Kapitel 7

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„Wollen wir Samstag nach Hamburg?" Sophie schloss ihr Mathebuch und schob es mit frustrierter Miene von sich. „Was bin ich froh, wenn die erste Arbeit durch ist. Ich hab keine Lust mehr auf das ganze Lernen."

„Hamburg klingt gut." Lucan nickte zustimmend und Kathi überlegte blitzschnell. Würden Lucan und Sophie auch alleine nach Hamburg fahren, wenn sie ablehnte? Vermutlich nicht. Nein, da hatte sie eine bessere Idee.

„Klar, gerne. Ich hätte gerne ein paar neue Pullis." Sie grinste, als Lucan leise aufstöhnte.

„Hast du nicht neulich erst irgendwie fünfzig Pullis bestellt?"

„Nein. Zwei Hosen, drei T-Shirts und ein Kleid." Kathi zeigte Lucan die Zunge und Sophie lachte.

„Dann ist da noch Platz für Pullis."

„Eben." Kathi grinste. Sie würde sich mit den beiden zusammen die Fahrkarten nach Hamburg kaufen – und ihnen am Samstagmorgen einfach sagen, dass sie Kopfschmerzen hatte und nicht aus dem Bett kam. Wenn sie die Fahrkarten erst hatten, würden Sophie und Lucan den Ausflug sicher nicht ausfallen lassen.

„Wollen wir einen Film schauen? Ich brauch Ablenkung von Mathe." Sophie seufzte.

„Lasst uns spazieren gehen. Ich mag grad keine Filme mehr schauen." Lucan streckte sich. „Übersättigt oder so." Sophie zuckte nur mit den Schultern und da es nicht nebelig war, hatte Kathi auch nichts gegen einen Spaziergang.

Wenige Minuten später waren sie auf dem Weg in Richtung des Waldes. Dabei kamen sie an Rebeckas Haus vorbei und Kathi sah die weiße Katze in einem der leeren Blumenkästen sitzen. Sie wurde langsamer und beobachtete die Katze, doch die saß regungslos da. Hatte sie sich geirrt und die Katze gehörte nicht den Beckers, sondern Rebecka?

Wem sie auch gehörte, diese Begegnung bewies, dass an der Katze nichts Ungewöhnliches oder gar Unheimliches war. Sie war nicht nur bei Nebel unterwegs. Kathi hatte sie einfach sonst nicht bemerkt.

Ein Wagen hielt hinter ihr und Kathi drehte sich kurz um. Sie erkannte Sarina und winkte ihr zu, bevor sie Lucan und Sophie folgte, die bereits ein ganzes Stück vor ihr waren. Zugleich kam Nebel auf und Kathi runzelte die Stirn.

Zufall, sagte sie sich energisch und zwang sich, weiterzugehen. Doch schließlich drehte sie sich um und blickte zu Sarina zurück, die gerade einen Karton aus ihrem Wagen holte und ihn zum Haus trug. Die Katze kam ihr entgegen und der Nebel wurde dichter.

Kathi warf einen Blick zu Lucan und Sophie, die sich immer weiter entfernten, und sah dann wieder zu Sarina. Der Nebel wurde vor ihr dichter, was Kathi verwirrte. Auf der Straße war er noch ein leichter Dunst, im Garten von Rebeckas Haus war er bereits so dicht, dass sie dort kaum etwas erkennen konnte.

Sarina war auch bloß noch ein Schemen, der sich durch den Nebel bewegte. Kathi blickte erneut zu Lucan und Sophie zurück, die gar nicht zu merken schienen, dass sie nicht mehr bei ihnen war. Sie sollte eigentlich ihren Freunden folgen. Nebel war eben unbeständig, bald würde er die ganze Straße verschlucken oder aber komplett verschwunden sein. Sie verrannte sich in etwas, wenn sie glaubte, die Katze und der Nebel seien unnatürlich.

Sarina schrie und Kathi fuhr zusammen. Dann lief sie los, auch wenn ihr Herz raste und ihre Hände schweißnass wurden, als die dichte Nebelwand näher kam. Sie musste einfach nach Sarina sehen.

Dass es eine schlechte Idee war, im Nebel zu laufen, erkannte Kathi, als sie über etwas stolperte. Sie streckte die Arme vor, landete hart auf Knien und Händen und keuchte leise auf. Sofort tastete sie um sich. Im lichter werdenden Nebel erkannte sie eine Gestalt neben sich.

„Sarina?" Das musste Sarina sein, aber eine Antwort bekam sie nicht. Kathi zog ihr Handy aus der Tasche und wählte den Notruf. Der Nebel verschwand und sie erkannte, dass vor ihr tatsächlich Sarina lag. Sie blutete aus einer Wunde an der Stirn, atmete aber.

Keinen halben Meter von ihnen entfernt stand die weiße Katze. Sie betrachtete Kathi und Sarina, drehte sich dann um und stolzierte davon. Kathi sah ihr verwirrt nach und verpasste es beinahe, als sich jemand am Telefon meldete.

Das Geschehen sprudelte dann jedoch nur so aus ihr hervor und sie war froh, als die Frau am anderen Ende der Leitung versicherte, dass ein Rettungswagen bereits unterwegs war. Sarina reagierte immer noch nicht, als sie sie ansprach, aber zumindest blutete sie nicht zu stark.

„Kathi? Was ist los? Ach, du Scheiße!" Sophie und Lucan eilten zu ihr und knieten sich neben sie. „Was ist passiert?"

„Keine Ahnung. Es zog ja Nebel auf, vermutlich ist Sarina gestolpert." Kathi dachte an die Katze. War sie Sarina zwischen die Füße gelaufen? Das war natürlich möglich. Sarina hatte diesen Karton getragen, es war neblig geworden – da konnte solch ein Unfall passieren.

Doch genau dieser plötzliche Nebel machte Kathi misstrauisch. So sehr sie sich sagte, dass es bloßer Zufall war, so sehr drängte sich ihr das Bild der Katze auf, die Sarina entgegenkam, während der Nebel stärker wurde.

Die Ankunft des Rettungswagens lenkte Kathi ab. Sie trat mit Sophie und Lucan zur Seite und beobachtete die Sanitäter bei der Arbeit. Die Frage danach, was passiert war, war schnell beantwortet.

„Sie muss gestolpert sein. Ich hab es aber nicht wirklich gesehen." Dies schien den Rettungskräften zu reichen. Schnell hatten sie Sarina versorgt und in den Wagen geladen.

„Krass", murmelte Sophie, als der Wagen losfuhr. „Und das alles, weil sie gestolpert ist?"

„Muss ja." Lucan sah fragend zu Kathi. „Oder könnte jemand hier gewesen sein?"

„Ich weiß nicht. Ich habe jedenfalls niemanden gesehen. Nur die Katze."

„Nicht schon wieder die Katze." Lucan seufzte und Kathi rollte mit den Augen.

„Ich mein ja nur. Es wurde nebelig, die Katze wollte Sarina begrüßen und Sarina hat sie nicht bemerkt. Die Katze lief ihr zwischen die Füße und Sarina stolperte. Und fertig." Sie sah von Lucan zu Sophie und beide nickten zögerlich. Dass der Nebel für kurze Zeit nur auf dem Garten sehr dicht geworden war, behielt Kathi lieber für sich. Selbst wenn Lucan und Sophie ihr glaubten oder es selber bemerkt hatten, würden sie dem keine Bedeutung beimessen.

Aber es musste etwas zu bedeuten haben. Kathi sah wieder die Katze vor sich, die sie anstarrte und dann langsam davonging. Sie war Sarina so nah gewesen. Vielleicht stimmte ihre Theorie, dass Sarina bloß über die Katze gestolpert war, aber vielleicht war auch etwas gänzlich anderes geschehen.

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