Spa 10

333 14 2
                                    

"Du schaffst das, da bin ich mir sicher", ich schenke George ein Lächeln, welches er zu meiner Verwunderung erwidert. "Ich hoffe es so sehr, noch einen Absturz wie letzte Woche kann ich mir nicht erlauben", meint er harsch, viel mehr an sich selbst gerichtet. "Sieh nicht immer alles so eng, es wird so passieren, wie es passieren soll", murmle ich, lege vorsichtig eine Hand auf seine Brust, die sich unter meiner Berührung in kürzeren Abständen hebt und senkt. "Du hast Recht, wir sehen und dann auf dem Podium", selbstsicher wendet er sich nach meiner Verabschiedung von ihm ab, um in die Garage zu stolziere.

Sein Rennanzug schmiegt sich an den athletischen Körper, dem ich selbst nach all den Jahren hierherblicke, wie am ersten Tag. Eine Welle durchfährt mich, Euphorie, Freude, aber auch Hoffnung sind die Komponenten dieser, ausgelöst von dem Mann, den ich liebe. Unwissend wie lange ich schon in die Leere blicke, werde ich von jemanden aus meiner Blase gerissen. Erschrocken drehe ich mich zu dem Übeltäter um, der mir seine Hand auf die Schulter gelegt hat. Niemand geringeres als Luc grinst mich breit an, verwundert hebe ich die Augenbrauen, da sie nichts sagt. "Ist was?", frage ich sie kaum hörbar, oder ist meine Stimme laut?

"Also du bist mit deinen Gedanken noch immer bei ihm, oder?", will sie wissen, als Antwort lege ich den Kopf schief. "Lando hat es mir erzählt, es freut mich echt für euch beide", quickt sie, klatscht begeistert in die Hände. "Tut mir leid, ich war gerade nicht wirklich hier", meine ich kopfschüttelnd. "Das habe ich mitbekommen, aber kann ich ja verstehen", mit diesen Worten nimmt sie mich am Handgelenk, ehe ich mich versehe, werde ich von ihr über den Paddock geschleppt. "Wohin geht es, wenn du mich schon so mitschleifst?", frage ich sie, während ich hinter ihr her stolpere. "Ich suche Anna", meint sie bestimmt und sogleich halte ich Ausschau nach dem Blondschopf.

"Da vorne ist sie!", ruft Luc plötzlich und stürmt auch schon in die Richtung, in die sie deutet. So gut es geht laufe ich ihr hinterher, was nicht einmal so einfach ist. Gerne würde ich einfach stehenbleiben, aber das würde sie mir nicht verzeihen, weshalb mir wohl oder übel nichts anderes übrigbleibt. "Alles gut bei euch? Habt ihr einen Geist gesehen?", will Anna amüsiert von uns wissen, sobald wir vor ihr zum Stehen kommen. "Nein, ich freue mich nur so sehr auf das Rennen", plappert die Französin und zieht die Vokale in die Länge. "Verständlich. Heute bei dir im Motorhome?", will sie wissen, sieht dabei zu der Person neben mir.

So kommt es, dass wir zu dritt im Motorhome sitzen und uns über das bevorstehende Rennen unterhalten, oder besser gesagt die beiden reden darüber. "Schauen wir mal was Pierre mit der Pole heute anstellen wird", verträumt sieht Luc auf den Bildschirm, von dem ich meinen Blick schon längst abgelegt habe. "Wir werden ja sehen, Max ist auf Krawall gebürstet", gespielt herausfordernd funkeln sich die beiden an, nebenbei scrolle ich seit Längerem wieder durch Instagram, um mir den neusten Mist zu geben, den man verpasst, wenn man in einer Beziehungskrise steckt.

Schweigend sitzen wir da, selbst die Kommentatoren halten ihren Mund, was auf die Schweigeminute für Anthoine zurückzuführen ist. Ein eigenartiges Gefühl durchfährt mich, liegt es an der Stimmung, die alle ausstrahlen? Oder doch etwas anderes? Meine Gedanken werden von dem Läuten einer Glocke unterbrochen, die Glocke, die die Schweigeminute als abgelaufen läutet. Doch noch immer ist mir flau im Magen. "Das ist bestimmt nur, weil George sich so komisch verhält", rede ich mir selbst ein und stemple es einfach so ohne weiteres ab. Anstatt mir den Kopf zu zerbrechen, lausche ich der Nationalhymne, die soeben gesungen wird, von der ich kein Wort verstehe. Mein Blick klebt auf George, der dasteht, mit gerecktem Kinn, neutraler Mine. Dieser Anblick löst etwas in mir aus, das ich nicht beschreiben kann.

"Bei dir und George scheint ja alles wieder in bester Ordnung zu sein, warum so eine Schnute?", Anna stößt mich in die Rippen, was mich schmerzverzerrt auf keuchen lässt. "Wann habe ich das gesagt?", frage ich sie mich hochgezogenen Augenbrauen, woraufhin sie zu Luc deutet. Mir leuchtet ein, was sie meint, zucke bloß mit den Schultern und versuche mich so aus dem bevorstehenden Gespräch zu retten. "So einfach kommst du mir nicht davon. Erzähl was ist passiert", wie sie euphorisch wissen, weshalb mir bewusstwird, dass mein Versucht als gescheitert abgehackt werden kann.

"Tu nicht einen auf nichts wissen, nichts sehen und nicht hören. Du kannst mir schlecht vormachen, dass da zwischen euch nichts passiert ist und ihr jetzt wieder normal miteinander umgeht", augenrollend verschränkt sie die Arme vor der Brust. "So war es aber. Wir sind so lange zusammen, da ist das denke ich normal", winke ich lässig ab, wobei ich mir selbst kein Wort glaube. Dafür tut es die Blondine, die enttäuscht darüber zu sein scheint, denn ihre Mundwinkel fallen metaphorisch gesehen auf den Grund der Tatsachen. "Und Ananas hat sofort mit richtiger Romanze gerechnet", Luc schaltet sich zu dem Gespräch dazu, von mir aus hätte sie dies gerne früher machen können.

"Ist es gemein, wenn ich sage, dass mir so richtig Drama auch gepasst hätte?", meint sie gespielt schmollend, was ich mit "Dann brich doch einen Streit vom Zaun mit Max", quittiere. "Bring sie lieber nicht auf dumme Ideen", versucht Luc mich davon abzuhalten, doch das Grinsen auf dem Gesicht der Blonden lässt darauf schließen, dass es bereits zu spät ist. "Die reparieren ihre Beziehung sowieso mit Sex, da ist das egal", winke ich spaßeshalber ab, womit ich nicht gerechnet habe, sind die knallroten Wangen meiner Schwester. "Voll ins Schwarze getroffen, aber tun wir das nicht alle?", will Luc wissen.

Um diesem Moment zu entgehen, dass die beiden wissen, dass ich abnormal in und meine Probleme so nicht löse, deute ich auf den Bildschirm. "Schaut mal, das Rennen beginnt gleich", meine ich und sofort werfen sich die beiden in eine heftige Diskussion, wer von den Jungs heute das Rennen macht. Entspannt lehne ich mich zurück, halte meinen Mund und beobachte wie alle 20 Fahrer ihre Formationlap abrackern, dabei die Reifen aufwärmen, höre den Moderatoren zu, wie sie selbst über allmögliche Dinge diskutieren.

Zweifel ohne Grenzen |F1-FF| |George Russell|Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt