Kapitel 2 - Anziehung (Marie)

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Drei Tage waren seit dem merkwürdigen Vorfall mit dem Spiegel vergangen. Die Nächte waren anstrengend gewesen, denn nirgends auf der Welt tummelte sich wohl mehr Gesindel in der Dunkelheit in den Straßen. Der Regen hatte nicht aufgehört und so war ich bis auf die Knochen durchnässt, als Paul, eine älterer Junge aus der Villa, mich des Morgens zitternd und fiebernd in einer Gasse fand. Ich wollte mich wehren, ich wollte nicht zurück in dieses Haus, nicht zurück zu Eleria. Aber Paul ließ nicht locker, Tonio suchte mich schon seit zwei Tagen.

„Bitte... lass mich los! Ich will... ich kann nicht zurück!" Doch Pauls Augen waren leer und ausdruckslos, sein Griff fest und mein Körper geschwächt. Als ich die Mauern der alten Villa vor mir aufragen sah, machte sich pure Panik in mir breit, die Fenster waren dunkel aber ich sah in einigen andere Kinder die mich genauso ausdruckslos anstarrten, wie Paul. Was wurde hier nur gespielt? Ein letztes Mal versuchte ich Pauls Griff zu lockern, zu entkommen, doch da standen wir schon auf der Türschwelle. Die große dunkle Holztür glitt leise auf und ich erstarrte. Mir wurde eiskalt und ein zittern ergriff meinen Körper, als der Geist Elerias vor mir schwebte und mich sanft ansah.

„Nein! HILFE!" Ich versuchte so laut ich konnte zu schreien, wehrte mich vehement dagegen, dass Paul mich in das Haus schob, an Eleria vorbei und in das Kaminzimmer. „Mara!" Ich erschrak, Tonio stand ruhig am Kamin und betrachtete das Bild von sich und seiner Frau, während Luca und Isabella in dicke Stricke gefesselt auf dem Boden lagen. Ich sah an Tonios Gürtel eine Waffe, sie hing lose in der Halterung. Als er sich umdrehte und mich anstarrte wurde mir ganz übel. Seine Augen waren... blutrot und weit aufgerissen. Was ging hier nur vor? Paul stieß mich nach vorne und ich fiel neben meine jüngeren Geschwister. Zitternd richtete ich mich auf und kroch zu ihnen, um Luca und Isabella, die ängstlich zitterten, in den Arm zu nehmen.

„Tonio! Was ... was für ein kranker Scheiß wird hier gespielt?" Eleria schritt an mir vorbei und sie legte ihre Geisterhand auf Tonios Schulter. „Tu es. Es ist alles vorbereitet, na los!" Erst jetzt begriff ich, dass er nur eine Marionette war, dass er keinen freien Willen hatte, und nur das tat, was Eleria ihm auftrug. Plötzlich trat er vor und griff meine Haare. Ich schrie vor Schmerz und spürte, wie er mir viele Haare ausriss, während er mich aus dem Raum schliff. Meine Geschwister schauten mich erschrocken an, Isabella weinte, während Luca meinen Namen brüllte. Tränen verschleierten meine Sicht, doch ich konnte mich nicht wehren. Schmerzen durchzuckten meine Körper, als Tonio mich unsanft die Treppe hinabzerrte, doch nicht in den Trainingsraum sondern in einen Keller, zu dem bisher niemand Zugang gehabt hatte.

„Nein...." Leise wimmerte ich, als meine Sicht wieder verbesserte und ich meinen Blick durch den Raum schweifen ließ. Die Wände waren rot und schwarz, mit weißen Mustern versehen. Ein blanker Stein stand in der Mitte, viele Kerzen und ein Operationstisch daneben. Tonio hob mich auf und schnallte mich auf den Stein, die Fesseln schnitten fest in mein Fleisch und ich hatte keine Möglichkeit mich zu bewegen. Nur meinen Kopf hatte er nicht fixiert. Eleria betrat den Raum und ihr Blick war voller Finsternis, voller Hass, voller Bosheit. Dann begann Tonio ein seltsames Pulver über mich zu streuen und fremde Worte zu murmeln. Es war, als würde er mich in den Schlaf singen, plötzlich wurde ich so müde und hatte das Gefühl, von etwas magischen angezogen zu werden.

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