Kapitel 4 : Die Unbekannte

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Nach den zwei Mathestunden war ich froh, endlich in die Pause zu gehen. Ich ging durch das große Schultor und lief meine Runden über den Schulhof, wie immer. Dabei kam ich auch einige Male an Marie vorbei. Sie lächelte mich dabei immer kurz an und verfolgte dann das Gespräch mit ihren Freundinnen weiter. Die Zeit verstrich und ich wollte gerade wieder in das Schulgebäude, als jemand in der Tür gegen mich stieß und sich durch ein hastiges "Oh sorry" bei mir entschuldigte. Ich kam nicht einmal dazu ihr Gesicht zu sehen und lief einfach weiter, ohne mir weitere Gedanken über diese kurze Begegnung zu machen... Ein Fehler? In den nächsten Stunden beschäftigte ich mich mit Geographie, auch einem meiner Lieblingsfächer. Herr Schillinger hatte im Gegensatz zu Herrn Weber etwas mehr Verständniss dafür, dass ich anders war. Wir diskutierten über den Wassermangel in Trockenzonen und für mich schien - anders als bei meinen Mitschülern - die Zeit nur so zu fliegen. Ich beschäftigte mich schon gar nicht mehr mit dem Stoff, sondern war, wie meistens, tief in meine Gedanken versunken. Wörter kreisten ohne Sinn in meinem Kopf und doch kam immer wieder alles auf meine besondere, hm, nennen wir es "Gabe" zurück. Ich wusste ganz genau, dass die Frage nach dem Grund, die suche nach dem warum eine endlose Grübelei ist und doch saß ich im Geographieunterricht von Herrn Schillinger und dachte nur noch an dieses eine Wort. Warum? Der Gong ertönte und alle waren froh, dass der Unterricht endlich vorbei war. Nur ich stapfte missmutig aus dem kleinen Raum heraus. Meine Gedanken kreisten immernoch wie wild in meinem Kopf und plötzlich stand mir "die Unbekannte" gegenüber. Ohne ihr 'Hey' wäre ich vermutlich schon wieder gegen sie gelaufen. Ich versuchte freundlich zu sein und redete etwas mit ihr. Zwar wusste ich noch nicht einmal ihren Namen, doch ich wollte nicht unhöflich sein und bemühte mich, das Gespräch am Leben zu erhalten. Währenddessen fiel mir Marie auf, die den Flur an uns vorbei herauf lief. Ich vermutete, sie hatte ihr Buch für Mathematik im Schliessfach vergessen und wollte es nun holen. Als sie an mir und der Unbekannten, die, wie sich herausstellte, Hannah aus meiner Parallelklasse war, vorbeilief,  musterte sie mich und Hannah genau. Ihr blicke schienen jeden Zentimeter zu durchdringen und ihre Mimik schien genervt und verärgert. Ich war überfordert. Einerseits wollte ich noch mit Hannah reden, aber ich wollte auch wissen was mit Marie los war. Ich wusste nicht mehr weiter. Plötzlich ließ ich Hannah mittend im Satz stehen und lief Marie hinterher. Sie war bereits an ihrem Schliessfach und holte, wie ich vermutet hatte, gerade ihr Mathebuch heraus. Sie schien sich etwas beruhigt zu haben, denn jetzt lächelte sie mich an und fragte was ich denn hier mache. Ich sagte ihr, dass ich wegen ihres Blickes verunsichert war und wissen wollte, was mit ihr los war. Sie sagte es wäre nichts und wollte wissen, seit wann ich denn mit Hannah reden würde. Ich erzählt ihr von unserer eher unfreiwilligen Begegnung nach Geographie und Marie schien irritiert. Während sie mich weiter über Hannah ausfragte erblickte ich ihn ihrem Schliessfach die rote Lilie neben einem alten, schon leicht abgegriffenem Foto. Darauf zu sehen waren Marie und ich, bei einem Schulausflug im Wald. Sie bemerkte wohl meinen Blick in ihr Fach und schloss es schnell. Genauso schnell verabschiedete sie sich auch und lief den Flur zur Treppe hinab. Ich stand noch eine Weile im Flur und überlegte ob ich überhaupt nachdenken sollte, aber ich entschied mich, dass es vielleicht klüger wäre, einmal nicht nachzudenken. Da ich meinen Bus schon verpasst hatte, brauchte ich mich nicht zu beeilen und Schritt langsam den Flur entlang, vorbei an der Stelle an der ich Hannah vorhin einfach stehen ließ, weiter bis zur Treppe nach draußen.

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