Kapitel 33: Jahrgangstreffen

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Riley


Was gab es Schöneres als an einem kalten Dezembertag eine heiße Schokolade zu schlürfen? Seit ich dieses überschaubare, aber unfassbar gemütliche Café letzte Woche entdeckte, drängte ich Livia dazu mit mir hierherzukommen. An diesem Sonntag hatten wir endlich ein paar freie Stunden gefunden.

In der vorangegangenen Woche begannen meine Weihnachtsferien und wir verbrachten jede freie Minute mit unserem Umzug. Seit Anfang des Monats war Livia nämlich stolze Besitzerin einer geräumigen Eigentumswohnung.

„Ich will nie wieder umziehen. Das nervt", beschwerte sich Livia. Sie war die letzten eineinhalb Jahre drei Mal umgezogen. Kein Wunder, dass sie so langsam die Nase voll davon hatte.

„Viel ist es ja nicht mehr", beschwichtigte ich meine Freundin. Die Möbel waren bereits alle aufgebaut und circa die Hälfte der Umzugskartons ausgeräumt. Bei der anderen Hälfte handelte es sich bloß noch um Livias monströse Büchersammlung.

Einige Zeit lang beobachtete ich die wunderschöne Frau, die mir gegenübersaß. Ich verdammter Glückspilz. Grummelig nippte Livia an ihrem Kaffee, an dem sie sich vor zwei Minuten noch die Zunge verbrannte. Wenn man aber von dieser Unannehmlichkeit absah, die ihre Laune in diesem Augenblick drückte, schien sie allgemein betrachtet viel glücklicher.

Es waren kleinen, unscheinbaren Veränderungen, die mir in letzter Zeit immer öfter auffielen. Zum Beispiel, wie sie minutenlang von ihrer Arbeit erzählte, ohne sich über eine Situation negativ auszulassen. Oder die neugefundene Zwanglosigkeit ihres Styles. Früher saß alles perfekt, heute durfte auch mal eine Haarsträhne straffrei aus ihrem Dutt heraushängen.

„Du träumst schon wieder", bemerkte Livia, die mit ihrer Beobachtung voll ins Schwarze traf. Ich war tatsächlich abgeschweift.

„Sorry."

„An was hast du gedacht?"

„Nur daran wie perfekt alles ist."

„Wohl kaum. Unsere Getränke sind viel zu heiß." Sie wird immer was zu beanstanden haben. Das stand außer Frage.

„Das ist meckern auf hohem Niveau."

„Es ist berechtigte Kritik. Die verkaufen hier nichts bis auf ein paar Heißgetränke. Da könnte man doch meinen, die würden zumindest das zufriedenstellend hinbekommen", diskutierte Livia weiter. Mochte sein, dass der Kaffee die Gefahr barg sich die Zunge zu verbrennen, aber das war auch schon das einzige Manko.

Gerade optisch überzeugte das Café. Das rustikale, in Brauntönen gehaltene Innenleben des Raumes, wirkte auf den ersten Blick wunderbar vertraut. Ein so schönes Ambiente hatte ich selten erlebt. Und ich war offensichtlich nicht die Einzige, die angetan von dem Café war. Die wenigen Plätze, die es gab, waren allesamt besetzt.

„Gib wenigstens zu, dass dein Kaffee verdammt gut schmeckt." Ich wette nämlich das tat er. Meine heiße Schokolade zumindest war vorzüglich.

„Ein andermal vielleicht", gab Livia hochnäsig von sich. Unverbesserlich diese Frau.

Meine Aufmerksamkeit wanderte auf das, was sich auf den Straßen vor dem Café abspielte. Auch Livia, die mit dem Rücken zur großen Fensterfront saß, drehte sich wegen des plötzlichen Lärms um. Es fuhr ein weißer Audi vorbei, an dem lautscheppernde Dosen befestigt waren. Darin saß ein überglückliches Brautpaar. Es gab also auch Menschen, die sich kurz vor Weihnachten trauen lassen. Faszinierend.

„Wirklich lächerlich. Diese ganzen Feierlichkeiten für ein einfaches Stück Papier, das man unterschreibt", lästerte Livia. Hätte mich auch gewundert, wenn sie eine positive Einstellung zum Heiraten an den Tag legen würde.

Gedichte einer LehrerinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt