In unserer Erinnerung ~ Part 3

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~Steff~
Mehrere Male klingelt es ins Leere und ich habe schon fast das Gefühl, dass Thomas nicht mehr abhebt, als er sich plötzlich ziemlich verschlafen meldet. Kurz blicke ich auf die Uhr und sofort tut es mir leid, ihn mitten in der Nacht aus dem Schlaf gerissen zu haben. „Oh verdammt, ich wollte dich nicht wecken, tut mir leid...", beginne ich leise das Gespräch, werde aber sofort von meinem Freund unterbrochen, der plötzlich hellwach und sehr besorgt zu sein scheint. „Oh Gott Steff, was ist denn passiert?" Etwas beschämt wische ich mir über die Augen, aus denen nun wieder ungehindert Tränen über meine Wangen laufen. Ich muss wirklich schrecklich aussehen. Schluchzend vergrabe ich mein Gesicht in den Händen, während Luca mir immer wieder beruhigend über den Rücken streicht. Ich vermisse Thomas so sehr, dass es fast physisch wehtut. „Steff? Süße? Magst du mir erzählen, was los ist?", ertönt erneut Thomas ruhige, aber besorgte Stimme aus meinem Handy. Nachdem ich es einfach nicht schaffe, mich zu beruhigen und ihm seine Frage zu beantworten, ergreift Luca das Wort und ich bekomme nur am Rande mit, wie Luca Thomas die Situation schildert. Ich schaffe es gerade einfach nicht mich zu kontrollieren, mein Körper hat andere Pläne. Wieder beginne ich zu zittern, so sehr, dass meine Zähne aufeinander schlagen. Luca legt mir meine Bettdecke um die Schultern und einen Arm um mich. Es tut mir gut, dass er da ist, aber ich wäre einfach gerade so viel lieber bei Thomas. Verschwommen durch die Tränen sehe ich, wie Thomas mich liebevoll anlächelt. Erneut versucht er mir gut zuzureden. Und langsam aber sicher beruhigt mich der Klang seiner Stimme. Immer wieder versuchte ich kontrolliert einzuatmen, konzentriere mich voll auf meine Atmung und auf ihn, seine Stimme, die mich auch aus der Ferne in tiefer Sicherheit wiegt.

~Thomas~
Erleichtert merke ich, wie sie ruhiger wird, als ich kontinuierlich beruhigend auf sie einrede. Der nächtliche Anruf kam für mich überraschend, dennoch bin ich sehr froh, dass Luca Steff ermutigt hat, mich anzurufen. Wir hatten vor der Aufzeichnung schon miteinander gesprochen, da machte sie einen gefassten Eindruck, auch wenn ich vorhin schon wusste, dass es ihr alles andere als gut geht. Ich wäre jetzt so gern persönlich für sie da, würde sie in meine Arme schließen und nicht mehr loslassen, wie jedes Jahr an diesem beschissenen Tag.  Stattdessen sitze ich in Berlin und kann ihr nur gut zureden. Ich fühle mich schlecht, hätte mitfliegen sollen. So ein Zusammenbruch war doch absehbar zum 20. Todestag. Nun kämpfe ich selber gegen die Tränen, eine einzelne läuft über meine Wange. Etwas wütend auf mich selbst streiche ich sie mir aus dem Gesicht. Ich will stark sein, für sie. Es ist niemandem geholfen, wenn ich jetzt auch noch heule, aber ich kann sie einfach nicht leiden sehen. Und das tut sie gerade, sie leidet, sehr. Das Johannes sich „In meiner Erinnerung" rausgesucht hat, hat sie extrem aus der Bahn geworfen. Gerade heute, es kann ja niemand ahnen, dass die Aufzeichnung des Silbermond-Abends ausgerechnet auf diesem gottverdammten Tag fallen muss. Ihr Schniefen holt mich irgendwann aus meiner Gedankenwelt zurück. Immerhin scheinen meine Worte sie tatsächlich zu beruhigen. Ich bin heilfroh, dass Luca bei ihr ist und sie heute nicht allein sein muss. Zum Glück hat er sie gefunden und nicht locker gelassen. Dankbar schaue ich ihn durch die Handy-Kamera an. Steff ist mittlerweile erschöpft an Lucas Schulter eingeschlafen. Vorsichtig bringt er sie nach einigen Minuten in eine liegende Position und deckt sie zu. Er richtet die Kamera ein letztes Mal auf Steff, die nun endlich friedlich schläft, dann verlässt er kurz mit ihrem Handy den Raum und fragt mich, ob er ihr irgendwie noch gezielter helfen kann. Ich bitte ihn nur, sie für mich im Auge zu behalten und bedanke mich unter ein paar Tränchen, die ich nun nicht mehr zurückhalten kann, für seine Fürsorge. Er winkt nur ab und sagt:" Ach Thomas, das ist doch selbstverständlich. Auch wenn wir uns erst seit kurzem kennen, Steff ist für mich wie eine Schwester." Kurz muss ich schmunzeln, denn Steff hat in unserem Telefonat vorhin genau dasselbe gesagt. Da scheinen sich ja wirklich zwei gefunden zu haben. Familienzusammenführung, sozusagen. Nachdem ich mich nochmals bei Luca bedankt habe und wir uns verabschiedet haben, falle ich völlig erschöpft in mein Bett und betrete mit dem Gedanken, dass Steff nicht alleine ist, auch ziemlich schnell meine Traumwelt.
***ENDE***

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