Dies ist in Anlehnung an meinen Oneshot "Schön wieder hier zu sein" entstanden. Man könnte es auch als eine Art Fortsetzung sehen. Viel Spaß beim Lesen!🤍
Nachdenklich starrte sie die durch die Kälte beschlagene Scheibe an, während Wälder und Ortschaften verschwommen an ihr vorbei zogen. Es war Mitte Dezember, je näher sie an ihr Ziel kam, desto dicker wurde die Schneedecke. Die Straßen waren glatt, zum Teil ungeräumt und der Bus fuhr merklich vorsichtiger, als üblich. Sie hatte die Beine überschlagen und ihren linken Ellenbogen auf der Lehne des Sitzes neben ihr aufgestützt. In ihren Kopfhörern lief gerade "Wonderful Dream" von Melanie Thornton und ihr Fuß wippte im Takt dazu mehr oder weniger gleichmäßig gegen die Haltung des Sitzes vor ihr, sodass im Bus immer wieder ein Klack-Geräusch zu vernehmen war. Sie bekam aufgrund der Noise-Canceling-Funktion ihrer Kopfhörer allerdings nichts davon mit. Der Song stimmte sie nachdenklich, machte sie etwas emotional. Es war irgendwie ironisch, dass Melanie in dem Song über Liebe und Frieden für alle sang und wenige Tage nach dessen Aufnahme auf so tragische Weise viel zu früh starb. 'Das Leben ist doch echt verzwickt. Es könnte jede Sekunde vorbei sein, aber am Ende sehnen wir uns alle nach Liebe und Frieden.', dachte sie, als ihr plötzlich Tränen in die Augen traten. Was machte sie nur schon wieder? Es war ihr alles zu viel geworden. Sie hatte mit Thomas gestritten, dadurch war im Proberaum die Stimmung betrübt. Es war genau das eingetreten, was sie sich immer geschworen hatten, zu vermeiden: Ihre Beziehung wirkte sich negativ auf die Banddynamik aus. Seit zwei Wochen redeten die beiden kaum ein nettes Wort miteinander, dabei wusste sie gar nicht mehr, was der Grund für die Spannungen war. Motti litt darunter, genauso wie Hannes und Nowi. Heute morgen hatte Hannes dann ein Machtwort gesprochen, hatte gesagt, dass sie nicht wiederkommen sollen, bis sie ihren privaten Kram geklärt haben. Sie hatte daraufhin Hals über Kopf den Proberaum verlassen und war in den nächsten Zug in die Heimat gestiegen ohne irgendwem Bescheid zu geben. Sie hielt es nicht mehr aus, fühlte sich einsam, selbst in ihrer Wohnung, ahnte nur, dass es Thomas ähnlich gehen musste. Es war, als ob ihre Welt still stehen würde. Sie hoffte, dass sie hier in der Heimat endlich einen klaren Kopf kriegen würde, es hatte ihr schon immer geholfen, hierher zurückzukehren, an den Ort, an dem so viele Erinnerungen ruhten, zu dem sie einen so besonderen Bezug hatte. Kein Ort dieser Welt gab ihr mehr Sicherheit, mehr Liebe und Frieden. Sie wusste, dass es nicht richtig war, wieder vor ihren Problemen davon zu laufen, aber sie wusste auch, dass in Berlin zu bleiben zu nichts geführt hätte. Ihre Gedanken führten dazu, dass sich einzelne stumme Tränen den Weg über ihre Wangen bahnten. "A wonderful dream of love and peace for everyone, of living our lives in perfect harmony..." Mehr Tränen. Was wäre, wenn sie jetzt sterben würde und sich nie mit Thomas ausgesprochen hätte. Es wäre allein ihre Schuld, sie war weggelaufen. Sie konnte es nicht mehr hören und nahm die Kopfhörer raus. Sie wischte sich über das Gesicht und dann über die Scheibe, um sich zu orientieren. Es war nicht mehr weit. Der Bus fuhr gerade an dem kleinen Wäldchen vorbei, welches den kleinen Vorort, in dem sie aufgewachsen war, vom Hauptdorf trennte. Sofort holten sie die Erinnerungen ein. Auf der Lichtung am kleinen See hatten sie und Thomas sich damals ihre Gefühle für einander gestanden und sich zum ersten Mal geküsst. Sie weinte stärker bei dem Gedanken, fühlte sich auf einmal so schlecht, dass sie ihn und Motti allein gelassen hatte, so kurz vor Weihnachten, dem Fest der Liebe. Sie schluchzte mehrmals laut auf, konnte es nicht zurückhalten, das Gesicht vergrub sie in den Händen. "Stefanie, möchtest du hier heute gar nicht aussteigen?", wurde sie plötzlich von einer Stimme aus ihren trüben Gedanken gerissen. Sie schreckte hoch und sah in die Augen von Willi dem Busfahrer, der sie durch den Spiegel besorgt ansah. Sie kannte ihn seit ihrer Kindheit. Schon seit sie denken konnte, fuhr er diesen Bus. "Nanu, was ist denn passiert?", fragte er nun. Sie wischte sich nur die Tränen von den Wangen und schüttelte traurig den Kopf. "Irgendwas scheint dir in diesem Bus in letzter Zeit nicht zu bekommen, jedes Mal weinst du, wenn du mit mir fährst. Dabei habe ich dir doch beim letzten Mal gesagt, dass du so ein schönes Lächeln hast und darauf aufpassen sollst.", sagte er trocken und entlockte ihr damit ein leichtes Grinsen. "Ach Willi, ich habe mit Thomas gestritten und es ist so kurz vor Weihnachten. Es ist alles einfach gerade etwas viel. Ich vermisse ihn einfach so sehr, wir leben seit zwei Wochen nur noch nebeneinander her. Das ertrage ich an Weihnachten nicht.", geht sie nun doch etwas mehr ins Detail, während sie sich aufrichtet und aus der offenen Bustür in den tiefen Schnee tritt und sich noch einmal umdreht. Weitere Tränen aus ihren Augenwinkeln lösen. "Hör mal zu, Stefanie, das wird schon wieder. Vielleicht ist die Lösung gar nicht so fern, wie du denkst. Vielleicht steht sie direkt hinter dir, du siehst sie nur noch nicht.", sagte Willi, zwinkerte ihr wissend zu und nickte einmal, bevor er die Tür schloss und sich der Bus in Bewegung setzte. Steff blieb verwirrt zurück und sah ihm nach. Sie schüttelte den Kopf, drehte sich um und wollte gerade den Weg in Richtung ihres Elternhauses einschlagen, als sie wie festgefroren stehen blieb. In der Einfahrt stand ein ihr sehr bekanntes Auto. Ihr Herz schlug ihr auf einmal bis zum Hals und sie begann zu laufen. Noch bevor sie die Tür erreichte, wurde diese plötzlich geöffnet und Thomas stand vor ihr. Weinend schmiss sie sich in seine Arme, auch er verlor einige Tränen. Für einen Moment stand die Welt still. "Es tut mir so leid, ich liebe dich doch!", nuschelte Steff irgendwann völlig verheult. "Ich liebe dich auch, mein Schatz, und mir tut es auch leid.", sagte Thomas leise und zog sie noch näher zu sich, bevor er ihre Lippen miteinander verband. "Willi hatte schon wieder recht.", sagte Steff nachdenklich, als sie sich voneinander gelöst hatten und schüttelte dann leicht amüsiert den Kopf. "Die Geschichte interessiert mich jetzt aber doch.", entgegnete Thomas grinsend. Sie boxte ihm leicht in die Seite und schob ihn sanft ins Warme, wo sie auch von Motti, Janet und ihrer Mutter herzlich begrüßt wurde.💭❄️💭
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Silbermond-Sammlung
FanfictionOneshots und Kurzgeschichten über meine Lieblingsband♡