So leise wie es ihm möglich war, schlich er in die Wohnung und zog sich seine Schuhe und Jacke aus, wobei er weiter darauf achtete, dass er keine Aufmerksamkeit erregte. Gerade als er seine Schuhe in den Schrank stellte, ertönte eine Stimme hinter ihm, woraufhin er erschrocken zusammenzuckte. „Wo warst du, Mick? Warum bist du so spät zu Hause?", polterte Noah los. Ertappt wandte er den Blick auf den Boden und wagte es nicht seinem Freund in die Augen zu schauen. „Mick, rede verdammt nochmal mit mir. Wo warst du?" Langsam nahm das Gesicht eine tomatenrote Färbung an, doch fand er keine Worte. Erst als er seinen Freund anschaute, zwang er sich dazu dessen Fragen zu beantworten, denn aus Erfahrung wusste er, dass es sonst nur noch schlimmer werden würde. Es war nicht das erste Mal, dass Noah sich ihm gegenüber so benahm und er wusste, dass er in dieser Situation nicht schweigen durfte. Einmal hatte er diesen Fehler begangen und war in den nächsten Tag mit unzähligen blauen Flecken gegangen. Seitdem zwang er sich dazu zu antworten, auch wenn die Antwort seinen Freund nur noch weiter reizen würde.
„Ich war bei Seb. Erinnerst du dich daran, als ich dir erzählt habe, dass er am Überlegen ist, ob er seinen Job kündigt und sich nach etwas Neuem umschaut? Er hatte Zweifel und brauchte einen Freund, mit dem er darüber reden konnte und der ihm versichert, dass es die richtige Entscheidung ist." Für einen Moment glaubte er, dass Noah sich mit der Antwort zufriedengab und die Situation sich entschärfte, doch genauso schnell schwang die Laune wieder um. „Nein, kann ich mich nicht erinnern und das ist mir auch egal. Habe ich dir nicht gesagt, dass du vor Einbruch der Dunkelheit zu Hause zu sein hast? Glaubst du, das ist ein Spaß? Ist es dir egal, wie ich mich dabei fühle? Das wirst du nie wieder tun, verstanden?" Mick senkte den Blick und nickte. „Ja, habe ich verstanden." „Gut." Damit wandte sein Freund sich wieder ab und ging in das Wohnzimmer, kurz darauf hörte er den Fernseher. Er ging in das Schlafzimmer, schälte sich aus seiner Kleidung und zog seinen Schlafanzug an. Danach legte er sich in das gemeinsame Bett verkroch sich bis zum Kopf unter der Bettdecke. In seinen Augen sammelten sich die Tränen und er wünschte sich, dass er nicht hier wäre. Nicht zum ersten Mal kam ihm dieser Gedanke und doch fand er nicht den Mut, um sich von Noah zu trennen. Er hatte ihn einst geliebt, doch war er sich nicht mehr sicher, ob es noch Liebe war. Noah hatte ihn weitestgehend von seinen Freunden und der Familie isoliert; er hatte ihn von sich abhängig gemacht.
Gegen Mitternacht hörte er, wie der Fernseher ausgeschaltete wurde und Noah durch die gemeinsame Wohnung lief, welche sie vor zwei Jahren zusammen bezogen hatten. Sie waren noch nicht lange miteinander liiert, als sie den Schritt gewagt hatten. Er war sich nicht sicher gewesen, seine Eltern und Freunde hatten ihm davon abgeraten und doch hatte Noah ihn so sehr manipuliert, dass er diesen Schritt gegangen war. Es gab Tage, an denen er unglaubliches Heimweh hatte und sich nichts sehnlicher wünschte, als von seinen Liebsten umarmt zu werden und bei ihnen zu sein. Doch würde er den Teufel tun und dies in der Anwesenheit von Noah laut aussprechen; viel zu sehr graute es ihm, wie sein Freund darauf reagieren würde. Daher schwieg er und teilte niemandem von seinen Gedanken mit, denn auch der schriftliche Kontakt war eingeschränkt. Noah kontrollierte regelmäßig seinen Schriftverkehr und auch seine sozialen Medien, somit fiel auch diese Option weg. Aufmerksam verfolgte er, wohin Noah ging, und runzelte die Stirn, als er das Rascheln der Jacke hörte. Kurz darauf folgten die Schuhe und als letztes hörte er, wie die Haustür geöffnet und wieder geschlossen wurde. Er stand auf und schaute aus dem Fenster; die Neugierde trieb ihn an und holte ihn aus seinen trüben Gedanken.
Sein Glück war, dass er aus dem Schlafzimmer auf den Parkplatz schauen konnte, der zu dem Wohnkomplex gehörte. Vorsichtig lugte er hinter der Gardine vor und entdeckte eine Person, die neben dem Auto seines Freundes stand und scheinbar auf jemanden wartete. Im nächsten Augenblick tauchte Noah auf und lief direkt auf die Person zu, welche er mit einem Kuss begrüßte. Mick gefror das Blut in den Adern und einer Kurzschlussreaktion nach nahm er sein Handy und fotografierte das Geschehen. Danach löste er seinen Blick und verkroch sie wieder in dem Bett; er wünschte sich, dass er ein Gefühl von Schmerz oder Verrat verspüren würde, doch in seinem Inneren war nichts. Keine Wut, keine Enttäuschung, kein Schmerz, keine Trauer – nichts. Das war der Moment, in dem er sich keine Gedanken darum machte, was Noah sagen oder tun würde, und so rief er seine Mutter an, welche ihm versprach, ihn sofort abzuholen. Er wechselte seine Kleidung, danach fing er an seine privaten Gegenstände zusammenzusuchen und auf Corinna zu warten. Als er das Klingeln an der Tür hörte und hinter dieser seine Mutter entdeckte, fiel ihm ein gewaltiger Stein vom Herzen. Während sie seine Sachen in ihr Auto räumten, kam Noah von seinem nächtlichen Ausflug zurück. „Mick, was zur Hölle tust du da?", schrie dieser und stellte sich ihm in den Weg. „Ich gehe, Noah.", erwiderte er vollkommen ruhig und erkannte mit Schadenfreude, welche Auswirkung diese Worte auf seinen Ex-Freund hatten. „Wie bitte?" Noahs Augen waren geweitet und nahmen einen kämpferischen Ausdruck an, als er auf Mick zuging und nach dessen Oberarmen greifen wollte.
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𝑺𝒉𝒐𝒓𝒕 𝑺𝒕𝒐𝒓𝒊𝒆𝒔
RomanceVolle Power, nervenzerreißende Action und echte Gefühle: Diese Kurzgeschichten nehmen dich mit auf die wilde Fahrt durch die Welt der Formel 1 - und erzählen dabei von überwiegend homosexuellen Paaren, die nicht nur auf, sondern auch neben der Strec...