Schön wieder hier zu sein

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Sie sah aus dem Fenster. Die ihr so vertraute Landschaft rauschte nur so an ihr vorbei. 'Wie mein Leben', dachte sie und wie so oft in letzter Zeit drifteten ihre Gedanken ab. Weit weg, zurück in ihre Vergegangenheit. So viel war hier passiert. Schönes und Schreckliches. So viele prägende Momente hatte sie hier erlebt. In ihrer Heimat. Als der Bus sich langsam durch den nächst größeren Ort schlängelte und vor der Bäckerei anhielt, erinnerte sie ich an die vielen Male, die sie hier mit Janet Brot für die Familie gekauft hatte. Heimlich hatten die beiden Schwestern sich manchmal noch ein Küchlein gekauft und es auf dem Heimweg gegessen, damit auch ja niemand etwas mitbekam. Bei dem Gedanken musste sie schmunzeln. Es kam ihr vor, als wäre es gestern gewesen, dabei waren über 30 Jahre vergangen. 'Ja, das Leben zieht vorbei.', dachte sie und seufzte leicht, als der Bus an der Kneipe rechts abbog, in der sie und die Jungs ihre ersten Live-Auftritte hatten. Sie hatten sich so wahnsinnig erwachsen und cool gefühlt, auch wenn sie nur wenig Publikum hatten. 'Wir waren ja auch super cool damals.', dachte sie und grinste. Als sie an einer großen Kriche vorbeikamen tauchten vor ihrem inneren Auge sofort die Bilder von der Beerdigung ihres Papas auf. Sie sah sich und Janet in schwarzgekleidet, eng umschlungen direkt hinter dem Sarg als erstes die Kirche verlassen. Janet hatte fürchterlich geweint, sie selbst hatte sich einfach nur erdrückt gefühlt. Sie erinnerte sich noch viel zu gut an das Gefühl von damals. Druck von überall. Von allen Seiten. Sie arbeitete hart mit den Jungs an Songs. Sie stand mitten im Abitur. Der Druck allein von dieser Seite war schon groß genug, doch dann hatten sich die Ereignisse plötzlich überschlagen. Etwa drei Wochen zuvor war ihr Vater zum Arzt gegangen, weil er schon seit längerem unter Bauchschmerzen litt. Er wurde sofort in die Klinik überwiesen und einen Tag später bekam er die Diagnose Bauchspeicheldrüsenkrebs im Endstadium. Als sie ihn besucht hat, hatte er ihr erzählt, dass ihm nur noch wenig Zeit blieb. Wie wenig, hatte sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht geahnt. Sie war weggelaufen, hatte es nicht ausgehalten in dem Gebäude mit den weißen Wänden und langen Fluren. Sie gerannt und gerannt, wahrscheinlich über eine Stunde, bis sie den Dorfteich erreichte und schluchzend an einem Baum zusammenbrach. Sie hatte solange geweint, bis sie völlig erschöpft eingeschlafen war. Irgendwann hatte sie eine sanfte Hand auf ihrer Wange gespürt. Thomas, der durch Zufall eine Runde spazieren gegangen war, hatte sie gefunden, ihr seine Jacke über ihre vor Kälte zitternden Schultern gelegt und sie nach Hause gebracht. Dort hatte sie ihm alles erzählt und er hatte einfach nur zugehört und sie festgehalten. Es hatte ihr gut getan mit Thomas zu reden. Nur einige Tage danach war ihr Vater gestorben. Sie hatte sich selbst viel zu wenig Zeit zum trauern eingestanden und alles nur in sich hineingefressen. Sie hatte funktioniert. Die Beerdigung irgendwie hintersich gebracht, das Abitur mehr schlecht als recht bestanden und mit der Band die ersten großen Erfolge gefeiert. Aber so richtig verarbeiten konnte sie den Verlust ihres Vater damals nicht. "Stefanie, ist alles in Ordnung? Möchtest du heute gar nicht hier aussteigen?", riss die verwunderte, leicht besorgte Stimme des alten Busfahrers sie aus ihrem Gedankenchaos. Sie sah erschrocken auf und wischte sich beschämt die Tränen weg, die gefloßen waren, ohne das sie es überhaupt bemerkt hatte. Der Bus war leer und stand an der Haltestelle an der sie aussteigen musste. "Mir geht es gut, Willi. Danke für's Bescheid geben! Bis bald!", brachte sie etwas mühsam hervor, während sie ihre Tasche nahm und verschwinden wollte. "Stefanie?", ertönte erneut die Stimme von Willi und sie drehte sich fragend um. "Du hast so ein schönes Lachen. Wenn du es nicht benutzen kannst, machst du etwas falsch." Sie sah ihn einen Moment lang stumm an und dann stahl sich ein ehrliches Lächeln auf ihre Lippen. "Danke Willi! Es schön wieder hier zu sein! Man sieht sich.", rief sie ihm noch zu, bevor sie den Weg zu ihrer Schwester einschlug. "Bis bald, Stefanie!", hörte sie Willi noch rufen. 'Er hat recht', dachte sie und lächelte breit, als sie vor der Tür von Janet stand und diese sie mit einer herzlichen Urarmung und einem "Willkommen zurück!" begrüßte, 'wenn ich nicht mehr lachen kann, mache ich etwas falsch.' Sie war ihm sehr dankbar für diese Erkenntnis und nahm sich fest vor, in Zukunft besser auf ihr Lachen acht zu geben.

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