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»Jules, beruhige dich erst einmal.« 

»Beruhigen ... Beruhigen? Wie soll ich das denn machen? Ich werde noch ganz irre im Kopf. Was und wem soll ich denn glauben? Beruhigen.« 

»Ist ja gut. Tschuldigung.« 

»Mir tut es leid.« 

»Dann hau doch erst einmal raus, was vorgefallen ist. Bring mich auf den Stand.« 

Stimmt ja. Ben hat überhaupt keine Ahnung, wovon ich quatsche. Als wir uns das letzte Mal sahen, gab es nur die Nachrichten, daraufhin wollte ich mit Fay reden. Woher soll er denn wissen, dass sie deswegen gelogen hat?! Oh mensch. Also alles von vorne aufrollen. 

»Gut, gleich. Erst will ich einen Kaffee. Ich brauch Kraft. Und dann erzähl ich dir. Aber stell dich schon mal drauf ein. Das wird lang.« 

»Hab ich mir schon gedacht.« 

»Nicht so.« Dabei muss ich jedoch schmunzeln. Auch Ben hat diese Fähigkeit, mich wieder zu erden. Mein großer Bruder eben. 

Er hält mir die Tür auf und ich gehe vor. Da sehe ich, dass er bereits zwei Kannen vorgekocht hat. Ich drehe mich um und schaue in zwei sich belustigende Augen. Er hat es sich wirklich gedacht. 

Gut, wir schnappen uns die kräftigende Brühe, holen noch Milch aus dem Kühlschrank und machen es uns vor seiner Sofalandschaft bequem. Ja, davor. Ben und ich chillen viel lieber davor auf dem Boden und legen alles mögliche Unnötige oben auf dem Möbelstück ab. Auf dem Boden sind wir halt eben. Da gibt es das Problem mit dem Tisch nicht, dass er zu hoch oder niedrig ist. Nein, wir stellen unsere Tassen einfach vor oder neben uns auf dem Boden ab. Unsere Arme sind dafür immer gemacht, diese Länge angenehm vollziehen zu können. 

Nachdem wir uns da also bequem breitgemacht haben, bemerke ich seinen forschenden und abwartenden Blick auf mir. 

Ich atme tief ein und aus. Dann beginne ich, angefangen von meiner Dateeinladung sowie der akribischen Planung und dem erfolgreichen Ziehen des Schlussstriches über das wirklich gelungene Date mitsamt allen Details inklusive des wütendes Typies sowie dem Gespräch mit meinem Vater, als ich mal wieder nicht ganz anwesend war bis hinzu dem Übernachten und anschließend dem eben Geschehenen. Ben hört sich wirklich alles stillschweigend an. Es fällt ihm nicht durchweg leicht, vor allem wegen meiner immer mal wieder auftretenden, anscheinend typischen Geistesabwesenheiten. 

»So und nun du.« 

»Also du hast bei ihr geschlafen?« 

»Das ist das Einzige, was du von alldem mitgeschnitten hast?« 

»Nein quatsch. Aber dann muss euer gemeinsamer Tag ja echt wahnsinnig toll gewesen sein. Hm?« 

»Das ist doch jetzt völlig egal.« 

»Ist es das?« 

»Ben. Kannst du jetzt einfach mal deine Meinung raushauen?!« 

»Sicher, dass du das willst?« 

Ich schaue ihn, denke ich zumindest, entgeistert an, bin nun wirklich fast am Explodieren. Bin ich denn nur von idiotischen Menschen umgeben? 

»Ok, wie du meinst, wollte dich nur warnen. Also ich denke, dass du es mehr als nur genossen hast, die Zeit mit Fay mal wieder auf diese Art zu verbringen und dass ihr euch näher gekommen seid. Übrigens belegt das ja auch deine eher untypische nervöse Handlungsweise und wie du dir einen Kopf gemacht hast, so um euch und na ja, du weißt schon, das alles eben. 

Zugegeben, das Gespräch mit Kalle ist schon etwas mysteriös, aber wie du selbst meintest, du weißt einfach nicht, was er dir alles gesagt hat, bis auf die paar Worte, die noch irgendwie einen Weg zu deinem Gedächtnis gefunden haben. Also was bedeutet das? Es kann alles bedeuten. Entweder du sprichst noch einmal mit ihm oder nicht, aber hör auf dir immer solche Horrorszenarien zusammenzudenken, ohne zu wissen, was wirklich Sache ist. 

So nun wieder zurück zu heute. Das kann ich natürlich auch verstehen. Als du es mir im Park erzählt hast, habe ich es dir angemerkt, wie sehr es dich verletzt hat, wie sie dich bei eurem ersten Treffen auf den Anhänger ansprach und dann sagt sie heute etwas ganz anderes. Das muss verwirrend sein. Hast du sie darauf angesprochen?! Nein. Du bist weg, kann ich auch verstehen. 

Aber du bekommst keine Antworten, indem du immer davor flüchtest. Der Hafen hat Bilder hochgeholt und sie als Lügnerin entlarvt. Das ist scheiße. Aber weißt du, was ich glaube? Es verletzt dich so sehr, weil du sie immer noch genauso liebst wie damals und es tut so schrecklich weh, weil die Hoffnung sich schon ein wenig durch eine geöffnete Lücke hindurchgequetscht hat. Und diese wurde nun enttäuscht und nun sitzt du hier mit diesem Gefühlschaos.« 

Er hat recht, verdammter Mist. Es tut so weh. Verdammt. Krampfhaft versuche ich dagegen anzukämpfen. Meine Wangen glühen, sie fühlen sich an, als würden sie gleich verbrennen, mein Inneres, alles wird ineinander gedrückt und zerquetscht. Es zieht hinauf bis in meinen Hals, meinen Rachen ... Und dann ... Dann lasse ich los. Ich spüre, wie Ben dicht neben mir ist und ich lasse wieder meinen Kopf auf ihn senken. 

-

Das musste wohl nun einfach mal raus. Und Ben ist dafür einfach der Beste. 

»Und, du hast also vor, mich mit Hans zu verkuppeln?«, fragt er schmunzelnd, als er aus der Küche mit einer Tüte Chips zurückkommt. 

»Na sicher. Ich denke, dass es passen würde.« 

»Hast du denn auch einen Ratschlag für mich?« 

»Na zuerst solltest du mal ...« 

»...an die Tür gehen. Sorry, ich hab was bestellt. Sonst würde ich jetzt nicht hingehen.« 

»Schon ok. Ich kann dir auch gleich noch deine Tipps geben.« 

Es ist aber kein Mensch mit Paketen vor der Tür außer diese Person hat zufällig in den letzten Stunden einen neuen Job angefangen. 

Und auf einmal steht sie im Raum. Weinend, blass, irgendwie völlig fertig. Sie sieht schlimmer aus, als ich mich fühle. 

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