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Die Luft riecht nach dem salzigem Schaum des sonnenschluckenden Küstenstreifens, als Cedar kleine Steine über das ruhige Wasser hüpfen lässt und dabei die Wellen zählt, die nacheinander brechen und wieder verschwinden.

Die ungestörte Einsamkeit der Sommerluft färbt seine Gedanken golden - es ist ein ruhiger Spätsommer, Stille nur durchbrochen von Möwen, die den Himmel in die Farben von Freiheit tauchen.

Die Tage sind lang und die Nächte sind länger, umwoben von Wärme, Licht, Musik und süßlichem Fruchtalkohol.

In einer dieser Nächte küsst Cedar einen Jungen, der Himmel ist violett eingeblutet von abendlicher Dunkelheit.

Seine Lippen sind weich, als sie sich an die seinen schmiegen, sie schmecken nach Feigen und dem Salz des naheliegenden Meeres und Cedar vergräbt seine vom Alkohol verklebten Finger in den schweren Locken des Anderen, die ihm in der feuchten Stirn hängen.
Die Sterne am Himmel schmelzen wie Zucker, ihre Lippen ineinander.

Der Andere löst sich von ihm und nimmt seine schwielige Hand in seine.

»Wie heißt du?«, fragt er und Cedar fällt es schwer, sich an seinen Namen zu erinnern, wenn er noch immer seine Lippen auf den eigenen schmecken kann.

Der Fremde erinnert ihn an all die Gedichte, die er in nächtlicher Schwärze schreibt, zu rein für die Intensität des Tages und zu dunkel für die Dämmerstunden dazwischen.

»Cedar«, flüstert er und es fühlt sich wie eine Lüge an.
Der Andere lächelt: »Ich heiße Atlas.«

Und dann ist da nur noch die warme Musik, seine Lippen in kirschroter Dunkelheit und die letzten Atemzüge der Nacht.

Vielleicht war es das, was sie waren, bevor der Tag hereinbrach und sie zu verschwommenen Erinnerungen vergangen.

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