sunday blues

20. heads up

am gleichen tag, der tag nach dem abend mit der überdosis, wird david aus dem krankenhauszimmer gebeten. er drückt meine hand, bevor er geht.

ich knibble unter der bettdecke meine nagelbetten wund und blutig, als ich mit der psychotherapeutin rede. meine augen verlieren sich oft zur seite, weil ich ihr nicht ins gesicht gucken kann. ich möchte nicht weinen. ich weiß nicht, ob ich weinen würde. ich weiß noch nicht mal, ob ich fühle.

„dein großes blutbild hat den regelmäßigen konsum von verschiedenen drogen gezeigt. ich möchte, dass du weißt, dass die polizei nicht verständigt wird, alva. es unterliegt alles der schweigepflicht und konsum an sich ist nicht strafbar. alles hiervon unterliegt der schweigepflicht, solltest du mit mir reden möchten."

ich nicke langsam. dann zucke ich mit den schultern und habe ein schiefes sarkastisches lächeln auf den lippen. „naja, wenn's schlimm ist, wären sie schon dazu gezwungen, was zu sagen."

die therapeutin lehnt sich zurück und legt ihre hände ruhig aufeinander. „wenn du dir selbst oder jemand anderem etwas antun wollen würdest, ja."

„gut, dass ich das nicht vorhabe. heads up."

„ich möchte, dir die möglichkeit geben, dir optionen zu suchen, dass so etwas wie die überdosis nicht nochmal vorkommt, bevor du entlassen wirst."
sie reicht mir ein paar zettel.
„auf dem ersten zettel steht die telefonnummer meiner praxis und auf den anderen zetteln informationen über andere ärzte, zentren und alternativen, würdest du dich jemand anderem anvertrauen wollen."

mit zentren meint sie drogenhilfezentren und mit alternativen drogenberatung, registriere ich mit einem blick auf die zettel.

ich gucke hoch.
„mir geht es aber nicht um die drogen. wenn, dann-"
ich suche kurz die worte
„geht es mir darum, dass ich meine freunde nicht weiterhin verletzen möchte."
ich schlucke und reibe mir über die augen. „ich fühle mich nie wie in meinem körper. ich kann einfach nicht aufhören und es geht nicht um drogen."

sie nickt. „du musst nicht zu einer drogenberatung gehen, wenn du nicht möchtest, alva. ich bin glücklich, sollte ich dich in meiner praxis sehen oder solltest du in eine andere gehen. das ist deine entscheidung.
gibt es noch etwas, über das du reden möchtest?"

ich schüttle meinen kopf leicht.

„gut, der oberarzt kommt gegen 16uhr und entlässt dich. kommen deine eltern, um dich abzuholen?"

ich schüttle meinen kopf.

ihre mundzüge verlieren das lächeln und werden neutral. „das wird dir der obersatz gleich auch noch sagen, aber es ist nicht empfehlenswert, dass du alleine nach hause gehst und dabei auch noch nicht mit dem auto."

ich schüttle nochmal meinen kopf und nicke danach mit meinem kinn in seine richtung.

„der typ da vorne auf dem gang fährt mich nach hause."