Kapitel 7

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„Ich kann nicht glauben, wie schnell die Zeit vergangen ist", seufzt meine Schwester theatralisch auf. Ich sehe sie von der Seite her an, konzentriere mich aber lieber auf meinen Toast als auf ihre Worte.
„Ich auch nicht", stimmt Liz ihr zu. „Es war so schön, gerade gestern Abend!"
Am liebsten würde ich laut loslachen, als ich das höre. Gestern Abend war schön? Klar.

Es war schön, als ich Noah zugehört habe.

Es war schön, als er mich auf einen Drink eingeladen hat.

Es war definitiv nicht schön, als Judah mich weggezogen hat.

Ich weiß immernoch nicht, warum er das eigentlich getan hat. Liz und Jada wollten schließlich danach noch gar nicht nach Hause, sondern lediglich in eine andere Bar. Ich hätte also locker bei Noah bleiben können, wer weiß, was dann noch passiert wäre.
Aber jetzt?
Jetzt habe ich seine Nummer in meiner Hosentasche und weiß nicht, ob ich mich je überwinden kann, ihn anzurufen. Gottseidank will Alexis heute vorbeikommen, er weiß hoffentlich, was zu tun ist.

Judah zieht meine Aufmerksamkeit auf sich, indem er schweigend vom Tisch aufsteht.
Soll ich ihm hinterhergehen?
Kurz bin ich versucht es zu tun, um ihn zur Rede zu stellen, denn sein Verhalten gestern war selbst für die kurze Zeit, in der ich ihn kenne, äußerst ungewöhnlich.
Aber schnell verwerfe ich den Gedanken wieder.
Nein, ich halte mich so gut es geht von ihm fern, wenn möglich für immer.
Stattdessen bleibe ich also lieber sitzen, beobachte aus den Augenwinkeln, wie Judah den Raum verlässt.

Ausnahmsweise scheint nicht nur mir sein seltsames Verhalten aufgefallen zu sein.
„Was ist denn mit Judah los?", fragt Jada verwirrt und sieht neugierig zu Liz.
Die sieht allerdings genauso irritiert aus und zuckt mit den Schultern.
„Ich weiß es nicht", gibt sie ehrlich zu. „Er verhält sich seit gestern Abend schon so komisch, aber warum? Keine Ahnung."
Liz und Jada beginnen eine leise Unterhaltung, haben offensichtlich kein Interesse an meinen Gedanken, weswegen ich möglichst schnell verschwinde, sobald ich fertig mit frühstücken bin.
Es dauert eine ganze Weile, bis Liz und Judah endlich alles zusammengepackt haben. Dad ist inzwischen schon arbeiten; Mom und Jada sind auch nur da, weil beide zufällig heute frei haben und werden beide so bald wie möglich zum Alltag zurückkehren.

Ich beobachte Judah genau, während er seine und Liz' Sachen zu seinem Auto trägt und sie dann einlädt. Ich weiß nicht mal, ob er mich wahrnimmt, wenn er an mir vorbeigeht, und so wie ich an der Wand lehne bin ich nun wirklich nicht zu übersehen.
Seit gestern Abend verhält er sich mir gegenüber wirklich seltsam und das hat etwas zu bedeuten, selbst nach dem Kuss hat er noch mit sich reden lassen.
Ich werde aus meinen Gedanken gerissen, als Jada plötzlich ihre Arme um meinen Hals schlingt und mich von hinten in eine Umarmung zwängt.

Ich muss auflachen und versuche, mich rauszuwinden, aber ihr Griff ist stahlhart.
„Jada!", rufe ich stattessen und höre nur ein Lachen von ihr. „Manchmal frage ich mich echt, wer von uns der Jüngere ist", stelle ich dann mit einem Grinsen fest und seufze übertrieben erleichtert auf, als sie endlich wieder von mir ablässt.
„Haha, ich sicherlich nicht", gibt sie nur zurück, bevor sie etwas ernster wird. „Sag mal Adriel, kann ich dich vielleicht kurz sprechen, wenn die Beiden weg sind?", fragt sie und ich bin überrascht, weil ihr Ton so ernst ist.
Also nicke ich und beobachte dann, wie meine Schwester zu Liz läuft und mit ihr scherzt, als wäre gerade nichts gewesen.

„Also, was ist los? Ist was passiert?", frage ich wenig später.
Die Verabschiedung von Liz und Judah war keine große Sache mehr, ich habe weder sie noch ihn umarmt und stand nur dumm daneben.
Irgendwie bin ich etwas enttäuscht. Ich hatte mir erhofft, dieses seltsame Verhältnis zu Judah doch irgendwie aufzuklären, aber das hat nicht wie geplant funktioniert.
Er hat mich weiterhin ignoriert, ist in sein Auto gestiegen und zusammen mit Liz davongefahren.
Ich habe das Wochenende mit meinen Verwandten also tatsächlich überlebt.

My cousin's fiancéWo Geschichten leben. Entdecke jetzt