{21. Türchen}

204 38 5
                                    

von regengekuesst

»Kennst du dich mittlerweile mit Sternenbilder aus?«, fragt er irgendwann, um die Stille zu brechen.

Seit geschlagenen 20 Minuten sitzen wir beide auf dem Berghang. Jede einzelne leuchtende Weihnachtsdeko der Stadt erstreckt sich vor uns und offenbart uns die Schönheit der weihnachtlichen Lichter.

Doch es ist hinreißender, wie seine leuchtend perlblauen Augen nurnoch gen Sternenhimmel fokussiert sind. Auf das, was er seit Jahren liebt und studiert, auch wenn er es nicht sehen kann. Auch wenn ich es kaum nachvollziehen kann, genauso wenig wie seine Liebe zu Weihnachten.

»Nein. Natürlich nicht.« Augenverdrehend versuche ich, das schmunzeln in meiner Stimme klar hervor zu heben.

Ich hasse es. Seine Liebe zu Dingen, die nicht ich sind.

»Noch nicht«, verbessert er lächelnd. »Es ist nicht schwer. Sieh mal, das bekannteste Sternenbild ist der Große Bär.« Er streckt den Finger dem Nachthimmel entgegen, und ich meine, die Hoffnung, er würde sie endlich annehmen und seinen Weihnachtswunsch erfüllen, in seinen Augen sehen zu können. »Den kennst du sicher unter den Namen ,Großer Wagen'. Der besteht aus den 7 hellsten Sterne am Himmel. Siehst du sie?«

»Die 7 hellsten. Ich sehe sie«, bestätige ich und verfolge die besagten Sternen mit den Augen, nachdem ich sie gesucht und gefunden habe.

Er beginnt, noch mehr zu erzählen, doch sobald ich ihn wieder von der Seite ansehe, blende ich alles aus.

Denn ich sehe etwas, das tausendmal schöner ist als den Nachthimmel und seinen Glauben, alles zu sehen, auch wenn er es nicht tut.

»Valerie?«

»Ja?«

Er rückt plötzlich nah an mich ran. Schulter an Schulter, und lehnt sein Gesicht an meines. Schläfe an Schläfe. Wange an Wange. Ehe ich selber realisiere, was gerade passiert, und in der Sekunde nurnoch froh bin, dass er mir die Röte nicht ansehen kann, die nicht einmal der kalte Weihnachtswind wegfegen kann, spüre ich seinen Atem knapp über meine Lippen streifen - und dann seine Lippen auf meine.

Während mein Herz so stark gegen die Wand meiner selbst schlägt und es bebt, als würde darin ein Feuerwerk stattfinden, blicke ich ihm in die Augen.

In seine hellen Augen.

Und sehe das Universum.

Ich spüre die Gegenwart aller Sterne, die neben ihrer Art von Ewigkeit sitzt.

Doch noch mehr spüre ich plötzlich das weihnachtliche Licht, und mir wir wird langsam etwas klar.

Es ist etwas, das wir innerlich spüren, das wir mit der Seele sehen und das uns von innen heraus erhebt.

Es ist wunderschön, den Nachthimmel zu beobachten, doch ich kann Sterne und Welten und in Hülle und Fülle sehen, wenn ich in seine Augen schaue.

Seine blinden Augen.

Und nun weiß ich, dass man Weihnachten nicht sehen muss, um es zu lieben, so wie er es tut. Man muss es spüren.

»Frohe Weihnachten, Val.«

»Frohe Weihnachten, Ezra.«

Winterträume - Wattpad Adventskalender 2021Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt