6.

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Margaret

Er war nirgends zu sehen. Langsam geriet ich in Panik. Ich hatte Feste noch nie gemocht, vorallem weil sie so unübersichtlich waren. Und gerade als ich die Suche aufgeben wollte, sah ich ihn abseitseits der Masse, in ein Gepräch verwickelt stehen.

"Vater! Ich hab überall nach dir gesucht", der Kopf meines Vaters schnellte herum, als hätte ich ihn bei irgendetwas erwischt. Neben ihm standen zwei Personen; eine junge Frau und ein junger Mann.

"Liebes, ich muss im Moment etwas wichtiges besprechen. Was hältst du davon, wenn du dich in der Zwischenzeit etwas auf der Tanzfläche amüsierst?", er sprach schnell und hektisch die Frau wirkte genervt und der Mann starrte mich einfach nur an, aber ich achtete im Moment nur auf meinen Vater.

Amüsieren und Tanzfläche gehörte für mich schonnmal nicht in einen Satz.

"Allein?", fragte ich leicht gereizt und warf dann einen vorwurfsvollen zu Henry.

Daraufhin trat der Mann einen Schritt auf mich zu und bedeutete mir seine Hand zu nehmen.

 "Darf ich bitten? Ich bin Raphael."

Ich nahm bedacht seine Hand und musterte ihn genauer, er war groß und trug seine dunklen, lockigen Haare nicht in einer zazzera, so wie die meisten anderen Männer, seine Hände waren groß, aber sanft und sie fühlten sich gut an. Er trug über seinen dunklen Strumpfhosen nur ein einfaches, weißes chemise, welches seine markanten Gesichtszüge und die bernssteinfarbenden Augen noch anziehender machte.

"Willst du mir nicht verraten wie du heißt?", erschrocken sah ich ihm in die sanften Augen, aber ich brachte kein Wort heraus, "Nun, dann nenne ich dich jetzt Greensleeves." Meine markanten Ärmel natürlich Greensleeves, aber aus seinem Mund klang es nicht lächerlich, es klang schmeichelnd.

"Was ist? Lass uns tanzen Greensleeves.", er schmunzelte als er Greensleeves aussprach.

"Ich halte tanzen für keine so gute Idee, schätze ich.", doch da hatte er schon den Arm um meine Hüfte geschlungen und zog mich zu sich.

"Vertrau mir einfach", hauchte er, "Lass dich einfach fallen, ich führe."

Ehe ich mich versah schwebten wir über die Tanzfläche und zogen kleine Kreise zum Klang der Musik. Ich war fasziniert, wie leicht sich meine Füße bewegen konnten und wie einfach mir die verhassten Tanzschritte pötzlich fielen, es fühlte sich an, als würde ich in seinen Armen regelrecht schweben. Dieser Moment war ewig. 

Unsere Herzen schlugen im selben Takt und die Art wie sich unsere Augen trafen, ließ meine Knie butterweich werden.

Aus den Augenwinkeln konnte ich hasserfüllte Blicke der jungen Frau vernehmen, die zwar in ein hitziges Gespräch mit meinem Vater verwickelt war, uns aber trotzdem noch Giftpfeile mit ihren dunklen Augen hinterher schoss. Nun sah ich sie mir genauer an, ich kannte sie nicht, aber sie kam mir bekann vor. Fieberhaft überlegte ich, wo ich diese kleine, zierliche Frau mit der Haut aus Elfenbein und den ebenholzfarbenden Haaren schoneinmal gesehen haben könnte.

"Möchtest du was trinken little Greensleeves?", Raphael weckte mich aus meinen Gedanken. 

 "Das ist mein Fest, ich gebe die Einladungen", wir beide mussten schmunzeln und er nahm sich zwei Gläser französischen Rotwein, von dem er mir eins reichte und das andere Glas selber behielt. Ich nippte an meinem Glas und verzog sofort das Gesicht, ich hatte nicht geahnt, dass der Wein so trocken war. Raphaels Augen ruhten auf meinen Taten, er verfolgte jeden Atemzug und nahm meine kleinste Bewegung wahr.

"Wer ist die Frau, die mit meinem Vater redet?", ich konnte mal wieder meine Zunge nicht beherrschen, das war also der Preis der Neugier.

Augenblicklich verfinsterte sich seine Miene.

"Das ist Mary..", er hielt kurz inne und machte einen schmerzverzerrten Gesichtsausdruck, "...sie ist meine Frau."

Autsch, dieses Gefühl das mir den Magen umdrehte, als wäre er ein nasser Waschlappen, war neu für mich. Keinenfalls durfte ich mir was anmerken lassen, also nahm ich einfach noch einen großen Schluck aus dem Weinglas. Es war scheußlich, aber mein Magen entwirrte sich wieder und fühlte sich dabei so flau an.

"Oh..und warum seid ihr hier? Ihr wart nicht eingeladen oder liege ich das falsch?", ich versuchte das Gespräch zu wenden, aber der Versuch ging nach hinten los, so viel zum Thema nichts dummes anstellen...

"Das ehm...nun, also..", er zögerte leicht und warf erst einen Blick zu seiner Frau und dann war er etwas zu sehr am Boden interessiert, "Du stellst zu viele Fragen Kleine."

Ich wollte antworten, doch dann wurden meine Gedanken unterbrochen.

"Sie haben doch sicher nichts dagegen, wenn ich meine Verlobte auf einen Tanz entführe?!", Henry betonte meiner Meinung nach das "meine" zu sehr, außerdem hatte er sich den ganzen Abend nicht wirklich viel um mich gekümmert. Den erschrockenen Blick Raphaels konnte ich nur erahnen, denn schon hatte mich Henry gepackt und zerrte mich unsanft auf die Tanzfläche.

GreensleevesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt