Krisensitzung

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»Ich ziehe nicht in diese sinnlose Schlacht!«

Klirrend zerspringt der Weinkrug an der Wand in unzählige umherfliegende Scherben. Die dunkle würzige Flüssigkeit spritzt über die helle Mauer und hinterlässt einen leuchtenden Fleck. In kleinen Rinnsalen schlängelt sich der Rebensaft den Putz hinunter und sammelt sich tiefrot und samtig glänzend in einer wachsenden Lache am Boden.

Bruder Martin weigert sich, die rote Pfütze als Omen für künftiges Blutvergießen anzusehen, aber zur Sicherheit bekreuzigt er sich und schlägt obendrein ein schnelles Zeichen gegen das Böse. Besorgt sieht er zu Rhys hinüber. Der dominiert den Raum mit seinem Zorn, der förmlich in Wellen von ihm abstrahlt. Breitbeinig steht er vor dem großen Tisch, die durchgestreckten Arme auf die geballten Fäuste gestützt, der ganze Körper angespannt, bereit, vielmehr als nur das Geschirr zu zerschlagen. Seine blutbefleckte Kleidung unterstreicht eindrücklich das Bild des Zerstörers.

Vorsorglich haben alle den Abstand zu ihm vergrößert. Dafydd ist zur Stirnseite des Tisches ausgewichen und Owain steht jetzt nah an der Tür, zwar lässig an den Balken gelehnt, doch die grauen Augen wachsam auf den wütenden Burgherrn gerichtet.

Mit einem verhaltenen Seufzer wagt sich Martin ein Stück vor. Irgendjemand wird die Wogen glätten müssen und sie haben keine Zeit, erst noch einen Strohhalm zu ziehen.

»Wir haben gewusst, dass Llywelyn sich nicht ewig hinhalten lassen wird. Du hast deinem Fürsten einen Eid geschworen.« Martins Stimme bleibt ruhig und sachlich, obwohl ihm die Nachricht der drei Boten ebenso wie Rhys missfällt.

»MEIN Fürst?«, speit ihm Rhys die Frage entgegen. »Wo war dein MEIN Fürst als Cynwrig meine Familie abgeschlachtet hat?« Seine Stimme donnert durch den Rittersaal und bricht sich an den hohen Wänden. »Sich zurückgelehnt und abgewartet hat MEIN Fürst.«

»Llywelyn hat dir seine Unterstützung zugesichert«, beschwichtigend redet Martin auf ihn ein.

Doch Rhys lässt sich nicht von seiner Rage abbringen. Knurrend stampft er um den Tisch. »Ja, das hat er. Nachdem ich erfolgreich war. Soll er sich doch selber um seine raffgierige Sippe kümmern!« Eine tönerne Schale segelt dem Krug hinterher und zerschellt am Kaminsims.

Anerkennend registriert Martin, wie sich Dafydd durch eine geistesgegenwärtige Drehung aus der Schusslinie bringt. Die vielen Übungseinheiten scheinen endlich zu fruchten. Hoffentlich wird der Junge es nicht so schnell brauchen, denkt er sich beklommen.

Ein Stuhl schlittert quer durch die Halle, ein zweiter zersplittert unter Rhys' Stiefel. Martin hat genug. »Es bringt uns nicht weiter, wenn du hier die Einrichtung zertrümmerst.«

Rhys schnellt zu ihm herum und faucht: »Rede nicht mit mir wie mit einem Halbwüchsigen!«

»Dann benimm dich nicht so!« Martin wird nicht lauter, doch die Autorität seiner ernsten Ansage bremst schließlich Rhys' Vernichtungswut. Grollend lässt dieser sich auf einen der verbliebenen Stühle fallen und schlägt mit der Faust auf den Tisch.

»Er weiß genau, dass ich ihm kein Heer stellen kann!«

Keiner der Anwesenden kommentiert diesen Satz. Alle wissen, dass es Llywelyn nicht um die Anzahl, sondern nur um einen bestimmten Mann geht. Der Ruf, der Rhys vorauseilt, ist erschreckender als eine Horde Nordländer auf Raubzug. Natürlich will der listige Fürst von Gwynedd dies für seine Zwecke nutzen.

»Ich bin doch nicht sein Kampfhund!«, brüllt Rhys erneut, der sich dessen durchaus bewusst ist und fegt mit der Hand einen Kelch vom Tisch. Scheppernd rollt der über den Steinboden, bis Owains Stiefel das verbeulte Trinkgefäß stoppt.

»Wie hoch ist die Ablöse?«, fragt Martin nüchtern. »Pfff...«, schnaubend wirft Rhys die Arme in die Höhe und wedelt zu Dafydd hin.

Dieser streicht sich bekümmert die langen Strähnen aus der Stirn. Seiner sonst so sorgfältig gepflegten Frisur sieht man das viele Haareraufen an. »Wir haben keinen Märchenschatz im Keller, aber wenn wir die Rücklagen zusammenkratzen und noch das Vieh unserer Ländereien einziehen ... eventuell reicht es.«

Elfenzauber - IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt