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Hätte ich nicht können, weil sie immer alles bekam, diese Aussage rattert gerade mehrmals da oben durch. 

Ich hätte nicht für sie da sein können, auch damals nicht. Und auf der anderen Seite bekam diese andere Person wohl immer alles, was sie wollte. Und das wohl um jeden Preis, so hört es sich zumindest an. Das macht mich so wütend, aber auch traurig. Mit was musste Fay nur zurechtkommen? Was wurde ihr bloß angetan? 

Ah! 

»Also, es gab noch jemanden?«, traue ich mich jetzt einfach mal zu fragen. 

»Ja.« 

»Ein Familienmitglied?« Und ich versuche meinen Mut beisammen zu halten. 

»Ja.« 

»Gab? Also Vergangenheitsform?« 

»Mmmh.« 

»Jetzt nicht mehr?« 

»Ja ...« Das flüstert sie so leise, dass auch ich Angst bekomme. 

»Fay, ich hoffe du verzeihst mir, ich meine das nicht böse. Aber seit wann?« 

»Seit Kurzem.« 

Bei ihrer Antwort schaudert es mich. Vor Kurzem kann zwar vieles bedeuten, aber mal ehrlich?! Wie soll ich ihren Blick bei der Antwort sonst deuten? 

Ein extrem ungutes Gefühl macht sich in mir breit. Heißt das ... seit diesem Abend, dieser Nacht? War ich es? Kann sie deswegen nicht mit mir darüber reden? Was habe ich getan? Da hat sich Ben aber schwer in mir getäuscht ... Oh nein! Und dann habe ich ... das Szenario in meinem Kopf umgedichtet, um nicht als Täterin dazustehen. Wie krank ist das denn? Warum ist Fay dann noch hier? Oder besser gesagt überhaupt hergekommen? 

»Jul?«, ein zaghaftes Flüstern dringt zu mir. 

»Hm?« 

»Was ist mit dir?« 

Wie kann sie nur so gut sein? Warum entschuldigt sie sich eigentlich die ganze Zeit bei mir? Das ist nicht richtig. 

Ich springe auf, kann ihr meine dichte Anwesenheit nicht länger antun. Was bin ich nur für ein Monstrum? Ich kann nicht mehr stillhalten, was gibt es da noch zu sagen?! Doch bevor sie noch mich beschwichtigen will ... Nein, das geht einfach nicht. 

»Was los ist? Ich habe anscheinend etwas Schlimmes getan. Und dann weiß ich es nicht mal mehr, außer, dass ich nächsten Morgen aufgewacht bin ... in einem Bett voller Blut mit Erinnerungen an dich voller Blut ... Was alles so grausam für mich war. Aber ... Und nun ... stellt sich heraus, dass ICH ein schlechter Mensch bin und dann bedränge ich dich auch noch.« 

Was habe ich nur getan? Von wem ist dieses Blut? Wie kam es nur dazu? Verdammte Kacke ... Und Fay, oh nein, kein Wunder ... 

»Jul ... Jul. JUL!« 

»Ja?« 

»So ... So ist es nicht ...« 

Warum grinst sie denn jetzt? Habe ich schon wieder irgendetwas verpasst? 

Was hat sie gerade gesagt? So ist es nicht? Was ist nicht so? Warum kann ich nicht einmal einfach beim Gespräch bleiben? 

»Sorry, Fay ... Was meintest du gerade?« 

»So ist es ... nicht gewesen.« 

»Was jetzt genau?« 

»Es war ... ganz anders. Völlig anders. Ich hätte ... Das tut mir alles so leid. Ich hätte ehrlich sein sollen. Zumindest es ... versuchen müssen. Wenigstens ... danach ... Aber ...« 

Ben kommt mir in den Sinn. 'Male dir nicht immer irgendwelche Horrorszenarien aus, wenn du nicht alles weißt' ... So oder so ähnlich sagte er es und ja ... Er hat recht. Fuck. Ach nein. Mist. Doppelt Mist. 

»Bitte Fay, dann sag es mir, bitte.« 

Fay betrachtet mich länger, als würde sie abwägen, was sie tun sollte. Wahrheit oder nicht, wie viel oder wenig. Alles oder nichts. Ich versuche in ihrem Blick irgendetwas herauszulesen, doch das gelingt mir nicht. 

Was steckt nur dahinter? 

Langsam greift sie in ihre Hosentasche und holt etwas heraus. Fest und zitternd befindet es sich in ihrer Hand ... Ich merke, wie sie es mir reichen will ... Meine Blicke sind auf ihre Hand gerichtet, doch ich warte. Ihre Hand öffnet sich zaghaft und flüsternd verrät sie mir, dass dies der erste Brief war, dass es das ist, was sie mir zuerst geschrieben habe, als sie mir den anderen Brief unter der Tür zugeschoben hatte. 

Derweil ich den völlig zerknitterten Zettel entfalte, versuche ich mich emotional auf seinen Inhalt vorzubereiten, auch wenn ich keine Ahnung habe, was ich wahrscheinlich gleich Furchtbares zu lesen bekomme. 

Dann starre ich auf das Papier, was von dem Stift halb massakriert wurde und versuche die Wörter in mir aufzunehmen. 

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