Kapitel 2.2

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Das Gefühl an meiner Hand ließ nach und kurz darauf spürte ich Finger, die sich mit meinen verschlangen. Es waren ... menschliche Finger.

Wo war der Drache hin?

„Danke, dass du gekommen bist", erklang die Stimme erneut, doch nicht mehr so rau. Sie war viel melodischer, aber immer noch hallend, was wohl an der Höhle lag.

Etwas Warmes streifte meine Wange und ich zuckte leicht, hielt dann aber still, um herauszufinden, was es war. Sehen konnte ich noch immer nicht, daher blieb mir nichts anderes übrig.

War das eine ... Hand? Wurde meine Wange gerade gestreichelt?

„Ich ... Kann ... mir jemand sagen, was hier los ist?", brachte ich mühsam hervor. Ich verstand nicht, was vor sich ging und hatte noch immer Angst.

„Verzeih mir", bat der Mann, der mir plötzlich sanft einen Arm umlegte. „Ich vergaß, dass ihr Menschen in der Dunkelheit nicht sehen könnt."

Was hieß, wir konnten nicht sehen? Sollte das etwa heißen, dass er mich sehr wohl wahrnahm und sehen konnte?

Die Vorstellung von diesem ... Mann ... gemustert zu werden, ließ mich schaudern.

„Bleib an meiner Seite, ich führe dich", hauchte er mir ins Ohr und ich erschauderte. Es war ein ganz eigenartiges Gefühl als er begann, mich zu führen. Ich war ganz von ihm abhängig und verlor die Kontrolle. Etwas, was mir eigentlich Angst hätte machen sollen, doch ich vertraute ihm. Warum? Das konnte ich nicht sagen.

„Mein Name ist Foscar", stellte er sich schließlich vor, während wir durch die Dunkelheit liefen. „Ich bin der Drachenkaiser der Dunkelheit."

Drachenkaiser. Ich hatte also Recht gehabt! Er war ein Drache aber warum war er jetzt ein Mensch? Konnten sich Drachen etwa verwandeln? Und warum verspürte ich die ganze Zeit ein so seltsames Gefühl in meiner Brust? Als wäre da etwas, was ich nicht benennen konnte. Zudem hatte ich das Gefühl, dass sich mein Blick ein wenig klärte. Wurde es etwa heller? Ich konnte bereits ganz schwach Umrisse wahrnehmen.

„Wie ist dein Name?", wurde ich gefragt.

„Linea", brauchte ich hauchend hervor, weil ich von der ganzen Situation überfordert war.

„Hat man dich eingeweiht, bevor man dich hierhergebracht hat?", fragte er, wobei ich aus seiner Stimme nicht ganz schlau wurde. Er klang neugierig, aber auch ein wenig verärgert.

„N-Nein", stammelte ich. War das falsch? Hätte ich ... Dinge wissen müssen? Aber woher?

„Das dachte ich mir fast. Ich mache es kurz: Jeder Drache braucht eine Frau, mit der er sich verbinden kann, um seine menschliche Gestalt anzunehmen. Ich habe Jahrhunderte in dieser Höhle geschlafen, weshalb ich erst durch deine Hilfe menschlich werden konnte", erklärte er und ich versuchte alles zu begreifen. War das vielleicht der Grund, warum die Drachen ständig neue Frauen holten? Wobei alle zehn Jahre gar nicht so häufig war, wenn sie wirklich Jahrhunderte alt werden konnten. Obwohl ich zählen konnte war das eine Zahl, die ich mir nicht einmal vorstellen konnte.

Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, also schwieg ich.

Plötzlich blieb Foscar stehen und kurz darauf entflammte vor mir eine Fackel.

Ich schnappte nach Luft, als eine weitere feuerfing, obwohl dort niemand war, der diese entzündet haben konnte.

Immer mehr Fackeln um uns herum wurden von Feuer eingenommen und bald schon standen wir im Schein dieser.

Mein Blick glitt umher und mir wurde klar, dass die Wände wirklich bearbeitet waren. Genau wie der Boden. Das hier war keine normale Höhle. Es war eine, in der jemand wohnte!

Zögerlich schielte ich zu Foscar, um zu sehen, mit wem ich eigentlich die ganze Zeit unterwegs gewesen war.

Seine Erscheinung ließ mich nach Luft schnappen. Er trug keine Haut, wie ich es erwartet hätte, sondern ein Gewand aus schwarzen Schuppen. Nur seine Hände waren schuppenfrei, aber trotzdem tiefschwarz. Die roten Augen blickten auf mich hinab und lagen fast gruselig in seinem Gesicht. Trotzdem war er gut gebaut und das perfekte Bild eines starken, gesunden Mannes.

Er hob die Hand und strich mir damit über die Wange, wie er es schon einmal in der Dunkelheit getan hatte. „Du bist eine Schönheit", hauchte er.

„Danke", brauchte ich mühsam hervor. Ich war es nicht gewohnt Komplimente zu bekommen und wusste nicht, wie ich damit umgehen sollte.

„Die Reise muss lang gewesen sein", bemerkte er und führte mich zu einer Tür. „Das hier ist mein Reich und ab heute auch deines." Mit diesen Worten öffnete er die Tür und erneut flammten überall Fackeln auf. Dann traten wir in einen Gang ein. „Du musst dir keine Sorgen machen. Deine Gemächer sind nicht so tief im Berg. Du hast immer Tageslicht und frische Luft", versicherte er mir, während er mich führte. „Du darfst dich hier frei bewegen und wir werden bald alles besorgen, was du brauchst. Die Zauber sollten zumindest die Einrichtung erhalten haben. Um das Essen werde ich mich gleich kümmern", versprach er und ich nickte einfach nur. Irgendwie war ich gerade ein wenig erschlagen.

Ich versuchte alle Worte zu verstehen, doch es waren so viele, dass ich nicht alles direkt begriff. Vielleicht war ich auch einfach zu müde, denn diese plötzliche Kraft, die ich gespürt hatte, nahm wieder ab.

Eine weitere Tür wurde geöffnet und endlich erblickte ich Tageslicht durch mehrere, große Fenster.

An sich war der Raum ein wenig staubig, aber das, was ich auf den ersten Blick fassen konnte, war wundervoll.

Die Möbel waren alt, aber sehr schön gearbeitet und das Bett, das den Raum dominierte, war groß. Bettdecke und Kissen unversehrt. Es lud dazu ein, mich hineinzuwerfen.

„Bitte erschrick nicht", bat Foscar plötzlich und hob die Hand.

Mit einem Schlag gingen die Fenster auf und Wind wirbelte durch den Raum. Der Staub wurde hochgewirbelt und zum Fenster hinausgetragen.

Alles ging so schnell, dass ich nicht einmal wirklich einen überraschten Laut von mir geben konnte.

„Jetzt kannst du es dir hier gemütlich machen", sagte er zufrieden.

Ich gab einen überraschten, fragend Laut von mir. Was hieß ich konnte es mir hier gemütlich machen? Ich hatte angenommen, dass es sein Zimmer war.

Foscar lachte. „Leg dich eine Weile hin, du musst erschöpft sein. In der Zeit werde ich uns Essen und Trinken besorgen und dich dann wecken."

Diesen Worten folgte ein sanfter Kuss auf mein Haut. Wärme breitete sich in meinem Körper aus und Tränen traten mir in die Augen. Diese Geste erinnerte mich sehr an meinen Vater, weshalb sich auch ein warmes Gefühl in mir ausbreitete.

Trotzig wischte ich die Tränen weg. „Danke", brauchte ich mit zitternder, rauer Stimme hervor. Sicherlich konnte man den Kloß in meinem Hals hören.

„Ruh dich aus." Foscar löste sich von mir und machte einen Schritt zurück. Ich hingegen einen zögernden ins Zimmer. „Wenn ich wieder da bin, wecke ich dich." Damit verließ er den Raum und schloss die Tür hinter sich.

Ein wenig planlos blieb ich stehen, bevor ich mich zu den Fenstern begab und hinaussah.

Wir waren unglaublich hoch und überall waren Berge, doch ich konnte auch in der Nähe meines Fensters, aber tief unten, einen See und eine schöne Wiese ausmachen. Außerdem roch es wunderschön nach frischer Luft.

Ich zog mich wieder zurück, kippte die Fenster und begab mich dann Richtung Bett. Mein Körper brauchte ein bisschen Schlaf, bevor ich mich dem stellte, was von jetzt an auf mich zukommen würde. Noch immer verstand ich nicht, was eigentlich meine Aufgabe hier war und warum man mich ausgewählt hatte. Das würde aber sicherlich noch kommen. Ich nahm mir vor, mein bestes zu geben, als ich mich auf das weiche Bett fallen ließ. Es war so gemütlich, dass ich fast sofort einschlief.

Drachenkaiser [Leseprobe]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt