Kapitel 11

65 6 0
                                        

BRUNO

Ich sah mich grinsend um. Wie gut es sich anfühlte, dass alle Angst vor mir hatten! Eltern drückten ihre Kinder schützend an sich und Mamá schob Bianca, Julieta und Pepa hinter sich, aber das würde ihr nicht viel bringen. Ich wollte nichts von meinen Schwestern, mein Ziel war größer und wichtiger. Ich lief zur Treppe und obwohl Casita versuchte mich herunterzuschubsen, hielt ich mich eisern am Geländer fest und erklomm mühsam die Stufen in den ersten Stock. Definitiv nicht mein bester Auftritt, aber egal.
"Bruno Madrigal, du bleibst sofort stehen!", schrie Mamá mich an, aber ich reagierte nicht. "Casita, tu doch etwas!" Unser Haus versuchte mich aufzuhalten, aber ich hatte jahrelang trainiert, gegen dieses Haus zu arbeiten, da konnte es mich wohl kaum irgendwie aufhalten! Ich kletterte auf die Empore und nahm die Kerze aus dem Fenster. Jetzt gehörte sie endlich mir. Das Wunder gehörte endlich mir. Und wenn meine Familie es zurück wollte, musste sie mich als Herrscher dieses Dorfes ausrufen. Natürlich würde sie selbst dann nicht ihre blöde Kerze zurückbekommen, ich würde sie einfach auslöschen. Ich hasste dieses Wunder! Es hatte mich einsam gemacht und nur deswegen hatte meine Familie mich verstoßen! Es verdiente es nicht, am Leben zu sein! Ich drehte mich zum Dorf um und hielt die Kerze fest in meinen Händen.
"Wenn du willst, dass ich das Wunder am Leben lasse, dann lässt du mich hier über alles herrschen, klar, Mamá? Sonst mache ich die Kerze schneller aus, als Casita etwas tun kann!", forderte ich, doch da trat Bianca vor.
"Bruno, bitte, tu das nicht! Du bist doch Teil dieses Wunders und das Wunder auch Teil von dir! Willst du wirklich einen Teil von dir selbst zerstören?", rief sie mir zu. Was versuchte sie da? Als ob ich mich davon abhalten lassen würde!
"Ja, das will ich! Dieses Wunder hat mich zerstört! Ihr alle habt mich deswegen verstoßen und mich verteufelt! Es hat nichts besseres verdient, als ausgelöscht zu werden!", schrie ich sie an.
"Hör zu, ja? Du hast doch vorhin gehört, was ich dir gesagt habe! Ich glaube nicht, dass du böse bist! Ich habe jedes Wort davon ernst gemeint! Ich glaube wirklich, dass du ein guter Mensch bist! Du bist nur so geworden, weil die anderen dich nicht verstanden haben! Und da zähle ich mich vollkommen dazu! Ich hätte früher auf dich zugehen sollen, das weiß ich jetzt! Bitte, Bruno! Ich bin mir sicher, dass wir Freunde werden können, wenn du einfach nur runterkommst und die Kerze stehen lässt!", flehte sie, aber ich lachte auf.
"Ist das dein Ernst? Du hast mich immer nur ignoriert! Wieso sollte ich irgendetwas glauben, das du sagst?!", fuhr ich sie an. Sie machte einen Schritt nach vorne.
"Weil ich weiß, dass du mich magst und du mir glauben willst! Ich weiß, ich war nicht der beste Freund zu dir, als wir Kinder waren, aber das kann sich ändern! Ich fand es toll, die letzten paar Tage Zeit mit dir zu verbringen! Ich meine, guck doch nur an, was du geschafft hast! Ich würde niemals Alkohol trinken und du hast es mit nur einem Wort geschafft, das zu ändern! Und ich würde auch nie mit Jungs ausgehen, aber mit dir war es etwas anderes! Ich hatte wirklich Spaß mit dir! Und es ist mir egal, dass du bloß eine Rolle gespielt hast! In jeder Rolle steckt ein Funken von einem selbst! Und du bist ein toller Mensch! Bitte, stell die Kerze zurück! Mir zuliebe! Wenn du mich jemals geliebt hast, dann bitte, lass das Wunder in Ruhe! Du bist wegen mir verletzt, nicht wegen dem Wunder! Also bitte, nimm mich und nicht das Wunder! Oder möchtest du mich wirklich mit DEINEM KIND alleine lassen?", erklärte sie, ich schüttelte den Kopf.
"Das sagst du bloß so!", schrie ich sie an, obwohl mir Tränen in die Augen stiegen. Ich wollte ihr glauben, unbedingt, aber ich konnte es nicht. Ja, ich wollte bei ihr und meinem Kind sein, aber ich konnte es nicht. Alle hier hassten mich und ich hasste sie, ich wollte nicht hierbleiben! Und ich hasste meine Familie und dieses Wunder! Sie hatten mich zerstört und ich wollte nur meine faire Rache!
"Nein, das tu ich nicht, ich beweise es dir!", wandte Bianca ein.
"Ach ja? Wie?", fragte ich ungläubig nach.
"Alle gehen erstmal raus! Du kannst die Kerze solange behalten, wenn du möchtest, ich werde sie dir nicht wegnehmen. Aber komm runter zu mir, sobald alle draußen sind. Zerstör nicht deinen eigenen Geburtstag und hol dir bei mir einfach dein Geschenk ab", antwortete sie und nachdem sie Mamá ernst angesehen hatte, verließ tatsächlich das ganze Dorf das Haus. Unsicher ging ich hinunter zu Bianca, hielt die Kerze aber weiterhin fest. Sie lächelte mich an, während ich einige Meter vor meinem heimlichen Schwarm stehen blieb. Wobei, so geheim war es ja nun nicht mehr. Sie wusste immerhin davon. Und sie würde mein Baby bekommen. "Danke, Bruno."
"Was willst du?", fragte ich, doch meine Stimme zitterte leicht.
"Nur mit dir reden. Du musst auch nichts sagen, wenn du nicht willst. Ich finde es nur beeindruckend, dass du so viel getan hast, um Rache zu bekommen, ohne etwas Illegales zu tun. So wie es aussieht, haben wir zwar miteinander geschlafen, aber einvernehmlich und um ehrlich zu sein, wollte ich schon länger ein Kind. Ich möchte dir keine Schuld an allem hier geben, ja? Was kannst du denn dafür, dass das Dorf dich so gemacht hat? Du kannst nichts für das, was du siehst und das weiß ich! Ich hätte den Erwachsenen nie glauben dürfen, das weiß ich jetzt. Wir können Freunde werden, da bin ich mir sehr sicher und ich bitte dich wirklich nur um eins. Wenn du jemals auch nur irgendetwas für mich empfunden hast, dann bleib bei mir und hilf mir mit dem Kind! Es darf nicht ohne Vater aufwachsen! Bitte, tu mir den Gefallen! Du kannst alles wieder gutmachen, da bin ich mir sicher. Aber du musst jetzt damit anfangen, sonst ist es zu spät", erklärte sie. Ich wollte bei ihr sein. Ich wollte dieses Kind mit ihr haben. Aber das Dorf würde mir niemals verzeihen! Ich sah unsicher zur Seite, doch schreckte auf, als Bianca meine Hände berührte. "Ein Neuanfang, Bruno. Das schaffen wir. Gemeinsam." Ich wollte ihr glauben. Ich musste einfach. Ich seufzte und sah sie an.
"Und du verarscht mich nicht?", fragte ich unsicher nach.
"Nicht, wenn du es auch nicht tust und mir versprichst, dass wir uns zusammen darum kümmern, dich wieder ins Dorf zu integrieren. Ich verspreche dir, dass alles gut wird. Wirklich. Bitte, Bruno!" Ich wusste nicht, ob ich es konnte. Ich wollte es, ich wollte so unglaublich sehr, aber konnte ich es auch?

The evil within Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt