Prolog

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Es war ein Sonntag, als es mir zum ersten Mal aufgefallen ist.

Das Wetter ist umgeschlagen und es weht ein eisiger Wind durch die erhellten Straßen. Weihnachten steht vor der Tür, weshalb auch ich mich um ein paar Besorgungen kümmern muss, bevor die sogenannte Weihnachtshektik ihren Anfang findet.

Viel brauche ich nicht, ein Geschenk für Niall, etwas kleines für Molly und auch für mich selbst sollte etwas zu finden sein.

Der Wind peitscht mir um die Ohren. Innerlich fluche ich. Warum musste ich mir auch ausgerechnet diesen Tag zum Einkaufen aussuchen?

Auf dem Rückweg wird das Wetter noch schlimmer und irgendwann bekomme ich es tatsächlich mit der Angst zu tun, dass ich gleich abheben könnte. Völlig durchnässt kämpfe ich mich weiter voran und komme bald auch an meinem Ziel an.

Etwas schlecht fühle ich mich dann doch, als ich das gesamte Treppenhaus volltropfe.

Das schlechte Gewissen ist jedoch nach einem Wimperschlag schon wieder vergessen und ich schließe zitternd meine Wohnungstür auf. Vielleicht sind wetterfeste Klamotten wirklich etwas, was ich mir anschaffen sollte. Eine Überlegung wäre es wert.

"Molly, ich bin wieder da!" ,rufe ich und trete die Tür hinter mir zu. Umständlich kicke ich mir die nassen Treter von den Füßen und beeile mich, in die Küche zu kommen.

Dort stelle ich die Tüte im Spülbecken ab und hole die gekauften Geschenke raus, nur, um sie daneben zu legen. Wirklich nass ist keins der Dinge geworden, was vermutlich auf die Plastiktüte zurückzuführen ist. Zum ersten Mal bin ich tatsächlich froh, auf die Umwelt geschissen zu haben.

Als nächstes will ich mich meinen Klamotten widmen, doch dann fällt mir etwas auf.

Es ist merkwürdig still in der Wohnung, obwohl Molly um diese Uhrzeit eigentlich noch putzmunter sein müsste. Normalerweise kommt sie immer sofort angerannt, wenn ich nach Hause komme.

Mir dreht sich der Magen herum, als ich erneut nach meiner Hündin rufe und mit schnellen Schritten durch meine Wohnung eile.

Wo ist sie?

In meinem Schlafzimmer werde ich fündig. Mir fällt ein Stein vom Herzen, als ich sie schlafend in meinem Bett vorfinde.

Molly ist sehr alt. Ein Wunder, dass sie überhaupt noch lebt. Stolze 21 Jahre hat die Hündin schon hinter sich gebracht und feiert auch hoffentlich noch ihren 22. Geburtstag mit mir. Sie ist am selben Datum auf die Welt gekommen wie ich. Moms Nachbarin hat ihr den Welpen aufgeschwatzt, da er sonst in ein Tierheim gekommen wäre. Bei so etwas hatte sie schon immer ein weiches Herz und so kam es, dass sie ein Baby und einen Welpen gleichzeitig großziehen musste.

Sie hat es gern getan. Bis zu ihrem Tod hat sie sich liebevoll um uns gekümmert. Seit einem Jahr sind wir jetzt auf uns allein gestellt und ich versuche den Gedanken zu verdrängen, dass es in naher Zukunft nur noch ich sein werde.

Molly darf nicht sterben. Sie ist alles, was ich noch habe.

Wenigstens unseren 22. Geburtstag soll sie noch erleben. Das ist alles, worum ich bitte.

Da ich eine Erkältung eher vermeiden möchte, löse ich meinen Blick von Molly und begebe mich schnurstracks ins Badezimmer. Nach einer heißen Dusche mache ich mir einen Tee und setze mich mit Nialls frisch gebackenen Weihnachtsplätzchen zu Molly ins Bett. Er ist gestern extra vorbeigekommen und hat sie mir gebracht.

Mit meinem Laptop auf dem Schoß mache ich es mir bequem und schalte einen schnulzigen Weihnachtsfilm an.

Meine Hand liegt in Mollys Fell. Abwesend kraule ich sie und nippe immer mal wieder an meinem Tee. Zwischendurch findet auch eins von Nialls Plätzchen seinen Weg in meinen Mund.

Mir ist unklar, wie viel Zeit vergangen ist, bis Molly sich bewegt.

Meine Augen liegen sofort auf ihr. Den Tee stelle ich weg und streichele sie jetzt auch noch mit meiner anderen Hand. Der Laptop verrutscht durch meine neue Position etwas, doch das ist mir egal.

"Heeey, na wie geht's dir?" ,frage ich sie lächelnd. Doch dieses hält nicht lange an. Sie sieht mich an. Irgendetwas stimmt nicht. Ich kann nicht genau sagen, was anders ist, aber ich habe ein ungutes Gefühl, als ich in ihre Augen schaue. Sie sieht mich leidend an.

Bilde ich mir das ein?

Nein, oder?

Unsicher kaue ich auf meiner Unterlippe herum, bevor ich zu meinem Handy greife. Es hat schon Vorteile, die private Nummer eines Tierarztes zu besitzen und genau diese werde ich jetzt nutzen.

"Louis? Was gibt es denn? Ist was mit Molly?"

"Ehm, Hallo Doktor Styles, ich - nicht direkt. Sie verhält sich ein wenig seltsam und ich mache mir Sorgen" ,nuschele ich in das Gerät, da ich den Anruf doch schon wieder bereue. Am Ende mache ich mir nur wieder umsonst Sorgen.

Immerhin hat mir Doktor Styles seine Nummer nicht gegeben, damit ich ihn wegen jeder Kleinigkeit anrufe. Als er erfahren hat, dass meine Mutter gestorben ist, hat er mir sofort seine Nummer gegeben. Er weiß um meine Situation Bescheid und hat vermutlich einfach nur Mitleid, da ich außer Niall und Molly niemanden mehr habe. Doktor Styles kennt mich schon seit ich ein kleines Baby bin, Mom ist mit Molly seit ihrer Geburt immer nur zu ihm gegangen, wenn irgendetwas anstand. Über die Jahre haben wir uns mit dem Tierarzt angefreundet und mittlerweile ist er so etwas wie ein Onkel für mich.

"Louis, wie oft noch? Du kannst mich ruhig Robin nennen, vor Allem wenn du meine private Nummer benutzt."

"Ja, ich weiß. Sorry."

"Also, warum machst du dir Sorgen? Inwiefern verhält sie sich seltsam?"

"Sie wirkt irgendwie träger auf mich und einfach nur erschöpft... Außerdem isst sie nicht mehr richtig" ,füge ich noch hinzu bei dem Gedanken an ihren vollen Futternapf, den ich heute Morgen unberührt vorgefunden habe. Ich will es mir vielleicht nicht eingestehen, aber sie ist sogar ein wenig dünner geworden.

Ein Seufzen ist zu hören.

"Du weißt, dass das auch einfach nur mit ihrem Alter zusammenhängen könnte?"

"Ja, aber ich habe so ein Gefühl, dass da noch was ist" ,drugse ich herum und sehe in meinen Schoß. Ich fühle mich aufgrund meiner Aussage etwas dumm.

"Wir machen das so, du kommst morgen in die Praxis, ich schau, dass ich dich noch irgendwo reingequetscht bekomme, und wir checken Molly einmal durch" ,schlägt Robin vor und ich atme erleichtert auf. Er ist ein Engel.

"Danke. Ich wollte wirklich keine Umstände machen."

"Ihr zwei macht mir doch keine Umstände. Außerdem arbeitet mein Sohn seit neuestem in meiner Praxis, weshalb ich es ein bisschen ruhiger angehen lassen kann. Bin ja auch nicht mehr der Jüngste."

Robin lacht am Ende herzhaft und bringt mich damit auch zum Lächeln. Ich sehe wieder zu Molly, und auf einmal sieht es nicht mehr ganz so düster aus.

Wenn sie etwas hat, wird ihr bald geholfen.

"Trotzdem danke, das ist nicht selbstverständlich."

"Ich mach das gern Louis. Mein Handy lasse ich über Nacht an, nur falls es einen Notfall geben sollte."

"Danke Robin."

"Gern doch."

Wir verabschieden uns, doch bevor ich den roten Hörer drücken konnte, stoppt mich seine Stimme.

"Oh, und Louis?"

"Ja?"

"Molly ist eine Kämpferin, genau wie deine Mutter, mach dir keinen Kopf um sie. Alles wird gut."

"Ja, alles wird gut" ,wiederhole ich seine Worte und versuche, sie wirklich angestrengt zu glauben. Doch wie es nun einmal mit dem Glauben so ist, kommt er nicht einfach, nur weil man es sich wünscht.

Don't Let It Break Your Heart // LarryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt