anders. Neugierig und doch mit stolzer Haltung umkreiste sie diesen Koloss. Ganz langsam. Immer eine Hand an seinem Stamm. Naja, wohl eher an den Schlingpflanzen. Weich fühlten sich die riesigen Blätter unter ihren Fingern an, als sie den gewundenen Seilen aus Pflanze folgte. Der erdige Geruch des Waldes, machte diesen Ort nur umso magischer und geheimnisvoller. Genauso wie dieser lieblich duftende Geruch der kleinen Lila Pflanzen.

Zusammen mit diesem holzigen bildete es die perfekte Kombination. Tiefenentspannt sog Ruby die Luft ein, ließ sich von ihr verzaubern. Zumindest so lange, bis eine krächzende Stimme die Ruhe durchbrach. „Komm nur zu mir, komm her", flüsterte sie heiser. Erschrocken hielt Ruby inne und hob ihr Schwert kampfbereit wieder vor sich.

SaghoryaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt