45. Pierre Gasly x Charles Leclerc

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Mit einem unwohlen Gefühl betrat er die Wohnung, welche er vor drei Jahren mit Charles bezogen hatte, kurz nachdem sie die Gefühle füreinander offenbart hatten. All die Jahre waren sie gute Freunde, welche immer zueinander standen und jeden Schicksalsschlag zusammen durchgestanden hatten. Ihre Freundschaft hatte im jungen Kinderalter auf einem Spielplatz in dem Wohngebiet bekommen, in welchem sie jeweils mit ihren Familien wohnten. Ihre Mütter saßen alleine auf der Parkbank während die Kinder auf dem Spielplatz eine Beschäftigung fanden, sich dennoch nicht weiter beachteten. Sie waren in ihrer eigenen Blase, in welcher ein Spielpartner keinen Platz fand. Ihre Mütter waren nach einer Weile ins Gespräch gekommen und hatten sich auf Anhieb dabei so gut miteinander verstanden, dass sie sich regelmäßiger auf dem Spielplatz trafen und sich dort unterhielten, während die Kinder spielen konnten. Wenige Monate fanden diese Treffen nur auf dem Spielplatz statt, schon bald luden sie sich gegenseitig ein. Dort hatten Pierre und Charles keine Möglichkeit sich aus dem Weg zu gehen, sodass sie notgedrungen miteinander spielten. Aus dieser anfänglichen Notwendigkeit entwickelte sich bald eine Freundschaft, welche ein Leben lang anhalten sollte.

Mit achtzehn Jahren spürte Pierre zum ersten Mal das Kribbeln in seinem Körper, wenn er sich in Charles' Anwesenheit befand oder nur an ihn dachte. Diese Gefühle fanden in seinem Leben keinen Platz, er wollte seinen besten Freund nicht deshalb verlieren. Also schob er sie beiseite, in die hinterste Ecke seines verräterischen Herzens und schob jegliche Gedanken an sie beiseite. In dieser Zeit hatte er mehrere Liebeleien mit Mädchen in seinem Alter, nicht wissend wie sehr er Charles damit quälte. Natürlich erzählte er dem Monegassen von diesen Mädchen, die fehlenden Gefühle ließ er dabei aus. Die Wahrheit sah ganz anders aus, als er es sich gewünscht und vorgestellt hatte - keines dieser unzähligen Mädchen löste auch nur annähernd dieses Gefühl in ihm aus, wie sein bester Freund. Auch wenn Charles lächelte und sich die Geschichten seines besten Freundes anhörte, so sah sein Inneres anders aus. Mit jedem neuen Mädchen bohrte sich der Dolch in seinem Herzen immer tiefer in dieses.

Die Offenbarung, dass er romantische Gefühle für seinen besten Freund seit Kindertagen hegte, kam für ihn vollkommen überraschend und überrollte ihn förmlich. Er suchte auf Zeichen, ob Pierre ebenfalls so empfinden könnte wie er, doch spätestens nach dem dritten Mädchen starb diese Hoffnung. Es gab Abende, an denen er im Bett lag und glaubte, dass er die Nähe des Franzosen nicht weiter aushielt und doch wusste er, dass er sich ein Leben ohne seinen besten Freund nicht vorstellen wollte. Um ihm in irgendeiner Form nahe sein zu können, und wenn auch nur als Freund, lernte er mit dem Schmerz umzugehen. Irgendwann war dieser Schmerz ein so normaler Baustein in seinem Leben, dass es nicht weiter weh tat. Einzig allein seine Wünsche und einhergehende Hoffnungen quälten ihn, sie verfolgten ihn in seinen Schlaf und zeigten ihm Dinge, von denen er ausging, dass sie nie mehr als das sein würden - Träume. Sein Verstand riet ihm Pierre aus dem Weg zu gehen, den Kontakt zu schmälern. Doch gab es noch sein Herz, welches ihn förmlich anschrie, dass es nicht ohne den Franzosen konnte und ihn wollte.

Sie hatten sich an dem zwanzigsten Geburtstag des Franzosen so dermaßen betrunken, dass sie sich ihre Gefühle füreinander gestanden hatten und seitdem als Paar durchs Leben schritten. Ein Jahr nachdem sie zusammen gekommen waren, bezogen sie ihre erste gemeinsame Wohnung. Dieser Schritt war aufregend gewesen und sie vor viele Hindernisse gestellt, welche sie allesamt überwinden konnten. Ihre Liebe zueinander war so stark, dass sie nicht aufgrund einer Kleinigkeit das Handtuch werfen und alles, was sie sich in all den Jahren aufgebaut hatten, wegwerfen wollten. In ihren Augen lohnte es sich füreinander zu kämpfen und sich nicht unterkriegen zu lassen. Nachdem der Umzug geschafft und sie ihre eigen vier Wände in ihrem Interesse eingerichtet hatten, lagen schönere Zeiten vor ihnen. Sie genossen die Unabhängigkeit einer eigenen Wohnung sowie die Nähe zueinander in vollen Zügen - eine Party folgte der nächsten. Teilweise blieben sie tagelang im Bett und vergnügten sich miteinander, insofern es ihre Berufe zuließen.

Ein Jahr zog ins Land und mit diesen 12 Monaten auch die Normalität. Die Veranstaltungen, welche sie zuvor noch jedes Wochenende ins Leben gerufen hatten, verschwanden vollends. Auch die Intimität zwischen ihnen wurden immer seltener, darum aber umso liebevoller. Ihre Rollen im Haushalt hatten sich gefunden und eingependelt, sodass keine Streiterin darum entstanden. Den Einkauf erledigte einer von ihnen nach der Arbeit, wenn sie am Abend zuvor eine Liste geschrieben hatten. Charles' Verantwortung lag im Bereich der Wäsche und des Saugens, während Pierre sich um das Fenster putzen und sonstiges Putzen kümmerte. Alles verlief reibungslos und ohne Mecker, sie gaben sich ihren Rollen hin und sagten nichts weiter.

Pierre liebte den Monegassen noch so sehr wie an dem Tag, an dem er sich über die Gefühle bewusst geworden war. Charles war der beste Mensch, den er je treffen durfte und vergötterte ihn regelrecht. Doch etwas hatte sich geändert, was von großer Bedeutung für ihre Zukunft als Paar war. Wollte er Charles noch vor Monaten einen Ring an den Finger stecken, so war dieser Wunsch mittlerweile verschwunden. Auch der Wunsch nach Kindern regte sich nicht mehr in ihm, auch wenn er es sich sein gesamtes Leben gewünscht hatte. Ihm ging das Herz auf, wenn er seinen Freund mit Kindern sah und doch konnte er sich nicht vorstellen, wie sie zusammen in die Vaterrolle schlüften. Sein Unbehagen verstärkte sich von Tag zu Tag mehr, besonders holte es ihn ein, wenn er nach Hause kam und Charles küsste. Hatte er dieses anfängliche Ritual noch geliebt, so war es für ihn nun eine Routine, welche ihn jeden Tag aufs Neue einholte.

„Cherie, ich bin Zuhause.", rief er in die Wohnung und begab sich prompt auf die Suche nach seinem Freund, damit er diesen begrüßen konnte. „Ich bin im Wohnzimmer.", erklang es, nachdem er die Schuhe ausgezogen und seine Jacke abgelegt hatte. Die Einkäufe verräumte er noch schnell in der Küche, bevor er in das angrenzende Wohnzimmer lief und die Lippen des Monegassen auf seinen spürte. Noch immer war dieses Gefühl atemberaubend und er konnte nicht genug davon bekommen, doch trotzdem wollte es sich einfach nicht mehr richtig anfühlen. Das Zögern in seinem Handeln blieb von Charles natürlich nicht unbemerkt, sodass er neben ihn aufs Sofa gezogen und abwartend angeschaut wurde. Ihre Hände waren dabei miteinander verschränkt und ruhten auf dem Oberschenkel des Monegassen. „Magst du mir erzählen, was dich bedrückt? Dir liegt doch schon seit Tagen etwas auf dem Herzen.", leitete Charles nun ein Gespräch ein.

Pierre schaute seinen Freund an und seufzte. „Die letzten Jahre haben mich aufgewühlt. Das Leben, welches wir führen, habe ich mir gewünscht. Es gibt nichts, das uns fehlt und trotzdem fühlt es sich für mich so an, als würde irgendwas fehlen. Als wäre irgendwas verkehrt. Ich liebe dich von ganzem Herzen und doch weiß ich gerade nicht, ob ich mir mit dir eine Zukunft vorstellen kann, obwohl ich diese Zweifel noch nie hatte. Es mag nicht immer alles einfach zwischen uns sein, auch nicht in der Vergangenheit und ich wollte uns nie aufgeben, weil du mir so unglaublich wichtig bist. Du bist der Mensch, den ich am meisten liebe und es fühlte sich trotzdem so an, als würde es mich einengen. Es nimmt mir die Luft zum Atmen.", redete er sich seinen Kummer und seine Sorgen frei von der Seele, dabei wagte er es nicht Charles anzuschauen. Die Hand des Monegassen lag noch immer in seiner, was sich perfekt anfühlte. „Was ist, wenn wir Seelenverwandte sind, die sich einfach nur zum falschen Zeitpunkt getroffen haben?", philosophierte Pierre weiter und schaute Charles in die Augen. Dieser lächelte ihn liebevoll und zugleich verletzt an, während er mit dem Daumen über seinen Handrücken strich. „Wenn es so ist, dann wird das Schicksal einen Weg finden und uns eines Tages wieder zusammen führen. Bis dahin leben wir unser Leben weiter und vertrauen auf die Zukunft."

Er hatte Charles ein vorerst letztes Mal geküsst, danach hatte er ein paar seiner Dinge zusammen gesammelt und war zu seinen Eltern gefahren, welche nicht weit entfernt wohnten. „Pierre?", öffnete seine Mutter ihm sichtbar überrascht die Tür. „Hallo, Mama. Könnte ich eine Weile wieder bei euch schlafen?", fragte er, nachdem er seine Mutter in den Arm genommen hatte. „Warum das? Hast du Probleme mit Charles?", fragte sie nach und schien noch verwirrter als ohnehin schon. „Wir sind nicht mehr zusammen.", erklärte er und spürte einen kleinen Schmerz, doch von diesem ließ er sich nicht beirren. Seine Mutter stellte ihm keine weiteren Fragen und bereitete das Gästezimmer vor, in welchem er vorübergehend unterkommen würde. Als er nun abends in dem Bett lag, fühlte er sich frei. Er fühlte sich gut. Er konnte wieder atmen. Er hatte seit Wochen zum ersten Mal wieder das Gefühl, als würde er tatsächlich leben. Er liebte Charles, doch erst einmal musste er sich selber finden, damit ihre Beziehung funktionieren würde. Und wenn sie füreinander bestimmt sind, dann wird das Schicksal sie zusammen führen und ein glückliches Ende für sie bereit halten.

Ende

A/N: Nicht ganz das, was ich ursprünglich geplant hatte und doch bin ich zufrieden.

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