8.

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Margaret

Verdammt! In diesem Moment wurden die Drei aufmerksam. Ich nahm meine Schleppe in die linke Hand und rannte so schnell ich konnte. Hinter mir waren die Schritte der anderen zu hören.

Irgendwann gaben meine Beine dem Druck nach und ich landete unsanft auf dem Boden.

Raphael war als Erster bei mir.

"Margaret? Du bist es? Ich dachte schon es wäre ein Spitzel des Königs. Hast du dir was getan?", er strich mir sanft über die zerzausten Haare und half mir auf. Es schmerzte zwar, aber der Schmerz war aushaltbar, so schüttelte ich rasch den Kopf.

"Du wirst uns doch nicht verraten?", seine Stimme klang hoffnungsvoll und verzweifelt.

Wie könnte ich ihn verraten? Damit würde ich nicht nur das Leben von ihm und seiner Frau auf's Spiel setzen, sondern auch das meines eigenen Vaters.

"Nein, ich...", weiter kam ich nicht, Marys schrille Stimme unterbrach mich.

"Wie bitte junges Fräulein?", sie war selber nicht viel älter als ich und ich hatte zwar leise geredet, aber keinesfalls unverständlich. Mary schien mich wohl genauso wenig leiden zu können, wie ich sie.

Mein Vater stieß als letzter dazu.

"Wie lange hast du zugehört?", keuchte er.

"Ich kann mir nun einiges erklären. Lassen wir sie bei uns wohnen Vater?"

"Mir bleibt ja nicht viel anderes übrig.", er schenkte Raphael und Mary ein gutmütiges Lächeln.

Ich hoffte er verstand, was er da tat, er setzte sein Leben und das der gesamten Familie auf die goldene Kante, aber das war mein Vater.

Schon von klein auf hatte er mir die Welt erklärt, hatte mir Bücher geschenkt und mir den See gezeigt. Früher waren wir oft gemeinsam dort, aber mit den Jahren war ich immer öfter allein, während er mit der Verwaltung von den Ländern, Audienzen und dem Planen von irgendwelchen Abkommen beschäftigt war.

Mein Vater ist mein einziger Vertrauter gewesen und deshalb schmerzte es auch so sehr Henry zu heiraten, denn das bedeutete, dass wir so gut wie Fremde würden. Zu meiner Mutter hatte ich nie ein enges Verhältnis.

Mein Vater war so selbstaufopferungsvoll wie kaum eine Person, die ich kannte.

"Margaret es ist spät. Du hattest einen anstrengenden Tag, du sollest schlafen gehen!", er lächelte leicht und nickte mir zu, dann verschwand er mit Raphael und Mary.


Im Haus wurde bereits aufgeräumt. Leere Speisetafeln wurden durch die Gänge getragen und die Musiker kamen mir entgegen als ich den Saal betrat. Er war leer. Anscheinend hatten die letzten Menschen ihn gerade verlassen, als was ich mich zählte konnte ich nicht sagen.

Die Luft war nun wesentlich angenehmer und meine Schritte hallten Dumpf durch die Decke wieder, als ich mich bewegte. Unglaublich wie viel Zeit vergangen war, all die Menschen waren wohl schon friedlich in ihren Betten, dabei war ich höchstens eine gefühlte Stunde fort gewesen.

In der dunkelsten Ecke des Raumes, dort wo ich meinen Vater gefunden hatte mit den beiden Unbekannten, lag etwas.

Meine Schritte beschleunigten und ich bückte mich nach der Schnur, eine Kette, die zusammengerollt war.

Ich drehte sie in meiner Hand und entdeckte einen kleinen, aus Holz geschnitzten Anhänger. Ein Kreuz.

Als ich mit dem Finger darüber fuhr, spürte ich Einkerbungen.

In winzigen Buchstaben "sanguis, dolor, adfectus"

Blut, Schmerz, Leidenschaft.

Was sollte das bedeuten? Diese drei Worte, wofür standen sie?

Mein Vater hatte mich auch in Latein unterrichtet, wohl mehr unterrichten lassen. Vom Pfarrer, er ließ mich in der heiligen Schrift lesen - auf Latein. Den Pfarrer hatten sie abgeholt, danach wurde er nicht mehr gesehen.

Wahrscheinlich war es ist nicht vorteilhaft, wenn irgendjemand von dieser Kette Wind bekommen würde.

Ich stopfte sie schnell in meinen Ausschnitt und sah an meinem Kleid hinab.

Diese modische Meisterwerk würde ich wohl nicht mehr tragen können, es war an den Knien zerrissen und die Schleppe war zertrampelt und komplett verdreckt, aus dem saftigen Grün war ein nadelholzfarbiges Grün geworden.

Dann erinnerten mich die Schläge der Uhr daran endlich schlafen zu gehen. Mein Vater hatte Recht, dieser Tag war wirklich verdammt anstrengend gewesen.



GreensleevesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt