Schritt 2

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TIEFE DUNKELHEIT
Es ist dunkel, alles um mich herum ist dunkel und schwarz, Ich sehe die Hand vor Augen nicht.
Ich fühle mich allein, am Tag meiner Geburt, der Tag im Jahr, der für jeden Freude und spaß heißt. Jedes Jahr das gleiche. Ich kann diese Gefühl nur schwer erklären, es ist ein Gefühl von Trauer. Mein Körper wird eiskalt, mein Herz schwer wie Blei und meine Gedanken schwarz. Es ist immer dieses Bild das mir vor den Augen erscheint. Es überkommt mir ein Gefühl von Kälte, so als würde eine Kalte Krankenhaus decke auf meinem Bauch liegen. Und ich an meinen Armen und Beinen gefesselt am Bett hänge, als würden mir qualvolle schmerzen zugefügt, als würde ich laut aufschreien und an den fesseln zerren und ziehen, wie ein Geisteskranker. Das Gefühl nicht genug zu sein. Es ist immer da. Immer.
Wer weiss, was aus uns geworden wäre, wenn wir Nicht verloren wären - uns nicht verloren hätten....

SCHMETTERLING
Ich bin so unglaublich wütend.

Ich habe gesagt, ich würde niemanden mehr so nah an mich ranlassen. Niemanden, und besonders nicht dich.
Und nun - nach Wochen, fast Monaten des Verdrängens - hatte ich es fast komplett geschafft mich zu lösen. Ich habe es geschafft mir meine Mauer zu bauen, ich habe es geschafft.
Die Schmetterlinge sind gestorben.
Und du? Du brauchtest eine Woche, ein paar viel zu schöne Worte, und 2 Umarmungen.
Und schon fingen sie wieder an zu atmen.
Wenn auch noch schwer und nur wenige, ich merke wie sie langsam wieder erwachen.
Aber was ist das schon Besonderes an diesen grauen Apriltagen, an denen der Himmel voller Wolken hängt, und der Regen einfach nicht aufhören will, zu fallen?

Es ist noch nicht die Liebe, vor der wir alle Angst haben. Noch lange nicht.
Aber ich werde auch nicht zulassen, dass es Liebe wird.
Ich habe gesehen, was einseite Liebe auslöst, und unsere Freundschaft möchte ich ganz bestimmt nicht aufs Spiel setzen.
Dafür bist du mir viel zu wichtig.

Egal wie harmlos sie noch sind, die Schmetterlinge werden wieder sterben, undzwar so, dass man sie nicht wieder zum Leben erwecken kann, egal wie stark man es versucht.
Das verspreche ich dir.

ch habe die Unart, an dich zu denken, jeden Tag.
Es ist nichts weiter als eine Marotte, eine alte Angewohnheit, verschleppt aus der Zeit vor dem letzten Winter. Es ist auch nicht so, dass es wirklich schmerzen würde - es sind vielmehr diffuse Erinnerungsfetzen, Vorstellungen und das Gefühl ab und an mit deinen Augen meine Welt zu beurteilen. Was mir, nebenbei bemerkt, erschreckend amüsant erscheint.
"Menschen gehen", hat er einmal zu mir gesagt, "Und jedes Mal geht ein kleines Stückchen von uns mit ihnen."
Ich glaube nicht, dass das stimmt. Ich glaube, die Menschen hinterlassen etwas, wenn sie sich dazu entscheiden, einem den Rücken zuzukehren. Manchmal ist es nichts greifbares, sowas wie der Duft eines bestimmten Parfums der zu verfliegen droht, oder eine Ahnung von Vanilletee auf den Lippen.
Manchmal aber hinterlassen sie ganz reale Dinge, Gegenstände, Erinnerungen, Worte. Doch vor allem hinterlassen sie Löcher in der Herzwand. Sie hinterlassen Fragen, die nie beantwortet werden und Schmerzen, die immer wieder aufbrennen, wenn man zurückdenkt.
Ich frage mich von Zeit zu Zeit, wann das endet. Ob es überhaupt ein Ende gibt, ein Verfallsdatum für ausgebrannte Zuneigung.
Vielleicht werde ich dich irgendwann komplett vergessen haben. Doch bis dahin werde ich weiterhin jeden Tag an dich denken - und an die Zeit vor dem letzten Winter.

LAUTE GEDANKEN
Manchmal ist der richtige Weg
auch der schmerzhafteste,
denn das Herz ist noch mit dem Groll
und den Verletzungen beschäftigt,
obwohl der Verstand längst weiß,
dass es an der Zeit ist
loszulassen
und dem anderen
die Hand zu reichen
Eines Nachts habe ich heimlich meinen Keller von all den Leichen ausgemistet und sie auf der nächstbesten Wiese vergraben, damit der Schnee sie bedeckt und irgendwann wieder Gras darüber wächst.
Doch ihre Geister verfolgten mich.
Sie wurden zu den Schatten in der Nacht und wandten meine Träume ins Dunkel. Im Winter hinterließen sie mit eisigem Atem Eisblumen in Form ihrer Gesichter an meinen Fenstern. Im Frühling, im Sommer, im Herbst ebenfalls, als hätte es nur noch eine Saison gegeben und zu jeder Zeit schwammen sie oben auf, wenn ich mich im Alkohol versuchte zu ertränken. Und aus nackter Angst klammerte ich mich wieder an sie als meinen Rettungsanker.
Die Leichen aus meinem Keller waren schon längst zu Skeletten geworden. Maden haben sich in ihren Augenhöhlen eingenistet und zehrten von den letzten Überresten, aber an der Stelle, an der ich sie vergrub, wuchs kein Gras und es schien, als würden sie nur sterben, wenn der erste Schnee über meine letzte Ruhestätte zöge.
Doch ich habe sie eines Nachts heimlich wieder ausgegraben.
Viel beschwerlicher als beim Vergraben stieß meine Schaufel durch den Schnee und den gefrorenen Boden, doch ich habe sie alle wieder in meinen Keller gebracht. Ich blieb bei ihnen, voll von Angst und Abscheu und habe ihren Geschichten gelauscht.
Ich habe gelacht.
Ich habe geweint.
Ich habe mir die Ohren zugehalten.
Ich habe geschrien.
Ich habe mich in der kleinsten Ecke meines Kellers zusammengekauert und wollte nicht mehr zuhören, doch sie redeten weiter und weiter.
Und irgendwann. Irgendwann konnte ich die Leichen aus meinem Keller in die Arme schließen,
wo sie letztlich
zu Asche zerfielen.
Leichen, tote Körper, die im grunde nur meine eigenen Fehler waren, Fehler, die mich verfolgten, wie schatten der Dunkelheit, wie verlorene Seelen.

Wenn meine Seele erkrankt und mein Körper zum feind wird...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt