Kapitel 25

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Ein paar Tage vergingen. Ruby lernte das Geschöpf, Eljin wie sie ihn nannte, besser kennen. Es wich ihr nicht von der Seite, beschützte sie vor allen möglichen Gefahren. Ihre Freundschaft beruhte auf gegenseitigem Respekt und der Einverständnis beider, sich ihren Stolz zu lassen.

So ließ Eljin sich zum Beispiel nicht gerne anfassen. Fliegen tat er erst recht nur alleine. Dafür ließ er Ruby aber auch ihren Freiraum. Es war einfach perfekt. Sie war nicht mehr auf sich allein gestellt und Eljin zeigte ihr sogar einen der furchtbar seltenen Bäume hier, die noch Früchte trugen und einen kleinen Bachlauf der tatsächlich sauberes Wasser beinhaltete. Die einzigen beiden Lichtpunkte in diesem schaurigen Wald.

Doch, dass es sie gab, zeigte dennoch das nicht alles so schlimm war, wie sie Anfangs gedacht hatte. Auch wenn sie ohne das Geschöpf an ihrer Seite ziemlich aufgeschmissen gewesen wäre. Denn die Früchte befanden sich zu weit oben, als das sie sie selbst hätte pflücken können und der Bach hatte sich unter diesem gummiartigen Boden befunden. Sie hätte sich da niemals alleine durchgraben können.

Doch so kamen die beiden sich ein wenig näher, bis Ruby eines Abends eine Frage zu stellen wagte, die ihr so einiges an Kraft kostete. Zu groß war die Angst, ihn dadurch wieder zu verlieren. Denn auch wenn Eljin ihre Sprache nicht sprach, schien es dennoch, als könne er jedes ihrer Worte verstehen.

„Eljin, kannst du mir einen Gefallen tun?“, fing sie zaghaft das Gespräch an. Sie hatte sich an einen Baumstamm angelehnt, während er sich vor sie gesetzt hatte. Die beiden Vorderbeine graziös überschlagen, die anderen vier unter sich begraben. Fragend hielt er seinen Kopf aufrecht. Allein die Augen zeigten seine Emotionen. Da er noch nicht abgehauen war, hieß das wohl, er wolle mehr hören.

„Ich habe mich gefragt, ob du vielleicht einen Weg hier raus kennst?“, fuhr sie zögernd fort. „Wenn du fliegst, kannst du doch bestimmt auch die Grenze sehen. Die Grenze, die hier raus führt, oder?“ Hoffnungsvoll schaute sie zu Eljin auf. Auch wenn sie ihn mochte und es mit ihm gar nicht so schlimm hier war, hatte sie doch noch Angst vor diesem Ort und wollte unbedingt wieder in eine freundlichere Umgebung, bevor sie hier noch durchdrehte.

Sie vermisste die klare Grenze zwischen Tag und Nacht. Das sanfte Plätschern eines richtigen Baches, das stetige Knistern in den dicht belaubten Büschen, die Tiere, die einen nicht unbedingt sofort töten wollten, den Sternenhimmel, einfach alles. Hier war es nur düster und der einzige Lichtblick war Eljin.

Das war zwar schön, aber lange konnte sie das nicht mehr aushalten. Dessen war sie sich sicher. Und wer wusste, wann das nächste Rudel Nebelwölfe kam? Oder noch schlimmere Tiere. Einzelne konnte das magische Geschöpf zwar aufhalten, aber zu viele wurden für sie beide gefährlich. Das hatte man ja schon mehr als deutlich gemerkt.

Außerdem wollte Ruby noch an ihrem Plan festhalten, die Magier zu finden. Sie musste einfach mehr über sich und ihre Fähigkeiten herausfinden. Anders ging es nicht! Doch Eljin schien nicht ganz ihrer Meinung zu sein. Demonstrierend drehte er seinen Kopf weg, wollte sie nicht mehr anschauen.

„Bitte!“, flehte Ruby. Doch noch immer rührte er sich nicht. Es war unglaublich wie stur eine so edle Kreatur sein konnte! „Soll ich es erklären, wieso ich das möchte?“, fragte sie ihn hilflos. Sofort spitzte das Tier seine Ohren, gestattete ihr jedoch noch immer nicht sein Gesicht zu erblicken.

Seufzend fing Ruby an zu erzählen: „Ich mag es hier mit dir, aber ich vermisse meine alte Heimat. Hier fühle ich mich einfach nicht wohl. Es ist zu dunkel, zu viel Grausamkeit liegt in der Luft. Ohne dich wäre ich bestimmt schon längst tot!“ Verzweiflung triefte in ihrer Stimme. Eljin war ihre einzige Chance hier raus, sie durfte das einfach nicht vermasseln.

Vielleicht hatte er Mitleid, vielleicht bemerkte er auch ihre aufkommende Panik, sie wusste es nicht. Fakt war jedoch, dass er ganz langsam seinen Kopf wieder zu ihr drehte. Fast schien er schon zu lächeln. Jubelnd sprang Ruby auf. Neue Kraft durchflutet sie und das elendige Mädchen, welches sie die letzten Tage über verkörpert hatte, verschwand. Endlich konnte sie weiter ziehen. Vielleicht sogar die Magier finden, wer wusste das schon. Sie hoffte es jedenfalls.

SaghoryaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt