4.

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Margaret

Die Morgensonne, die ersten Strahlen, die durchs Fenster schienen weckten mich. Erst wollte ich aufspringen und mit meinem Pferd zum See reiten, so wie jeden Dienstag, doch dann wurde mir bewusst, dass heute nicht irgendein Dienstag war. Aber was sprach eigentlich gegen einen Ausritt? Das Fest begann erst am Abend und bis dahin war ich allemal zurück vom See. Der Gedanke, dass es das letzte Mal sein könnte stieß ein unbehagliches Gefühl in meinem Bauch los.

In den Ställen traf ich wie erwartet um diese Zeit noch niemanden an. Schnell sattelte ich mein Pferd und ritt dem Sonnenaufgang entgegen.

Heute war das Wasser wärmer, es ließ mir nicht viel Ruhe, meine Gedanken überschlugen sich und so war ich eine Stunde später schon wieder auf dem Heimweg.

Zuhause wurde ich schon sehnsüchtig von einer viel zu hysterischen Mutter empfangen. "Wo hast du bloß gesteckt Liebes? Du kannst doch nicht einfach so abhauen, ich hab mir Sorgen gemacht. Ein bisschen mehr Pflichtbewusstsein hätte ich von dir erwartet."

Stumm nahm ich die Vorwürfe hin und trottete die Treppe zum Ballsaal hoch, um noch einmal alles auf seine Vollständigkeit zu prüfen, später ging ich mit dem Koch das Menü durch. Meine Mutter kam durch die Tür, seit ihrem Hysterieanfall hatte ich sie nicht mehr gesehen.

"Margaret? Liebes kommst du hoch zum Ankleiden?", sie versuchte sanft zu klingen doch man hörte die Nervosität in ihrer schrillen Stimme.

Ich nickte und folgte ihr schweigend, vor der Tür blieb sie schließlich stehen und zog ein langes blaues Band hervor, meinen fragenden Blick beantwortete sie, indem sie es um meine Augen legte, sodass ich nichts mehr sehen konnte. Sie nahm meine Schultern und leitete mich in den Raum, indem wahrscheinlich mein Verlobungskleid hing.

Blind und komplett auf andere angewiesen vernahm ich nichts anderes als die leisen Anweisungen meiner Mutter und hin und wieder sanften Stoff, in den ich gehüllt wurde. Hände machten sich an meinen Haaren zu schaffen und ich konnte spüren, wie Puder auf mein Gesicht gepinselt wurde, dann, nach einer gefühlen Ewigkeit, griff die warme Hand meiner Mutter und zog mich mit sich.

Als das Band vor meinen Augen fiel und ich mich im Spiegel bewundern konne, stockte mir der Atem. Das Kleid war wunderschön, wenn man außer acht ließ, dass ich darin aussah wie ein Sahnebaisée. Kurz musste ich schmunzeln, aber dann musterte ich es genauer: ein Traum in grün, ein sattes dunelgrün, nicht das grün von Tannen, dafür war es zu kräftig, aber auch kein grasgrün, man könnte die Farbe vielleicht als rosenblattgrün bezeichnen. Es war lang und die Schleppe war schwer und mit goldenen Mustern bestickt, die Ärmeln waren an den Seiten ausgestellt und es endete in einem tiefen Dekoltée. Meine dunkelblonden Haare waren gelockt und leicht zurückgesteckt worden.

Wenn ich mich nicht besser gekannt hätte, hätte ich fast gedacht ich wäre eine echte Lady, aber das war ich nicht, ich war nicht geschaffen für diese Funkelwelt voller Empfänge und Bälle, das war nicht ich. Diesen einen Abend würde ich vielleicht mit Müh und Not überstehen, aber wenn ich nur daran dachte, das Ganze Woche für Woche immer auf's Neue hinter mich zu bringen wurde mir übel.

"Einige Gäste sind bereits eingetroffen, unteranderem der Lord von Sedgemoor, er wird die Gäste begrüßen und wartet anschließend in der Empfangshalle aud dich, damit ihr beide dann zusammen den Ball eröffnen könnt, nachdem dein Vater eure Verlobung bekannt gegeben hat. Hast du alles verstanden?", meine Mutter war wirklich nervöser als ich. Wir hatten den Ablauf bestimmt hundert Mal durchgesprochen,aber ich hatte ja auch nichts zu verlieren bis auf einen Ehemann und auf den konnte ich gut verzichten, meiner Mutter hingegen war ein guter Ruf wichtiger als alles andere.

"Und danach?", wir hatten bis zum Tanz alles besprochen, aber was danach geschehen würde, darüber hatte ich nicht nachgedacht.

"Amüsiere dich, lache, tanze, knüpfe Kontakte, aber stell bloß nichts dummes an! Nun jedenfalls sollte ich mich jetzt auf den Weg an die Seite deines Vaters begeben, dein Verlobter erwartet dich bestimmt sehnsüchtig.", mit diesen Worten verschwand sie in den Gängen.

GreensleevesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt