Bahrain 7

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Müde sitze ich an meiner Tasse Motivation, lasse immer wieder einen Schluck meine Kehle hinablaufen. Das bittere Gebräu lässt mich kurz die Augen schließen, den Moment genießen, ehe ich mich erneut meinem Laptop zuwende. Gestern habe ich es nicht mehr geschafft, etwas Produktives zu erreichen, wodurch ich dazu gezwungen bin, mich vor vollendete Tatsachen zu stellen. "Bis zum Rennen habe ich noch genug Zeit, ich sollte mich wirklich mal konzentrieren", gifte ich mich selbst an, ehe ich kurz mit dem Kopf schüttle. Alles woran ich denken kann, ist George, gestern Abend und wieder George. Lange habe ich gewartet, bis er gegangen ist, doch es ist besser so, da bin ich mir sicher.

Mit den Kopfhörern im Ohr, wippe ich im Takt zu der Musik von "You make me" von Avicii, das ich erst vor kurzem wiederentdeckt habe. Gerade kommt mir eine Idee, was ich schreiben könnte, da werde ich an der Schulter angefasst. Ignorierend mache ich dort weiter, wo ich anfangen wollte, aber meine Finger wollen nicht über die Tastatur fliegen. Als würde mich mein eigener Verstand dazu zwingen, mich umzudrehen. Erneut tippt mich jemand an, diesmal unter den Schulterblättern, was mir sogleich ein Ziehen im Unterleib beschert. Widerwillig nehme ich die Stöpsel aus den Ohren, doch weiter komme ich nicht.

"Ich dachte schon, du willst gar nicht mit mir reden", diese vertraute Stimme lässt mir einen Schauer über den Rücken laufen. Ehe ich mich zu ihm umdrehe, wie gestern in diese Augen blicke, die mich alles um uns herum vergessen lassen. "George, ich...", setze ich an, doch er unterbricht mich mit einem "Es ist okay, mach dir keinen Kopf". Beim Sprechen schlägt sein Atem gegen meine Haut, unwillkürlich schlucke ich einen Kloß in meinem Hals hinunter, den ich bisher nicht einmal bemerkt habe. Seine Nähe lässt mich schwitzen, unsicher verschränke ich meine Hände ineinander.

"Es war trotzdem nicht richtig", hauche ich, sehe hinab auf meine Hände. Ein Schuldgefühl überkommt mich, meine Gedanken werden mit Fragen überflutet, die ich mir nicht beantworten kann. "Hey, was habe ich gesagt? Du sollst dir keinen Kopf machen", plötzlich fasst er nach meinem Handgelenk, wodurch ich die Verschränkung löse. Sein Tun beobachte ich mit einem Stirnrunzeln, denn er legt seine Hand auf meine. Die Stelle beginnt zu kribbeln, was ich versuche mit dem Knabbern auf meine Unterlippe zu unterdrücken. "Es geht nicht in meinen Kopf hinein", antworte ich ihm, atme tief durch.

"Das wird alles, aber ich finde, wir brauchen beide Zeit für das was war", "Mir tut es leid, wie ich reagiert habe", wieder muss ich schlucken, zwinge mich jedoch, hinauf zu ihm zu blicken. "Ohne deine Reaktionen, wärst du nicht du. Ich weiß wie du tickst und da ist nichts, wofür du dich entschuldigen musst", murmelt er, lehnt seine Stirn gegen meine. Innerlich würde ich ihn gerne umstimmen, dass mein Handeln nicht richtig war, doch ich würde auf taube Ohren stoßen. Stattdessen versenke ich meine Hand in seinen Haaren, streiche hinunter zu seiner Wange. In meiner Brust beginnt dieses verdammt Herz zu hüpfen, wo ich nicht weiß, ob es besser wäre, wenn es das nicht tun würde.

"Darf ich dich etwas bitten?", will er aus dem nichts heraus wissen, kaum merklich nicke ich. "Überlegst du es dir noch einmal?", murmelt er, wieder nicke ich, ohne nachzudenken. "Musst du nicht los? Du hast doch ein Rennen zu fahren?", frage ich ihn, entferne mich von seinem Gesicht ein Stückchen. "Hast du mal auf die Uhr geschaut?", will er mit einem belustigten Unterton wissen, seine Mundwinkel zucken leicht. "Dein Schweigen deute ich als Nein, und es ist noch einige Stunden davor, also mach dir darum mal keinen Kopf", meint er, noch immer habe ich keine Ahnung, was ich sagen soll.

"Ich wünsche dir viel Glück dann für später", nuschle ich nach mehreren Minuten schweigen. "Das kann ich gut gebrauchen", er schenkt mir ein Lächeln, bevor er seine Arme um meinen Oberkörper schlingt. "Aber mit dir nicht mehr so zu streiten ist für mich deutlich wichtiger", murmelt er in mein Ohr, wickelt eine Haarsträhne um seinen Finger. "Das ist dein Job, deine Karriere, du solltest...", doch wie bereits vorhin, unterbricht er mich. "Mir bedeutet es viel, in der Königsklasse fahren zu dürfen, aber man kann sich mit keinem Geld der Welt kaufen, was ich fühle, wenn wir gemeinsam lachen". Seine Worte lassen meinen Atem aussetzten, ich fühle mich unwohl, was ich deutlich mache, in dem ich meine Blick senke.

"Du weiß, dass ich das ernst meine", "Ja, und ich fühle mich nicht wohl dabei". "Was empfindest du für mich?", will er wissen, seine Stimme lässt mich frösteln. "Verdammt, hätte ich doch die Fresse gehalten!", schreie ich mich innerlich selbst an. "Grace, sag mir bitte, was du noch für mich empfindest", haucht er, kaum hörbar, es ist ein Flehen, das widerhallt. "Noch immer dasselbe wie am Anfang, es hat sich nichts geändert, egal was du getan hast, egal was ich getan habe", murmle ich, hinterfrage sogleich, ob er mir glauben wird. "Was ist, wenn er denkt, dass ich nichts mehr für ihn empfinde?", schießt es mir durch den Kopf.

"Warum lassen mich deine Worte dann unwohlfühlen?", hackt er nach, neugierig, keineswegs vorwurfsvoll. "Weil ich denke, dass ich das nicht verdient habe. Du hast in deinem Leben so viel mehr erreicht als ich", murmle ich, lasse meine Schultern weiter zusammensacken. Von seiner Seite höre ich, wie er die angestaute Luft ausatmet. Bei jedem Augenblick, der vergeht, droht mein Herz ein wenig schneller zu schlagen. "Warum denkst du, dass du nicht gut genug bist? Wie kommst du auf sowas?", er drückt mich gegen seinen Oberkörper, sofort inhaliere ich seinen Geruch, der mich beruhigt, wie die Kreise, die er auf meinem Rücken zeichnet.

"Keine Ahnung", antworte ich ihm ehrlich. Denn ich weiß nicht, woher diese Zweifel, Ängste aber auch Vorwürfe kommen. "Denk das bitte nicht. Es ist mir so egal, wie viel wer erreicht hat. Du bist wohl die bodenständigste, aber auch sturste Frau, die ich in meinem Leben kennengelernt habe und dafür bin ich dankbar, jeden Tag", bei dem Wort stur muss ich leicht schmunzeln, denn er hat damit mehr als nur Recht, vielleicht ein wenig zu sehr. Aber auch der Rest seiner Worte, lässt den Bereich um mein Herz herum ein wenig wärmer werden. "Danke für alles, du bist auch das Beste, was mir jemals passiert ist", nuschle ich in seine Brust hinein. 

Zweifel ohne Grenzen |F1-FF| |George Russell|Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt