Kapitel 6

42 3 0
                                    

"Du weißt genau, warum."

Dein Herz schlägt schnell, so fürchterlich, dass es sich anfühlt als ob es dir wirklich gleich aus der Brust springen würde. Der vermeintliche Polizist steigt aus dem Auto. Dein Gehirn hat mittlerweile reflexartig angefangen, deine missliche Lage zu analysieren. Dir fällt auf, dass der Polizist eine Waffe bei sich trägt. Diese war höchstwahrscheinlich echt, da er sich ohne aufzufallen unter seine "Kollegen" mischen konnte, und seine Uniform war definitiv echt. Die hast du ja nicht gerade selten während deiner Zeit mit dem Mann ohne Gesicht gesehen. Oder vielleicht war er wirklich ein ausgebildeter Polizist, der sich auf die kriminelle Seite geschlagen hatte? Vollkommen egal, was er war, du konntest es nicht riskieren so leichtgläubig zu sein, dass die Waffe gefälscht ist. Hastig siehst du dich um, doch das beste, was du finden konntest, war ein billiges Magazin welches zwischen den zwei Vordersitzen liegt. Ohne lange zu überlegen nimmst du sie und rollst sie zusammen. Du siehst aus dem Fenster. Der Polizist öffnet die Hintertür.
"Komm raus"
Mit dem Magazin hinter deinem Rücken steigst du langsam aus, deine Hände verkrampfen sich um es.
"Warum sind wir hier stehengeblieben?", fragst du. "Um nach Leafrise zu kommen, müssen wir doch einfach nur der Hauptstraße folgen."
Der Polizist schaut dich an. "Das weiß ich. Aber ist dir nicht das Auto aufgefallen, dass uns die ganze Fahrt über verfolgt hat?"
Verwirrt blickst du den Polizisten an. "Was meinen Sie?"
"Ein schwarzes Auto ist uns die ganze Zeit über gefolgt. Ich bin absichtlich in andere Straßen abgebogen, um zu sehen, ob es uns weiterhin folgen würde, und wie ich es erwartet habe, tat es das."
Überrascht senkst du deinen Arm. "Was sollen wir jetzt machen?"
"Ich habe Kollegen auf der Wache informiert. Sie werden nach dem Auto fanden und einen Zivilwagen herschicken, in dem du fahren wirst. Ich werde dann den Verfolger ablenken."
Deine Panik hat sich zwar etwas zur Ruhe gelegt, aber wirklich gut geht es dir nun auch wieder nicht.
"Aber dann sollte ich doch eher nicht nach hause fahren. Diese Person hat offensichtlich sehr viele persönliche Informationen über mich."
Plötzlich hörst du, wie ein weiterer Wagen sich euch nähert. Ist das schon der Zivilwagen? Der Reaktion des Polizisten zufolge, der nach seiner Waffe an seinem Gürtel griff, nicht.
"Hör zu. Wir werden versuchen, diesen Verfolger auszutricksen. Verstecke dich irgendwo, egal wo, Hauptsache, sie werden dich nicht sehen können. Ich werde so tun, als ob du schon in den Zivilwagen umgestiegen bist und an einen komplett anderen Ort gebracht wirst. Du musst komplett still bleiben, vollkommen egal, was passiert. Verstanden?"
Du nickst in Trance.  Schnell bewegst du dich in den Wald hinein, doch nur so weit weg, dass du noch immer eine Konversation halbwegs hören könntest. Du kniest dich hinter einen Busch und kriechst halb in ihn hinein. Gott, ist das unangenehm. Doch lange kannst du dich darüber nicht beschweren, denn ein schwarzes Auto kommt nun vor dem Polizisten zum Stehen.
Aus diesem steigt eine maskierte Person aus. Dein Magen dreht sich um. Der Polizist richtet die Waffe auf den Unbekannten.
"Hände hoch, oder ich schie-"

Ein Knall.

Du siehst garnicht erst hin. Die Angst, dass du eine Leiche sehen würdest, war viel zu groß. Gleichzeitig presst du eine deiner Hände auf deinen Mund, die Luft anhaltend.
Und wie es das Schicksal will, überschlägt sich ein schlechtes Ereignis mit einem Anderen - und dein Handy fängt an zu klingeln. Deine Brust tut weh, so sehr erschrickst du dich. Diesmal hast du wirklich das Gefühl, dass dein Herz stehengeblieben ist. Hektisch drückst du den Anruf weg, im Stress nicht mitbekommend wer dich überhaupt erreichen zu versucht hat. Verängstigt schaust du auf in Richtung des eigentlichen Geschehens. Eine Person liegt auf dem Boden. Blut ist zu sehen. Du spürst, wie sich Übelkeit in dir anbahnt. Ist der Polizist tot? Lange kannst du darüber nicht nachdenken, denn die zweite, maskierte Person, geht in schnellem Schritt auf dich zu.

"Verdammt", ist das einzige was du sagen kannst.

Rasch stolperst du aus dem Busch und nimmst deine Beine in die Hand. Du fängst an zu rennen. So schnell du nur kannst. Du siehst die Bäume in deinem Blickfeld vorbeirasen, wobei dich nur die vor dir interessieren. Die schweren Schritte, welche dir folgen, kommen bedrohlich näher. Im Zick Zack rennend versuchst du, ihn aus dem Konzept zu bringen. Ein wenig gelingt es dir, denn je tiefer ihr in den Wald geht, desto dünkler wird es. Die Baumkronen sind sehr dicht und lassen nur wenige Funken Licht durch. 
Während du in Bewegung bleibst, nimmst du dein Handy raus und wirst langsamer. Im ersten Moment blendet dich der helle Bildschirm, aber du stellst ihn schnell dunkel. Du kannst die Schritte deines Verfolgers zwar noch hören, aber sie sind deutlich weiter entfernt. Also erlaubst du dir eine Pause hinter einem Baum und lehnst dich an.
Du öffnest dein Handy. Keine neuen Nachrichten. Verdammt. 

Tarian: Hört mir genau zu. Ich habe nicht viel Zeit.

Jessy: Ist etwas passiert, Tarian?

Tarian: Ich bin in irgendeinem von Duskwoods anliegenden Wäldern. Ich weiß aber überhaupt nicht, in welchem oder wo genau.

Dan: Hä? Was machst du denn in nem Wald?

Richy: Solltest du nicht nach hause fahren?

Tarian: Findet den Zivilwagen vom Polizisten, relativ nahe beim Waldeingang. Die Polizei sollte sowieso schon auf dem Weg sein. Ruft eine Rettung. Ich weiß nicht, wie lange der Polizist noch zu leben hat, oder wo seine Schussverletzung ist. Vielleicht ist er auch schon tot.

Ein Ast bricht. Du schrickst auf und schaust dich um. Du siehst flüchtig eine Person vorbeigehen. Verängstigt presst du dein Handy gegen deine Brust und dich gegen den Stamm. Bitte lass ihn dich nicht sehen. Nicht jetzt.
Was sich wie Stunden anfühlt sind eigentlich nur ein paar Sekunden, in denen du deinen Atem anhältst. Zu deinem Glück geht der Kriminelle an dir vorbei, allerdings nicht sonderlich weit von dir weg. Du musst dich beeilen.

Lilly: Wie bitte?! Tot?! 

Jessy: OMG Tarian, bitte sag mir nicht, dein Verfolger ist bei dir.

Dan: Scheiße, was ist das für ein bescheuerter Zufall!

Thomas: Ich und Hannah fahren jetzt sofort weg. Tarian, beweg dich nicht von der Stelle.

Tarian: Ich befürchte, diese Möglichkeit habe ich nicht, Thomas. Er ist mir dicht auf den Fersen.

Hannah: Verdammt nochmal!

Tarian: Sagt Jake, er soll mein Handy orten. Ich werde versuchen, es bei mir zu verstecken.

Du schickst die Nachricht ab. Die Geräusche von Schritten sind bedrohlich nahe. Viel zu nahe. Hastig ziehst du einen deiner Schuhe aus und legst dein Handy rein. Danach ziehst du ihn wieder an. Zum Glück sind sie eine Schuhgröße zu groß, sonst hättest du jetzt echte Probleme.
Du willst dich gerade davonschleichen, als dich plötzlich etwas packt. Erschrocken versuchst du, dich aus dessen Griff zu reißen, doch diese Person ist eindeutig stärker als du. Sie zieht dich zu ihr und drückt seinen Arm gegen deinen Hals. Nach Luft schnappend versuchst du, seinen Arm wegzuziehen.
Der Verbrecher sagt kein Wort. Kein einziges. Sonst hättest du vielleicht wenigstens feststellen können, ob du den Maskierten kennst, bevor du dein Bewusstsein verlierst.

Duskwood - Das Geschehen nach HannahWo Geschichten leben. Entdecke jetzt