Prolog

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DEZEMBER 2017

LIA POV

„Kannst du mir langsam mal sagen wo ich hier hingebracht werde?" „Nein." und ich bekomme langsam Aggressionen. „Wirklich Malte. Ich weiß, dass ich in Norwegen bin. Also was will ich hier? Warum wurde ich heute früh von meiner Mitbewohnerin hysterisch geweckt, mit einem Koffer ausgestattet, den ich nicht gepackt habe und dann zum Flughafen gefahren? Was will ich hier in Norwegen? Sicherlich nicht Snowboarden." „Lass dich doch einfach überraschen." lenkt er weiter den SUV durch die Dunkelheit. „Ich hasse Überraschungen und das weißt du ganz genau. Besonders die, die Du planst." muss jetzt auch Morten lachen, der auf dem Beifahrersitz sitzt und sich das Gekeife schon seit meiner Ankunft anhören muss. „Und mir auch noch das Handy abnehmen und Kopfhörer ist das allerletzte. Ich will wissen was ich hier soll. Muss ich wieder irgendeinen deiner Freunde aus der Scheiße boxen. Ich hab kein Bock da drauf oder ist dir die Tättoowiernadel zu tief in einen Arm gefahren und du wirst verklagt?" trete ich gegen den Vordersitz und bekomme einen scharfen Blick zugeworfen.

„Halt einfach den Rand und in fünf Minuten hat sich alles geklärt." „Pf. Ich mach dir die Hölle heiß, wenn ich hier rauskomme." „Glaub ich weniger." lenkt er den SUV von der Hauptstraße und ich sehe Häuser an uns vorbeiziehen. Irgendwann stoppen wir vor einer riesigen modernen beleuchteten Villa und Malte steigt aus, öffnet meine Tür und ich steige aus. Viel zu schnell stellt er sich hinter mich und verbindet mir die Augen. „Ich hasse dich immer mehr." gehe ich unter seiner Führung durch das Haus. „Du kommst gleich in einen Raum und wenn ich sage du kannst die Augenbinde abnehmen, dann mach das auch." „Einen Teufel tu ich." und er schubst mich nach vorne. Ich höre eine Tür schließen und einen Schlüssel im Schloss umdrehen. Wütend reiße ich mir die Augenbinde runter und trommel gegen Tür, nachdem sich meine Augen an das diffuse Licht gewöhnt haben. „Mach die verfickte Tür auf Malte." „Nein." höre ich ihn von der anderen Seite und trommel wieder dagegen. „Lass mich hier raus. Sofort."

„Ich glaube das war deren Ziel." drehe ich mich um und sehe den letzten Menschen, den ich auch nur in diesem Moment sehen will. „Malte lass mich sofort hier raus." „Nein." kommt es von der anderen Seite. „Ich hab Hunger." „Vergiss es Lia." „Du absolutes Arschloch. Blut ist dicker als Loyalität und deine Brüder können mich allemal. Ich hab hier nix mehr verloren und ich will hier raus." trete ich gegen die Tür und sehe meine Schuhabdrücke an der weißen Tür. „Wir lassen euch erst raus, wenn ihr geredet habt." „Haben wir. Ganze sechs Worte und mehr gibt es nicht." „Lia Bitte." „Houston." „Was?" höre ich meinen Bruder und wiederhole das Codewort unsere Familie nochmal. „Houston."

Die Tür öffnet sich vorsichtig und ich schupse Malte nach hinten, sehe die gesamte Crew und sogenannten Brüder meiner Brüder ebenfalls an der Tür stehen. „Ich hab dir gesagt, dass ich weder Max noch irgendeinen von diesen Hunden wiedersehen will und du? Du denkst nur weil seine dämliche Schreibblockade sich nicht löst, muss ich hier antanzen?" schupse ich meinen Bruder nochmal „Mich wieder wie ein Stück Fleisch fühlen und am Ende vergreift sich wieder einer von ihnen an mir, weil Loyalität hier auch so viel bedeutet. Du kannst mich mal Malte Larsson." schupse ich ihn ein letztes Mal und sehe wie er das Gleichgewicht verliert und die zwei Stufen nach unten stürzt.

Ich stelle mich über ihn und mache die Kopf-Ab-Geste. „Wage es." gehe ich in die angrenzende Küche, nehme mir was zu essen und den kaltgestellten Wodka. „Handy und meine Kopfhörer. Meinen Koffer und die Schlüssel für das Auto." „Du bekommst alles außer die Schlüssel." deutet Morten auf meine Hand, die immer noch den gekühlten Wodka umschließt. „Ach komm. Das stört doch sonst auch keinen und wer soll mich denn abhalten? Ihr. Klar." lache ich und öffne die Flasche. Die klare Flüssigkeit brennt sich durch meine Speiseröhre und ich fühle die Wärme in meiner Bauchgegend.

Immer mehr Menschen landen in der Küche und ich schaue in Augen, denen ich noch vor Wochen vertraut habe. „Was soll das werden? Trefft ihr euch jetzt zum Mond anheulen?" trinke ich direkt aus der Flasche weiter und sehe wie Morten um die Kücheninsel herumkommt. „Geh" schaue ich ihn an und sehe im Augenwinkel wie sich Max vor Rico schiebt. „Lia wir können doch..." „Was kannst du denn? Das einzige was du kannst ist nach außen hin die Loyalität deiner Crew zu beschönigen. Geld damit verdienen, aber wenn es dann mal wichtig ist - Schwanz einziehen und ja nicht mit dem Gesetz in Konflikt kommen. Lass mich einfach in Ruhe du Hund." gehe ich aus der Küche und suche mir in dem großen Haus ein Zimmer.

„Wow." finde ich meine Koffer in einer riesigen Suite mit angrenzendem Bad und einem Blick nach draußen über den Fjord. „Als hätten sie das geplant." setze ich mich mit der immer wärmer werdenden Schnapsflasche auf den Boden vor das Fenster. Nach zwei weiteren Schlucken werde ich von der Seite angestupst und schaue in das Hundegesicht von Tuco. „Du bist auch hier?" streichle ich den Hund und er legt seinen Kopf auf meinen Schoß. „Na wo sollst du auch sonst sein, mh?" schaue ich nach draußen und sehe wie die Sterne aufziehen.

Ich weiß nicht wie lang ich einfach dasitze und durch Tucos Fell streichle, aber ich sehe wie es heller wird und die Flasche neben mir leer ist. „Komm lass uns mal sehen, ob wir was zu essen finden." rede ich mit dem Hund und ziehe mir die Schuhe aus, die ich immer noch seit gestern anhabe. Meine Jacke landet auch auf dem Bett und ich gehe langsam nach unten. „Soll ich dich rauslassen?" öffne ich die Terrassentür und fülle danach eine Schale mit Wasser. Danach suche ich das Futter für ihn und befülle eine weitere Schale. „Tuco komm." pfeife ich nach dem Vierbeiner und sehe wie er hechelnd angerannt kommt. „Stopp." halte ich ihn an auf und trockne seine Pfoten bevor er ins Haus eintritt.

„Mit Tuco kannst du also reden?" zucke ich zusammen und schaue auf. Mit einem abfälligen Blick mustere ich Max der oberkörperfrei um die Kücheninsel herum geht und wende mich dann wieder Tuco zu. „Alles klar. Wie lang willst du das noch durchziehen mit dem sauer sein?" stellt er sich neben mich und wartet das sein Kaffee durchgelaufen ist. Ich schaue ihn an und zücke den berühmten Mittelfinger. „Ihr versteht es nicht, oder?" „Lia, es ist passiert. Was sollen wir denn machen?" „Ist das dein Ernst?" kocht in mir die Wut hoch. „Wir haben uns tausendmal entschuldigt." setzt er noch einen drauf und ich kann es nicht fassen.

„Seit ich klein bin gehöre ich hier dazu, auch wenn ich 5 Jahre jünger als alle anderen bin, aber ihr habt mir beigebracht welche Werte wichtig sind und jetzt? Ich bin von einem Mitglied des innersten Kreises vergewaltigt worden. Ich hab in Karl einen Freund, einen weiteren Bruder gesehen und ihr. Was macht ihr? Nix. Ihr denkt immer noch alle ich denk mir das aus, wann hab ich jemals gelogen? Außer um euch den Arsch zu retten. Willst du die Bilder sehen von den Blutergüssen, von den Striemen an meinem Hals und an meinen Händen? Ihr habt ihn nicht mal verprügelt oder ihm eine Abreibung verpasst. Ach und die Höhe ist, dass es genau an dem Tag passiert ist, als ich mit dir reden wollte - über uns." sehe ich wie sich seine grün-braunen Augen weiten. „Vergiss es. Ich reise heute ab und ich will kein Teil mehr sein von euch. Das ist keine Loyalität oder Aufrichtigkeit von euch an mich und ich prügel deine ganzen kleinen Freunde nicht mehr aus dem Knast. Dafür ist mir meine Karriere als Anwältin wichtiger." gehe ich um die Mamorinsel und sehe wie Malte die Treppe runterkommt.

„Ich buche einen Flug und dann will ich zum Flughafen." „Lia. Bitte." „Ich ziehe meine Ausstiegskarte. Du gehörst eh zu meiner Familie, aber der Rest nicht mehr. Ich werde mir auch keine Texte oder Beats mit oder für Max ausdenken." und er nickt. Von oben sehe ich wie die anderen langsam die Treppe nach unten kommen und wie sie mich nicht richtig anschauen können.

Schnell bin ich geduscht und habe ein neues Outfit an. Der überteuerte Rückflug nach Berlin ist auch gebucht und ich gehe in die Küche zurück, wo alle sitzen. „Ich lass euch die da und ich ziehe meine Ausstiegskarte. Malte, mein Flieger geht in 1,5 Stunden." drehe ich mich um und stolpere fast über Tuco. „Joa. Du warst mir eh immer der liebste." kraule ich ihn ein letztes Mal hinter den Ohren und lasse mich auch ein letztes Mal abschlecken.

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