Kapitel 25

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Meine Finger zittern als ich das kühle Tuch mir auf das Gesicht lege. Ich zucke kurz vor der plötzlichen kälte zurück, aber Jesper legt seine Hand auf meine. Als er sieht das ich sie nicht wieder wegnehmen werde, lässt er sie los und kümmert sich wieder um meine aufgeschrammten Knie.

Während ich vor ihm sitze, mit zerrissener und blutbefleckter Kleidung, mustere ich ihn. Auch er hat Makel davongetragen. Getrocknetes Blut klebt ihm an der Schläfe, seine Lippen ist aufgerissen und um seinen Mund herum herrscht ein so grimmiger Gesichtsausdruck, dass ich mich frage, ob er festgefroren ist.

Er kniet vor mir und nimmt gerade ein Stück von einem zerrissenen Oberteil und lässt braun glänzende Flüssigkeit darüber fließen. Sofort steigt der Geruch nach altem Whiskey in meine Nase.

Als er das Tuch ohne Vorwarnung auf eins meiner Knie drückt, greife ich automatisch nach seiner Hand. Es brennt fürchterlich.

Jesper hebt den Kopf und schaut unter zerzausten Haaren und stürmigen Blick zu mir hoch. Seine blauen Augen nehmen mich für mehrere Sekunden in Besitz. Dann lasse ich langsam meine Hand von seiner gleiten und der Bann ist gebrochen. Jesper senkt den Blick und kümmert sich wieder um die Verarztung meiner Wunden.

Seit wir vor über einer halben Stunde hier, in einer Kajüte, angekommen sind, haben wir nicht viel miteinander geredet. Jesper hat mir bloß ein Hemd, das nach ihm riecht, gereicht und ich habe es, ohne zu murren übergezogen. Mein altes habe ich in eine Ecke geschmissen.

Ihn selbst haben seine Wunden nicht gekümmert. Er versucht es zu verstecken, aber ich sehe jedes Mal wie er zusammenzuckt, wenn er sich zu weit nach links dreht. Ein dunkler Fleck hat sich auf der Seite ausgebreitet aber als ich gefragt habe ob alles gut ist, hat er nur gebrummt.

Ich räuspere mich irgendwann, als ich meiner Stimme wieder traue, und frage: "Was...was genau ist passiert?" Kurz verharrt Jesper an meinem zweiten Knie, dann schüttelt er kaum merklich den Kopf und lässt wieder neue Flüssigkeit auf das Tuch tropfen.

"Wir haben gekämpft und gewonnen. Keiner ist dabei von unserer Seite umgekommen. Wir haben das andere Schiff unter gehen lassen und die Beute auf unseres verlagert. Ich wollte schon früher runterkommen, aber ich wurde aufgehalten. Es tut mir leid." Die letzten Worte kommen nur noch gehaucht aus seinem Mund.

Ich reiße die Augen auf und halte seine Hand auf als er gerade wieder das Tuch an mein Knie drücken möchte. Er schaut zu mir auf. "Es war nicht deine Schuld." sage ich mit fester Stimme. Meine Stimme hat einen leicht rauen Unterton vom vielen weinen, trotzdem klingt sie jetzt fest. "Rose..." fängt er an mir zu widersprechen. "Hast du den Mann gesagt er soll in dein Zimmer gehen?" "Nein natürlich nicht." kommt prompt seine Antwort.

"Dann ist es auch nicht deine Schuld." sage ich schlicht. "Wenn du das sagts." brummt er und als ich den Mund öffne, um darauf was zu sagen drückt er bloß das kalte Tuch gegen mein wundes Knie. Ich ziehe zischend die Luft ein und erkenne, wie der Mundwinkel von Jesper kurz nach oben zuckt. Mistkerl.

Als er meine beiden Knie gesäubert hat stemmt er sich hoch. "Fertig." "Danke." Ich erhebe mich ebenfalls von dem Bett, auf dem ich gesessen habe. "Jetzt lass mich dich verarzten." sage ich und greife bereits an sein Shirt. Sobald ich es berühre, zuckt er zischend zurück. "Passt schon." will er mich abweisen und dreht sich um.

Mein Blick fällt auf meine Finger. Sie sind blutrot. "Jesper!" keuche ich erschrocken und gehe ihm hinterher. In der engen Kajüte ist nicht viel Platz, weshalb ich ihn schnell einhole und festhalte. "Du blutest, lass mich dich verarzten." bitte ich ihn.

"Das brauchst du nicht. Ich werde das nur sauber machen, dann hat sich das erledigt." Er schaut zu mir runter. "Außerdem solltest du dich ausruhen. Leg dich hin" Er nickt zu eins der Betten. Ich schüttle verhärmt den Kopf. "Erst wenn ich deine Verletzung gesehen habe." Ich verschränke die Arme vor der Brust und schaue herausfordernd zu ihm hoch.

Er verdreht genervt die Augen. "Aber nicht hier. Hier ist es zu eng." Er nimmt mein Handgelenk und führt mich hinter sich raus aus der kleinen Kajüte in den Flur.

Hier ist keiner zu sehen und Jesper geht weiter in Richtung seines Zimmers. Als ich die kaputte Tür zu sehen bekomme beginnt mein Herz ein wenig schneller zu klopfen. Doch statt in sein Zimmer zu gehen, führt er mich zu einer weiteren Tür die nebendran ist. Er stößt sie auf und zieht mich hinein.

Der Raum, in dem wir uns befinden ist nicht viel größer als die Kajüte von eben aber wesentlich geräumiger. Wir befinden uns in einem Badezimmer. Mit Plumpsklo, einer Waschwanne und einem Waschbecken. Es ist der reinste Luxus im Vergleich zu den Plumpsklos die wird benutzen.

Ich schließe dir Tür hinter mir und beobachte, wie Jesper eine Holzkiste aus der Ecke holt und sie hochkant auf den Boden stellt. Dann dreht er sich zu mir herum. Seine Augen ruhen auf meinen, während er langsam nach dem Saum seines Oberteils greift und es sich langsam über den Kopf zieht.

Mein Hals wird trocken, obwohl ich so dringend schlucken muss. Ich habe noch nicht viele Männer oberkörperfrei gesehen. Selbst meinen Vater habe ich nur einmal ohne Oberteil gesehen. Carl hingegen habe ich öfter oben ohne gesehen. Ihm gab es glaube ich eine Art Befriedigung mich in unangenehme Situationen zu bringen. Aber selbst ihn kann ich nicht vergleichen mit Jespers nackter Brust. Er hat eine gebräunte Haut und einen streifen Haare, die unter seiner Hose verschwinden. Trotzdem sticht mir die blutende Verletzung an seiner linken Seite ins Auge und ich ziehe scharf die Luft ein. Sie geht tiefer als ein leichter Streifschnitt.

Meine Augen wandern von der roten Verletzung weiter über seine Brust. Sie ist bedeckt von vielem, unterschiedlich großen Narben und ich erahne das so eine Verletzung für Jesper nichts Besonderes mehr ist.

"Du starrst." flüstert Jesper mit belustigter Stimme und mein Kopf zuckt hoch. Wärme breitet sich in mir aus. "Hinsetzen." befehle ich, ohne ihn anzusehen. "Der Alkohol und die Tücher befinden sich unter dem Waschbecken." Ich höre das Grinsen aus seiner Stimme heraus.

Ich hole all meine Utensilien zusammen und stelle mich vor Jesper hin. Er öffnet automatisch die Beine und dreht seinen Oberkörper so, dass ich gut an die Verletzung drankomme.

Nervosität überfällt mich mit einem Mal und ich konzentriere mich den Alkohol auf den Lappen zu schütten. Sofort verbreitet sich der markante Duft im kleinen Raum. Allein von einatmen könnte ich schon betrunken werden. Obwohl ich mehr vertrage als es die meisten Leute glauben würden. Es gab Zeiten da war Wein mein liebster und treuester Begleiter.

Ich trete an Jesper heran und muss automatisch zwischen seine Beine treten, um an seine Wunde unterhalb seiner Brust dran zu kommen. Jespers Hände, die vorher noch auf seinen Oberschenkeln lagen legen sich jetzt um meine Hüften. Mir stockt kurz der Atem und ich verharre kurz in der Position.

"Sorry." murmelt Jesper und zieht seine Hände weg. "Nein." entkommt es meinen Lippen viel zu schnell. "Schon gut." sage ich und nehme den nassen Lappen fester in die Hand. Zögernd legen sich Jespers Hände wieder auf meine Hüften.

Mit einer Hand stütze ich mich auf seine warme, feste Schulter während ich mit der anderen seine Wunde zu reinigen beginne.

Ein kribbeln, wie von tausenden Ameisen, fährt durch meinen Körper und lässt mich jede noch so kleine Veränderung von Jesper merken.

Mir kommt der Kuss von vorhin in den Sinn. Wie er seine Lippen auf meine gedrückt hat und mich mit voller Inbrunst geküsst hat. Wie meine Lippen danach gekribbelt haben und ich mich nach so viel mehr gesehnt habe. Mein Blick wandert zu seinem Gesicht, dann zu seinen Lippen. Er hat schöne Lippen. Küssens werte Lippen.

Sofort schüttle ich den Kopf über mich selbst und konzentriere mich wieder auf das Reinigen seiner Wunde.

Jesper ist gefährlich. Nicht nur für jeden der ihn angreift, sondern auch für mich und mein Herz. 

Kiss of RoseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt