Blattsterns seltsamer Traum - oder: Mitternacht bekommt Ärger

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Wie angewurzelt stand die Anführerin der schemenhaften Gestalt gegenüber. Sie wusste, dass sie träumte, doch es war kein Traum vom SternenClan. Und ein normaler Traum war es auch nicht, denn dafür fühlte er sich bei weitem zu real an. Blattstern schluckte, als der riesige Dachs einen trägen Schritt auf sie zu tat.

„Du Blattstern?“, krächzte das alte Tier und Blattstern riss überrascht die Augen auf. Der Dachs konnte sprechen? In Ordnung, das war eindeutig der seltsamste Traum, den sie je gehabt hatte.

„J-ja“, stotterte sie. Ihr Atem ging hektisch, ihre Krallen waren ausgefahren. Sie war sich sicher, dass es nur noch eine Frage der Zeit war, bis das Ungetüm sich auf sie stürzen würde. Ein sprechender Dachs! Was lief in ihrem Unterbewusstsein nur schief?

„Dann ich richtig bin“, brummte die Gestalt und setzte sich träge. Mit einem seltsamen Geräusch öffnete sie ihr Maul so weit, dass sie Blattstern auf einmal herunterschlucken könnte. Der Anführerin stellte es das Fell auf, sie trat unsicher mehrere Schritte zurück. Was wollte das Tier nur von ihr? Es dauerte einen Moment, bis Blattstern begriff, dass der Dachs nur gähnte.

„Was...?“, stammelte braun und cremefarben gestreifte Kätzin. Sie zitterte, als ein kalter Windstoß über die baumlose Ebene fegte. Lautes Rauschen erklang um sie herum, ein salziger Geruch brannte in ihrer Nase. Der Wind zog an ihrem Fell, es schien, als müsste sie ihre Krallen tief in die sandige Erde bohren, um nicht davon geweht zu werden.

„Was ich hier wollen?“, vervollständigte das Ungetüm ihre vorher abgebrochene Frage. Blattstern nickte nur. Ob es etwas brachte, wenn sie davonrannte? Nein, Flucht war keine Lösung. Besonders nicht in einem Traum. Nicht nur, dass es feige war, es brachte schlichtweg nichts.

„Ich Frage habe. Du antworten, verstehen?“, krächzte der Dachs. Irgendwie klang ihre Stimme weiblich. Soweit die Stimme eines Dachses überhaupt weiblich klingen konnte. Wahrscheinlich war es eine Dächsin. Blattstern ging nun einfach davon aus.

„Verstanden“, murmelte sie, in der Hoffnung, dass die Dächsin möglichst bald verschwinden möge. Eine Zeit lang schwieg das Tier und auch Blattstern traute sich nicht, einen Ton von sich zu geben. Sie lauschte einfach dem seltsamen Rauschen und dem fernen kreischen unbekannter Vögel am dunklen Horizont der Nacht.

„Sol. Du kennen?“, wollte die Dächsin wissen. Die gestreifte Anführerin runzelte überrascht die Stirn. Sol? Meinte dieses schwarze Tier wirklich Sol, den Kater, der ihre Jungen vor einigen Blattwechseln entführt hatte? Den, der unbedingt ein Krieger hatte sein wollen? Hatte sie vielleicht ein anderes Wort gemeint und sich einfach versprochen?

„Sol? Den Kater?“, miaute sie ungläubig. Es kam ihr noch immer vollkommen absurd vor, dass sie sich gerade mit einer Dächsin unterhielt. Erst letztlich hatte ihr Clan ein solches Tier mitsamt seinen Jungen vertreiben müssen!

„Nein! Du kennen!“, fauchte das Tier wütend und schlug mit einer Pfote hart auf die sandige Erde, sodass es gleich eine Staubwolke aufwirbelte. Blattstern zuckte zurück. Ein solcher Schlag konnte eine ausgewachsene Katze töten! Angespannt fixierte sie die Pranken der Dächsin. Wer wusste, was sie als nächstes vorhatte?

„War er böse zu Stamm?“ Sie blinzelte. Böse? Stamm? Meinte sie mit 'Stamm' Clan, oder was sollte das? Konnte es sein, das hier eine Verwechslung vorlag? Vielleicht wollte die Dächsin ja mit einer anderen Blattstern über einen anderen Sol reden. Na gut, das war wohl eher unwahrscheinlich, aber die Hoffnung starb ja bekanntlich zuletzt.

„Er wollte unbedingt Krieger werden und hat meine Jungen entführt“, erklärte die Kätzin, auch wenn sie nicht wusste, ob das als Antwort auf diese Frage galt. Was hatte Sol mit der Dächsin zu tun? Hatte er ihr etwas angetan? Oder aber hatte die Dächsin ihm etwas angetan?

„Dann er war gemein? Er wollen Rache?“, wollte das schwarze Ungetüm wissen. Unschlüssig zuckte Blattstern mit den Schultern. Woher sollte sie das wissen? Ja, er war gemein. Vielleicht wollte er auch Rache, aber war es dafür nach all den Blattwechseln nicht langsam etwas zu spät? „Vielleicht...“

„Oh er wollten Rache. Und ich ihm haben gelehrt. Ärger. ÄRGER!“, dröhnte der Dachs, erhob sich und stapfte an Blattstern vorbei in Richtung einiger Bäume davon, ohne sich weiter um sie zu kümmern. Vollkommen verwirrt runzelte diese die Stirn. Was in SternenClans Namen sollte das? War das ein schlechter Scherz?

„Was soll...?“, jaulte sie der Dächsin hinterher, die noch bevor sie ausgesprochen hatte grölte: „Ich Mitternacht!“

Und damit löste sich der wirre Traum auf, erst verschwand das Rauschen, dann das Kreischen der Vögel. Schließlich war außer Mitternacht und Blattstern nichts mehr zu sehen und die cremebraun getigerte Anführerin spürte, wie sie in das endlose Nichts fiel.

Warrior Cats - KurzgeschichtenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt