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Draco saß in seinem Büro und hielt sich den Kopf. Er konnte es nicht fassen, dass Blaise ihn gestern so betrunken gemacht hatte, dass er heute einen solchen Kater davon trug. Verdammt nochmal. Und dann hatte er auch noch Granger getroffen – sozusagen als Krönung dieses verhängnisvollen Abends. 

Seit Jahren hatte er keinen Gedanken mehr an sie verschwendet und ausgerechnet gestern, wo er sich zum ersten Mal gefragt hatte, was wohl aus ihr geworden war, lief sie ihm in einem Bordell über den Weg. Das würde ihm kein Mensch glauben. Ganz abgesehen davon, dass Draco es natürlich gegenüber niemandem erwähnen würde. Sogar Blaise hatte ihn ungläubig angeschaut, als er ihm gesagt hatte, wem er an der Bar begegnet war.

„Bist du dir sicher, dass du sie nicht verwechselt hast?", hatte Blaise gefragt und dabei lakonisch eine Augenbraue hochgezogen. „Vielleicht ist dir die ganze nackte Haut zu Kopf gestiegen." Während er sich selbst als äußerst witzig empfunden hatte, hatte Draco wütend geschnaubt und war aufgestanden.

„Das ist kein Scherz, Blaise. Ich habe Granger vielleicht schon ein paar Jahre nicht mehr gesehen, aber ich erkenne sie, wenn sie vor mir steht, verdammt. Und außerdem haben wir miteinander gesprochen. Und jetzt gehe ich", hatte er gezischt und zwei Galleonen blind vor sich auf den Tisch geworfen. Er war so erbost gewesen, dass er nicht einmal bemerkt hatte, dass dies mehr als die Doppelte von dem gewesen war, was Blaise an dem gesamten Abend für sie ausgegeben hatte. Zu seinem Glück hatte Blaise nicht den Fehler gemacht und versucht, Draco aufzuhalten. 

Und jetzt saß er also hier und versuchte vergeblich, sich auf den Bericht zu konzentrieren, den er eben auf seinem Schreibtisch vorgefunden hatte. Schlimm genug, dass er sich sonntags verkatert im Büro befand - dann sollte er wenigstens auch wirklich arbeiten. Bei dem Bericht handelte es sich um eine erste Niederschrift der noch andauernden Spurensuche in Potters letztem Unterschlupf, doch Dracos Gedanken drehten sich unablässlich um etwas ganz Anderes. Er wurde erst aus seinen Grübeleien gerissen, als die Tür des Büros aufging und jemand direkt vor ihm stehen blieb. Verwirrt hob er den Kopf und blickte direkt in Blaise dunkelblaue Augen. 

„Das Klopfen solltest du dir angewöhnen", sagte er mürrisch.

„Ich habe geklopft. Du hast es bloß nicht gehört. Oder ignoriert, da bin ich mir nicht ganz sicher." Blaise stellte einen Pappbecher mit frischem Kaffee vor seine Nase auf das dunkle Holz des Schreibtischs und schob dann die Hände in die Hosentaschen. „Hast du dich wieder beruhigt?", fragte er und zog eine Augenbraue in die Höhe. 

„Wenn man davon absieht, dass mein Schädel sich anfühlt, wie ein Minenfeld, dann ja." Draco grummelte leise und nahm einen Schluck von dem Kaffee. Augenblicklich zuckte er zurück und stöhnte leise, während er seine verbrannte Zungenspitze gegen den Gaumen drückte. 

„Scheiße." Er warf Blaise einen mörderischen Blick zu, da dieser angefangen hatte, leise zu glucksen. Leider konnte Draco seinem Freund nie lange böse sein, deshalb stahl sich bereits nach einigen Sekunden der Beherrschung ein kleines Lächeln auf seine Lippen. „Ist vielleicht einfach nicht mein Tag", sagte er schließlich versöhnlich und Blaise nickte zustimmend.

Einen Moment herrschte Stille zwischen ihnen und Draco rührte seufzend in seinem Kaffeebecher. Dann überlegte er, ob er Blaise die Frage stellen konnte, die ihn schon beschäftigte, seitdem er aufgewacht war. Er warf dem schwarzhaarigen Halbfranzosen einen kurzen Blick zu, welchen dieser nicht zu bemerken schien. Stattdessen starrte Blaise gedankenverloren aus dem Fenster. Draco ließ sich noch einige Sekunden Zeit, bevor er schließlich tief durchatmete und anfing, zu sprechen. 

„Das was du gestern gesagt hast, über die.. Tänzerinnen", begann er vorsichtig, räusperte sich und bemerkte, dass Blaise ihn nun interessiert ansah. „Das ist der Grund, warum Granger dort ist, oder?" Er versuchte sich betont entspannt auf seinem Stuhl zurückzulehnen, was ihm aber nicht ganz gelingen wollte. Als Blaise lediglich nickte, fühlte Draco sich in seinen düsteren Gedanken bestätigt. 

Baton RougeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt