5~ 415 Kilometer

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Nun stand ich hier, vor diesem kleinen Haus und vermisste schon jetzt Doncaster. Hier wirkte alles so... fremd. Eigentlich wollte ich dem ganzen eine Chance geben. Einen Neuanfang, wie ich es immer gerne gesehen habe. Aber nun war ich mir nicht sicher, ob ich diesen 'Neuanfang' wirklich wollte. Hier hatte ich keinen Louis, der ein paar Sekunden Gehweg entfernt war. Hier kannte ich niemanden und ich war nicht gerade extrovertiert, von daher war es schon schwer genug für mich, neue Menschen kennenzulernen.

„Du wirst dich hier bestimmt schnell eingewöhnen. Mach dir keinen Kopf." sagte meine Mum und schlug mir leicht auf die Schulter. Dass sie recht hatte, hoffte ich sehr. Aber ich bezweifle es, dass ich mich hier schnell einleben werde. Vierhundertfünfzehn Kilometer von Louis entfernt.

„Bin übrigens gut angekommen" schrieb ich meinem besten Freund und schmiss mein Handy auf das Bett, woraufhin ich es mit mir ebenso tat. Mein Leben würde sich nun auf den Kopf stellen und ändern konnte ich das nicht, das war mir bewusst. Dass ich von nun an ohne meinen besten Freund meinen Alltag meistern musste, machte mir wirklich Angst und beunruhigte mich zutiefst. Louis war immer derjenige, der die Menschen angesprochen hatte, da ich mich nie getraut hatte. Er hat immer mit den Lehrern geredet, wobei ich nur derjenige war, der geklopft hatte. Wie sollte ich hier bitte neue Freunde finden, wenn ich ein so extremer introvertierter Menschen bin.
Mein Handy vibrierte und zog die Aufmerksamkeit auf sich. Eine Nachricht von Louis.

„Freut mich. Viel Spaß in Brighton!" schrieb er und gerade als ich zum Schreiben ansetzen wollte, erschien groß sein Name auf dem Display.

„Lou." sprach ich in den Hörer und war mehr als erleichtert, seine Stimme zu hören.

„Haz! Wie ist das Haus? Wie sieht die Umgebung aus? Hast du schon deine Nachbarn kennengelernt und-"

„Lou!" unterbrach ich ihn.
„Ich bin vor einer Minute erst angekommen."

„Oh." war das einzige, was da noch von ihm kam.

„Ja, oh." ich machte auf Lautsprecher und legte mein Handy auf meine Brust. Gedankenverloren starrte ich an die Decke und sehnte mich in diesem Moment einfach so sehr nach Louis. An seine Umarmungen, die immer Wunder bewirkten. An seine Stimme, die wie Musik in meinen Ohren klang. An sein Lächeln, das sich immer auf mich übertrug. Einfach an alles, was ich vor wenigen Tagen noch hatte.
„Gott, Lou. Rette mich." murmelte ich müde. Ich wollte das alles einfach nicht. Ich wollte keinen 'Neuanfang', wie es meine Mutter so gerne nannte. Ich liebte mein Leben in Doncaster.

„Ja, ich flieg kurz mit meinem Privatjet nach Brighton, hol dich ab und dann fliegen wir auf eine einsame Insel, um da unser Leben in Ruhe zu verbringen. Ohne vierhundertfünfzehn Kilometer Trennung... Oh und dann bauen wir uns dort ein riesiges Baumhaus, mit dem Namen 'freedom'." sprach er sarkastisch durch den Hörer.

„Klingt doch nach einem super Plan." Er lachte und auch ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen.
„Ich meins ernst. Ich finde die Idee perfekt."

„Ja und ich bin Joe Biden." Nun lachte auch ich, beruhigte mich jedoch sehr schnell wieder.

„Ich vermiss' dich jetzt schon."

„Glaub mir, ich vermisse mich auch."

„Man Lou!" Wäre er jetzt hier, würde ich ihn mit meinem Kissen bewerfen.
„Ich mein das ernst!"

„Ich auch. Ich sollte wirklich mal wieder in den Spiegel schauen, um meine Schönheit zu betrachten." Gelogen hatte er nicht. Er hatte ein wunderschönes Gesicht und das sagte sogar ich. Als Junge. Zu einem Jungen.
„Spaß beiseite. Du fehlst mir auch." Ich schloss meine Augen und genoss den ruhigen Atem meines besten Freundes, welchen ich leicht heraushören konnte.

Es klopfte an der Tür, die daraufhin energisch aufgerissen wurde und ein Mädchen mit schulterlangen, braunen Haaren eintrat. Das war Gemma. Sie erkannte ich sofort.

„Lou, ich muss auflegen." Noch bevor er etwas sagen konnte, tippte ich schnell auf den roten Button und legte mein Handy beiseite. Gemma sprang mir mit einem breiten Grinsen in die Arme.

„Endlich seid ihr da!" Ja. Endlich...

„Hi, Gemma." lachte ich und wurde fast von ihr erdrückt, so fest, wie sie mich umarmte. Sie war etwas älter als ich, doch wie alt sie genau war, wusste ich nicht. Ich würde sie auf neunzehn oder höchstens zwanzig schätzen. Geistig allerdings eher auf zehn.

„Komm, ich zeig dir schnell das Haus." Noch bevor ich antworten konnte, zog sie mich schon aus dem Zimmer und zeigte mir jeden Zentimeter dieses Hauses. Wir hatten hier sogar einen Garten, was für mich wirklich Luxus hieß. Einen Garten hatte ich mir schon immer gewünscht. Eigene Blumen einpflanzen. Oh ja. Sonnenblumen würde ich als erstes einpflanzen. Vorausgesetzt, Robin würde es mir erlauben. Aber er machte ja einen super netten Eindruck. Zumindest, wenn er uns besuchte war er immer ganz nett.

Nach der Roomtour landeten wir wieder in der Küche, wo sie mir frisch gepressten Orangensaft einschenkte.

„Danke." murmelte ich etwas schüchtern. Ich hatte anfangs einfach immer etwas Schwierigkeiten, mich an Menschen zu binden.

„Freust du dich schon auf die Schule?" Ja. Total. Sie machte mir zwar eine Todesangst, aber total. Ich meine, was gibt es schöneres, als ohne Louis in die Schule zu gehen?

„Und? Schon eingelebt?" ertönte plötzlich die bekannte Stimme des Freundes meiner Mutter.

„Hi, Robin. Schön, dich wieder zu sehen." sagte ich und drückte ihn kurz.
„Gemma hat mir schon alle Zimmer gezeigt." fügte ich hinzu und nahm einen Schluck des Saftes.

„Super. Hast du dein Zimmer schon eingeräumt?" Das hatte ich ja vor, bis Gemma im mein Zimmer gestürmt ist.

„Nein, noch nicht." antwortete ich und hatte dazu auch ehrlich gesagt nicht sonderlich Lust, denn das würde es noch einmal deutlich machen, dass jetzt das neue Leben beginnen würde.

„Freust du dich schon auf morgen?" Warum wollte das denn jeder wissen? Unbeholfen zuckte ich einfach nur mit den Schultern. Ich hatte eigentlich vor, so wenig wie möglich darüber nachzudenken. Die Panik machte mir schon genug zu schaffen und die letzten zwei Monate hatte ich auch nicht mehr richtig schlafen können, da mir mein Herzrasen einfach extrem zu schaffen machte. Ich hasste mich dafür, dass ich so ein Overthinker war. Wird also auf jeden fall ein riesiger Spaß morgen...

Freedom ~ Larry StylinsonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt