4. Armer armer Nikolaus

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Der Nikolaustag rückt immer näher. Für mich eigentlich keine große Sache, denn ich bin schon lange aus dem Alter heraus, an den Nikolaus zu glauben und jeden Abend meine Stiefel zu putzen, in der Hoffnung, ich würde am nächsten Tag keine Rute sondern viele Süßigkeiten vorfinden. 

Doch dieses Jahr ist es anders.

Dieses Jahr brauche ich dringend Geld und habe mich in meiner Verzweiflung im Städtischen Klinikum angemeldet, um am 6. Dezember durch die Gänge zu laufen und den Kindern eine Freude zu machen.

Meine Mutter ist ganz entzückt von der Idee und hätte mich am liebsten abgeknutscht. 

„Das ist mein Junge", hat sie freudestrahlend gesagt und mir durch die Haare gewuschelt, als wäre ich 10. Mein Vater hat sich darüber nur köstlich amüsiert, anstatt mir aus dieser äußerst peinlichen Situation zu helfen.

Und so stehe ich jetzt hier. Im Schnee. Am 6. Dezember. Vor dem Klinikum. Und trete meine Arbeit an, die mir wenigstens etwas Kohle bringt.

Ich melde mich am Empfang und werde breit grinsend von einer schlanken Frau begrüßt. „Ich finde es wirklich schön, dass es auch noch junge Menschen gibt, die sich nicht nur für Playstation und Alkohol interessieren." Sie kichert leicht und deutet auf eine Tür neben dem WC für das Personal. „Hier entlang bitte."

Die Frau, die sich mir als Schwester Laura vorgestellt hat, führt mich in einen Raum, in dem viele verschiedene Kostüme hängen. Unter anderem springt mir eine Clownsnase ins Auge. 

Sie wühlt in einer Schublade herum und zieht einen weißen Vollbart und eine rote Weihnachtsmütze mit einem weißen Bommel heraus. Dazu reicht sie mir von der Kleiderstange einen roten Mantel und eine rote Hose mit weißen Hervorhebungen an den Ärmeln und an den Hosenbeinen. 

Zu guter Letzt fehlen nur noch weiße Handschuhe, ein breiter Gürtel und schwarze Stiefel. 

Sie dreht sich lächelnd in meine Richtung und hängt den Jutebeutel über ein kleines Sofa, welches in der Ecke steht. „Dann lasse ich dich mal alleine." Laura schenkt mir ein weiteres Lächeln und schließt leise die Tür hinter sich. 

Ich stöhne leise auf. In diesem dicken Kostüm werde ich schwitzen wie sonst was. Aber was macht man nicht alles für Geld?

Etwas aufgeregt ziehe ich mir die Jeans aus, unter der ich eine Jogginghose trage und ziehe mir den weichen Pulli über den Kopf. Ich steige langsam in die Hose, die erstaunlich bequem ist und sich sehr weich anfühlt. Dann schlüpfe ich in die Stiefel und ziehe mir die Jacke an. Darüber kommt der Gürtel und zum Schluss der Bart. Anfangs kratzt und juckt es in meinem Gesicht, doch daran werde ich mich hoffentlich schnell gewöhnen.

Ein letzter Atemzug und ich trete samt Jutebeutel aus dem kleinem Zimmer. Laura bemerkt mich sofort und guckt begeistert. „Hallo Nikolaus. Schön, dass du bei uns bist. War der Weg nicht allzu anstrengend?" Sie blinzelt und grinst mich breit an.

Ich habe jetzt schon fast keine wirkliche Lust mehr, denn Laura verhält sich extrem nervig. Natürlich muss ich auf solche Fragen antworten können, aber es reicht, wenn ich das bei den Kindern mache.

„Hallo Schwester Laura. Der Weg war anstrengend. Meine Rentiere sind schon ganz geschafft und freuen sich über eine kleine Pause.", versuche ich mit verstellter Stimme zu antworten.

Die Frau guckt mich begeistert an und kommt hinter dem Tresen hervor. „Okay, Nikolaus. Dann zeige ich dir mal die Kinder, die dich schon sehnlichst erwarten."

Ich hieve mir den Jutebeutel über die Schulter. Dieser wurde vorher noch mit Kleinigkeiten für die kleinen, aber auch die großen Patienten bestückt.  

Langsam gehen wir in den ersten Gang, der sich als Kinderstation herausstellt. 

Sie führt mich zu einer Tür, auf der Affen abgebildet sind. „Hier sind Anna und Sophia." Die Schwester öffnet die Tür einen Spalt und lächelt die beiden Mädchen an. „Der Nikolaus ist da." 

Sie lässt die Tür ausschwenken und bittet mich hinein. „Hohoho", mache ich mit tiefer Stimme und gehe zu den beiden Mädchen, die mich mit leuchtenden Augen anschauen. 

Ich öffne den Sack und ziehe für jeden einen kleinen Teddybären und ein Ausmalbuch mit passenden Stiften heraus. Die Kleinen freuen sich tierisch und umarmen mich stürmisch. Ich lache ein tiefes Lachen und drücke die beiden vorsichtig an mich.

Dann verlasse ich den Raum nach kurzer Zeit wieder und klappere jede Tür ab bis nur noch eine übrig ist.

Laura ist begeistert von meiner Arbeit und hat die ganze Zeit ein fettes Grinsen im Gesicht. Muss die nicht mal arbeiten? Genervt verdrehe ich innerlich die Augen.

Vor der blau gepunkteten Tür bleibt die Schwester stehen und schaut mich ernst an. „Das ist das größte Zimmer auf der Kinderstation und dementsprechend auch das lauteste. Mach dich also auf sehr viel Lärm und Gekreische bereit." Sie öffnet die Tür, bevor ich fragen kann, was sie damit meint. Die anderen Kinder waren alle nett zu mir und haben sich über die Geschenke gefreut. Besonders die beiden aus dem ersten Zimmer haben es mir angetan.

Ich betrete vorsichtig den Raum, als mich ein Kissen am Kopf trifft. „Manuela, du lässt das sofort sein. Das ist der Nikolaus und er hat auch Ruten in seinem Sack."

Mein Blick geht zu einem Mädchen, die in ihrem Bett sitzt. Angelehnt an tausende Kissen sieht sie mich arrogant an. „Denkst du wirklich, ich glaube noch an den Weihnachtsmann, die Zahnfee und den Nikolaus? Das sind alles nur Geschichten." Ihre Augen mustern mich ausdruckslos ehe sie wieder Laura anguckt. Diese scheint sehr enttäuscht zu sein. 

„Das stimmt nicht.", meldet sich ein anderes Mädchen zu Wort. Ihre Augen sind weit aufgerissen und sie scheint den Tränen nahe zu sein. „Den Nikolaus gibt es, sonst würde er nicht vor dir stehen."

Ich weiß nicht so recht, wie ich mit der Situation umgehen soll. Etwas verhalten öffne ich den Sack und reiche jedem eine Kleinigkeit. Manuela dreht sich eingeschnappt zur Seite, also lege ich die Sachen auf ihren Nachtschrank. 

Schnell umarme ich noch die anderen, die mich nur stumm beobachtet haben und trete zur Tür heraus. Draußen muss ich kurz durchatmen. Laura stößt genervt Luft aus und sieht mich entschuldigend an. „Nimm es dir nicht zu Herzen. Manuela hat eine schwere Zeit hinter sich."

Ich winke ab. „Ist ja nichts passiert. Durch die Mütze hat mein Kopf nichts abbekommen und das Kissen war ja weich." Schon kann sie wieder lächeln. Vielleicht ist sie ja doch gar nicht so schlimm.


Huhu, ein kleines Kapitel von mir. Ich bin nicht zufrieden, deswegen werde ich es nochmal überarbeiten, aber ich wollte euch trotzdem eine kleine Freude machen. Einen schönen Nikolaustag.

LG Plappermaul :)

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