Die Rettung

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**Schatten der Vergangenheit** 

Die Straße lag in gespenstischer Stille, als Severus Snape durch das schwankende Licht der Laternen schritt. Der Wind heulte wie eine warnende Stimme zwischen den alten Häusern hindurch, die sich wie finstere Wächter aneinanderdrängten. Sein schwarzer Umhang flatterte hinter ihm wie ein lebendiges Stück der Nacht selbst. 

*Wie oft bin ich schon hierher zurückgekehrt?*, dachte er bitter, während seine Finger unwillkürlich den Zauberstab in seiner Tasche umklammerten. Doch diesmal war es anders. Diesmal zog ihn nicht nur die Erinnerung, sondern etwas Dunkleres, Dringenderes hierher. 

Vor ihm tauchte das Haus der Dursleys auf – ein unauffälliges, spießiges Gebäude, das sich perfekt in die Reihe der anderen einfügte. Doch für Severus war es wie ein offenes Grab. Die Wände schienen zu atmen, als würden sie etwas Unaussprechliches verschlucken. 

*„Was mach' ich hier nur?"*, flüsterte er, als ein eisiger Schauer seinen Rücken hinabkroch. 

Dann – ein Schrei. 

Gellend, verzweifelt, durchschneidend wie ein Messer, riss er die nächtliche Stille entzwei. Severus' Herz setzte einen Schlag aus. *„Was ist geschehen?"* 

Ohne zu zögern stürmte er zur Tür, sein Klopfen hallte wie Donner in der Stille. Sekunden, die sich wie Stunden anfühlten, vergingen, bis die Tür mit einem knarrenden Protest aufging. 

Eine Frau mit harten Zügen und einem Gesicht, das an ein mürrisches Pferd erinnerte, starrte ihn an. Ihre Augen weiteten sich, als sie den schwarz gekleideten Fremden erkannte. 

*„Was willst du hier?!"*, zischte Petunia Dursley, ihre Stimme eine Mischung aus Wut und panischer Angst. *„Du bist hier nicht erwünscht!"* 

Sie versuchte, die Tür zuzuschlagen, doch Severus war schneller. Sein Zauberstab blitzte auf, die Spitze bedrohlich nah an ihrer Kehle. 

*„Geh mir aus dem Weg"*, flüsterte er mit einer Stimme, die gefrorenes Gift träufelte, *„oder du wirst es bereuen."* 

Petunia erstarrte. Die jahrelang aufgestaute Furcht vor der magischen Welt ließ ihre Hände zittern. Langsam wich sie zurück, und Severus trat über die Schwelle, die Tür fiel mit einem dumpfen Knall hinter ihm ins Schloss. 

Doch das Schlimmste kam erst. 

Von oben drang ein schwaches, unterbrochenes Stöhnen herab – der Klang von unermesslichem Leid. Severus' Instinkte schrien Alarm. Er stürmte die Treppe hinauf, jeder Schritt ein Hammerschlag in der Stille. Ein widerlicher Geruch – eine Mischung aus Schweiß, Angst und etwas Metallischem – führte ihn zu einer abgeriegelten Tür. Dutzende Schlösser und Ketten versperrten den Weg, als fürchtete jemand, was dahinter lauerte. 

Ein schneller Zauber – die Versiegelungen sprangen auf. 

Was Severus dann sah, ließ sein Blut erstarren. 

Vernon Dursley, sein Gesicht rot und schweißgebadet, stand über einem kleinen, zusammengekrümmten Körper. Die Hose des Mannes war herabgerutscht, seine Hände – *„NEIN."* 

*„Wer sind Sie?!"*, brüllte Vernon, als er sich herumriss, seine Stimme überschlug sich vor Wut und Überraschung. *„Ich hab noch zehn Minuten mit dem kleinen Freak hier!"* 

Severus' Blick fiel auf den Jungen. 

Harry. 

Sechs Jahre alt. Bewusstlos. Mit blutverschmierten Ketten an die Wand gefesselt. Sein Atem flach, sein Körper übersät mit blauen Flecken und Striemen, die kein Kind jemals tragen sollte. 

Etwas in Severus brach. 

*„Du mieses Schwein"*, zischte er, und seine Stimme war kaum mehr als ein tödliches Flüstern. 

Ein Blitz aus roter Energie schoss aus seinem Zauberstab. Vernons Körper wurde durch die Luft geschleudert, krachend gegen die Wand geschmettert, wo er bewusstlos zu Boden sackte. 

Mit zitternden Händen befreite Severus Harry von den Ketten. Der Junge war eiskalt, sein kleiner Körper kaum mehr als ein Bündel aus Haut und Knochen. Severus wickelte ihn in seinen Umhang, als könnte der schwarze Stoff das zerbrochene Kind vor weiterem Unheil schützen. 

Doch als er sich zum Gehen wandte, blockierte Petunia den Ausgang. Ihr Gesicht war eine Maske aus Hass und verzweifelter Entschlossenheit. 

*„Der bleibt hier!"*, kreischte sie, ihre Finger krallten sich in den Türrahmen. 

Severus' Augen funkelten gefährlich. *„Damit ihr ihn töten könnt?"* 

Petunia antwortete nicht. Ihr Schweigen war Bestätigung genug. 

Mit einer blitzschnellen Bewegung holte Severus aus – nicht mit Magie, sondern mit purer Wut. Sein Faustschlag traf Petunias Magengrube mit brutaler Wucht. Sie kippte keuchend zu Boden, ihr Atem ein pfeifendes Röcheln. 

Ohne einen weiteren Blick zurück stieg Severus über sie hinweg. 

Draußen umarmte die Nacht ihn und Harry wie einen schützenden Mantel. Severus' Gedanken rasten. *Was hat man dir angetan, kleiner Löwe?* 

Doch eine Sache wusste er mit tödlicher Gewissheit: Die Dursleys würden für diesen Abend bezahlen. 

Und er würde derjenige sein, der sie zur Rechenschaft zog. 

Es ist nicht so wie es scheint.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt