9.Kapitel

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Immer und immer wieder hallten die Worte meiner Mutter durch meinen Kopf. Du wirst ihn lieben.
Ich wusste sehr genau wie sie dies meinte. Nicht etwa so, dass ich ihn irgendwann Lieben werde. Nein, es sollte so aussehen als würde ich ihn lieben und liebevolle Gefühle für ihn hegen. Es sollte ein einziges Schauspiel werden. Über Jahre hinweg. Allein das könnte ich niemals aushalten. Wie sollte ich denn spielen dass ich jemanden liebte, wenn wir uns beide gegenseitig verabscheuen, ja uns überhaupt nicht leiden konnte.
Es würde niemals funktionieren. Nie.
Ein letztes mal würde ich heute mit meinen Eltern Frühstücken, ein letztes mal werde ich heute aus meinem Bett aufstehen und ein letztes Mal werde ich den Prunk des Anwesens genießen können. Obwohl meine Schwester mir oft versichert hätte, dass das Anwesen des McKenzie genauso schön und prachtvoll war wie unseres. Ich konnte und wollte ihren Schwämerein keinen Glauben schenken. Warum auch? Schottland war kalt und regnerisch. Es würden niemals so schöne Pflanzen dort wachsen können wie hier in unserem Wintergarten. Dort blühten die schönsten Rosen, Orchideen und die leckersten Obst-Sorten. Auch die aus südlichen Ländern. In Schottland gab es sowas sicherlich nicht.
,,Habt Ihr alles vorbereitet? Die Pferde, die Kutsche für meine ältere Tochter?" Hörte ich Vater fragen.
Der Stallbursche nickte und ging wieder aus dem Saal.
,,Grace, möchtest du wirklich den langen Weg auf deinem Pferd reiten? Dein Gesäß wird unheimlich Schmerzen." Fragte meine Mutter spitz und schlürfte etwas von ihrem Tee. Empört über ihre Bemerkung legte ich mein Besteck nieder und schaute sie an.
,,Ja, ich werde den Weg reiten. Und wenn es nicht mehr möglich ist, werde ich Kathrine einen Besuch in der Kutsche abstatten." Meinte ich mit ziemlicher bestimmtheit. Das Acair und sein Bruder Alister sich vor lachen kaum einkriegten bekam ich nur am Rande mit.
,,Ihr werden von ganz anderen Dingen das Gesäß weh tuen. " Grummelte Alister und schmunzelte seinen Bruder an. Kathrine flüsterte seinen Namen und schaute ihn mahnend an. Acair verfiel daraufhin noch mehr in Gelächter und biss sich auf die Lippen. Irgendwie hatte Acairs lachen eine mitreißende Art und Weise. Ich hatte ihn bis dato noch nie Lachen gesehen. Und irgendwie war es sogar noch ziemlich niedlich.
,,Die Damen und Herren scheinen ziemlich amüsiert zu sein. Um was geht es denn?" Räusperte sich mein Vater und schaute neugierig in die Runde. Natürlich war diese Neugier nur gespielt. Er hatte sie Worte meines zukünftigen Schwagers gehört und wollte sich ihrer Versichern.
,,Geschwätz." Grummelte meine Schwester und musterte ihren Gatten und dessen Bruder mit einem bösen Blick. Nun lachte ich plötzlich auf und zog eine Augenbraue nach oben.
,,Geschwätz ist der Richtige Ausdruck." Meinte ich abschätzig und musterte Acair anschließend mit einem zuckersüßen lächeln. Dieser verengte die Augen zu schlitzen und räusperte sich.
,,Nun gut. Beeilt euch. Der Weg ist lang. Immerhin müsst Ihr in den hohen Norden. " Drängte der ältere Herr am Anfang der Tafel. Ich seufzte und schob meinen Teller vor mir weg. Nun war es entgülltig. Meine Tage im schönen England waren gezählt und meine neue Heimat, im Norden Schottlands, wartete schon. Eigentlich hatte ich immer gutes über den rauen Nördlichen Teil des Landes gehört und langsam stellte ich mir das ganze auch schön vor. Nur nicht unter diesen Umständen.
Kaum hatte ich mich versehen saß ich auf dem Rücken meines Pferdes und ritt aus dem Hof des Anwesens meiner Eltern davon. Meine Mutter hat ausdrücklich zu mir gesagt ich sollte mich zusammen reißen. Und das tat ich. Ich vergoss keine einzige Träne und kein einziges Wimmern verließ meinen Mund. Ich ließ alles tapfer und emotinslos über mich ergehen.
Nun saß ich zwischen Acair und Alister, trapte in ihrem Tempo und ließ die Landschaft an mir vorbei ziehen.
Es sollte eine wirklich lange und ausgedehnte Reise werden. Und schon nach ein Paar Stunden wurde mir bewusst das ich nach der nächsten Pause in die Kutsche meiner Schwester steigen werde und ihr somit etwas Ablenkung bringen werde.
,,Sag Alister, ist es noch sehr weit bis zum nächsten Dorf ?" Fragte ich an den braunhaarigen Mann gerichtet und schaute mich um. Alister lächelte und schüttelte den Kopf.
,,Nein. Aber wir werden nicht im Dorf rasten. Sondern in einer Waldhütte." Antwortete er und deutete in den Wald hinein. Ich schaute ihn brüskiert an.
,,Ich würde lieber mit einem Gasthof vorlieb nehmen." Meinte ich und schielte zu Acair, welcher den ganzen Weg schwieg. Dieser verdrehte die Augen und schaute zu mir.
,,Ein Gasthof wäre zu gefährlich. Immerhin sind wir noch in England und wir sind Schotten." Antwortete er. Fragend musterte ich ihn.
,,Wollt ihr eine Leiche heiraten?" Versicherte er sich und zog eine Augenbraue nach oben. Erschrocken schüttelte ich den Kopf.
Natürlich, es gab immer noch Spannungen zwischen England und den Schotten. Es war also eine reine Vorsichtsmaßnahme.
,,Nimm dir seine Worte nicht zu sehr ans Herz Grace. Er ist nur besorgt dass dir etwas passieren könnte." Beruhigte mich Alister und nickte mir aufmunternd zu.
,,Er wird sich wohl kaum um mich Sorgen machen. " Spottete ich schon fast und trieb das Pferd an. Warum sollte er sich auch Sorgen machen? Es würde ihm doch nur allzu Recht kommen wenn mir ein tödlicher Unfall geschehen würde und ich somit Sterben würde.
,,Grace, lächeln." Hörte ich meine Schwester streng sagen. Ich schaute durch das Kutschenfenster und lächelte sanft die kleine Lilith, welche ruhig in ihren Armen schlief, an.
,,Warum konntest du nicht Acair heiraten. Warum muss ich dies tun?" Fragte ich und schaute traurig. Kathrine seufzte und schaute mich durch die blauen Augen an.
,,Weil ich nun mal Alister liebe. Außerdem kämpfte Acair damals im Krieg. Er hatte gar keine Zeit für die Liebe. " Erklärte sie mir leise. Ich schaute gerade aus und sah Acair mit Alister lachen. Ich legte den Kopf schief und schaute dann wieder zu meiner Schwester.
,,Sag mal, warum humpelt Acair eigentlich so schrecklich?" Fragte ich sie neugierig. Kathrine hob skeptisch ihre Augenbrauen und reichte Lilith der Amme.
,,Eine Kriegsverletzung." Antwortete sie schlicht und betrachte ihre zusammen gefalteten Hände auf ihrem Schoß.
,,Du lügst." Stellte ich fest. Widerwillig schaute sie hinauf und atmete tief ein.
,,Wenn die Zeit gekommen ist, wird er dir schon sagen was passiert ist." Antwortete sie erneut schlicht.
Nun war ich wirklich neugierig auf Acairs Geschichte zu seinem kaputten Bein. Was war denn bitte Vorgefallen das niemand darüber reden wollte, noch nicht mal meine eigene Schwester. Es musste doch etwas unfassbar fatales gewesen sein.

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