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Zu unaufrichtigAus Reflex erwidere ich den sanften Druck seiner Lippen. Was soll man auch sonst tun, wenn man geküsst wird? Wegschubsen und den schönen Moment ruinieren wäre ziemlich blöd. Einen Kuss sollte man nicht einfach verschwenden. Wenn man denjenigen nicht leiden kann, dann sollte man natürlich hart zuschlagen, aber bei Inho ist das definitiv nicht der Fall. Ihn hab ich eigentlich echt gern. Und seine Lippen sind so weich...
Als er sich von mir löst, wird mir klar, dass es für ihn nicht einfach nur ein Küsschen unter Freunden war, zum Dank oder was auch immer. Dafür war es zu zärtlich und zu lang. Er lächelt mich an und seine Augen strahlen vor Glück. Mein Magen zieht sich unangenehm zusammen. Was habe ich nur angerichtet?
"Ich hätte nie gedacht, dass es so einfach ist... ich hätte dich viel eher küssen sollen", sagt er leise und schmiegt sich dann an mich. Haha. Einfach. Seine Hand ruht auf meiner Brust, in deren Inneren mein Herz angefangen hat heftig zu stolpern und zu rasen.
"Hihi... du hast ja doll Herzklopfen, wie süß! Geht mir aber genauso", haucht er und freut sich. Hahaha, jaaa...
Hilflos halte ich ihn weiterhin fest. Das läuft hier gerade fürchterlich schief. Gedanklich gehe ich unser ganzes Gespräch durch. Offensichtlich hat Inho in meine Worte etwas reininterpretiert, das gar nicht da war, und sieht es durch den Kuss bestätigt. Was mach denn jetzt? Ich kann ihm auf keinen Fall sagen, dass er die Situation falsch verstanden hat. Das würde ihn nur todunglücklich machen. Aber kann ich jetzt einfach hier mit ihm sitzen und so tun, als ob die Welt in Ordnung wäre?
Ja. Definitiv. So niedlich wie er mich anlächelt, als er den Blick hebt, kann ich jetzt auf keinen Fall irgendetwas sagen. Für den Moment lasse ich ihn in dem Glauben, dass alles gut sei. Wir sollten das besser in Ruhe zu Hause klären und nicht jetzt, nachdem er gerade erst bitterlich geweint hat. Außerdem ist ein öffentlicher Rummel sowieso der völlig falsche Ort dafür.
Langsam reckt er sich mir entgegen, schließt die Augen und öffnet leicht seinen schönen vollen Mund. "Du schaffst das", spreche ich mir innerlich Mut zu. Wir haben ja gerade eben schon geküsst, was ist schon einmal mehr?
Zärtlich verbinden sich unsere Lippen. Sein Mund bewegt sich leicht und ich mache einfach mit. Zunächst küssen wir uns nur vorsichtig, doch Inho gewinnt an Mut und wird stürmischer. Er dreht sich auf meinem Schoß, während er mich intensiv küsst, bis er rittlings auf mir sitzt und sich nah an mich presst. Meine Hände klammern sich an seinen Rücken, weil ich nicht weiß, wo ich sonst damit hin soll. Seinen Körper unter meinen Fingern zu spüren ist ein sehr intimes Gefühl, ganz zu schweigen von seinen Lippen, die mich gerade schwindelig machen...
Keuchend löst er sich schließlich. "Wow. Das war toll!", haucht er und bettet seinen Kopf auf meiner Schulter. "Ja", bestätige ich. Das ist nicht einmal gelogen. Kann mich nicht erinnern, dass küssen sich immer so wahnsinnig gut anfühlt. Bis auf das komische Ziehen im Magen, das durch mein schlechtes Gewissen ausgelöst wird, war es wirklich toll. Ich fühle mich richtig schlecht dabei, seine Lippen so zu genießen.
"Ich hab es mir sehr schlimm ausgemalt, wie es wäre, es dir zu sagen... deshalb hatte ich so schreckliche Angst davor!", vertraut er mir an und umarmt mich ganz fest. Ich tätschele ihm den Rücken. "Dass es ausgerechnet so ausgeht, hätte ich mir nicht zu träumen gewagt!" Ja, hätte ich auch nie erwartet. Kurz kuschelt Inho noch mit mir, eh er aufsteht und seine Hand ausstreckt, um mir aufzuhelfen. "Wir sollten langsam zurückgehen, oder?"
"Sollten wir wohl."
Verlegen stehen wir voreinander, nachdem wir uns den Dreck des staubigen Bodens von den Hosen geklopft haben. Inhos Wangen sind leicht gerötet. "Ähm... können wir Händchen halten?", fragt er schüchtern, was sonst nicht seine Art ist. Aber das alles ist wohl sehr überwältigend für ihn, ähnlich wie für mich, nur aus anderen Gründen. Er ist so süß und aufrichtig. Kaum zu fassen, dass ich fähig bin ihm so etwas Furchtbares anzutun, ohne mit der Wimper zu zucken!
"Klar." Ich kann ihm das unmöglich abschlagen, halte ihm meine Hand hin und ziehe ihn mit mir, sobald er seine Fingerchen in meine schiebt. Sie sind so warm. Wie soll ich es nur schaffen ihm das Herz zu brechen, wenn ich nicht einmal so eine simple Geste ablehnen kann?
Die anderen sind schon fast fertig mit essen. "Wo wart ihr denn so lange?", fragt Sunghyun, nachdem er seinen letzten Bissen runtergeschluckt hat und nun unauffällig Jiahn eine Pommes klaut. "Wir haben euch was aufgehoben, aber wir können gern noch mehr holen. Ihr esst ja beide gern."
"Danke, Leute." Ich lasse Inhos Hand los und ziehe unser Essen näher heran. Leider können wir nicht ungestört anfangen, da die anderen uns erwartungsvoll anschauen. Unsicher schaut Inho auf seine Portion und dann auf mich. "Willst du es ihnen schon sagen?", fragt er leise.
"Keine Ahnung. Wann immer du bereit bist." Meine Hoffnung, dass er niemandem etwas erzählt, schwindet dahin, als er strahlend nickt. Anscheinend nimmt er meine Aussage als Aufforderung, eine kleine Rede zu halten.
"Also... zunächst einmal entschuldigt bitte, dass ich so mies drauf war und es an euch ausgelassen habe, das tut mir sehr leid." Die anderen nicken und sagen Dinge wie: "Schon gut, aber nun raus mit der Sprache."
"Hyunuk und ich sind jetzt zusammen. Also. Ähm, ich weiß gar nicht, sind wir das? Ich habe gar nicht gefragt... Aber wir haben uns so innig geküsst, und da dachte ich... oje..." Er wird immer leiser und blickt mich voller Unsicherheit an.
Ich kann nicht anders. Zwar schaufele ich mich damit immer tiefer in den Mist, aber ich kann ja jetzt schlecht nein sagen, wenn er mich mit diesem Blick ansieht. Oder doch? "Wollen wir das zu Hause in Ruhe klären?", schlage ich vor, da ich es wirklich nicht vor den anderen diskutieren möchte. Inhos Blick wird noch unsicherer, doch er setzt zu einem zögerlichen Nicken an.
"Warum nicht jetzt?", mischt sich Jiahn ein. Unhöflicherweise ignoriere ich ihn und schaue ihn nicht einmal an, um mich nicht zu verraten. Leise wende ich mich an den Rothaarigen neben mir: "Inho. Ich würde gern erstmal mit dir ausgehen. Und den Rest besprechen wir später unter uns."
Sein Gesicht erhellt sich. "Ja? Wirklich?"
"Ja." Meine Antwort scheint ihn zufrieden zu stellen. Innerlich klopfe ich mir auf die Schulter für diese gute Idee. Ein Date mit ihm ist doch perfekt, um Zeit mit ihm alleine zu verbringen und herauszufinden, ob ich ihm gerecht werden kann – oder ob ich doch das Arschloch bin, für das ich mich gerade halte. Man spielt nicht mit Gefühlen. Man spielt auch keine Gefühle vor, das ist verdammt mies und unfair.
Aber er macht sich ja nicht einmal nur Hoffnungen, die ich nicht erfüllen kann, sondern ist felsenfest davon überzeugt, dass ich ihn ebenfalls liebe. Ich würde sein Herz nicht nur brechen, ich würde es förmlich zerschmettern und auch noch drauf herumtrampeln. Ob ich ihn wohl so lieben könnte, wie er es verdient hat, wenn ich es mir fest genug vornehme?
Er meinte vorhin, dass er nicht weiß, was er machen soll. Dass er sich niemandem anvertrauen will, weil ihm in der Situation keiner helfen kann. Jetzt geht es mir so. Doch immerhin ist er jetzt glücklich. Ich will ihn nie wieder so traurig machen, auf keinen Fall.
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Zu blöd zum Verlieben - Hyunho FF
FanfictionEigentlich will Hyunuk seinen guten Freund nur ein wenig aufmuntern. Dass er der Grund für den ganzen Kummer ist, hätte er nie geahnt - und was das in ihm auslöst erst recht nicht. Wenn er nur mal von selbst darauf kommen würde, was mit ihm los ist...