Kapitel 9

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Wincent
„Ja klar, wir können sofort kommen" höre ich Mira dann sagen, während sich die beiden Kleinkinder auf meinem Arm langsam wieder beruhigen. Fragend sehe ich meine Frau an, die das aber gar nicht wirklich mitbekommt, sondern weiterhin einfach dem Anrufer zuhört und jetzt auch noch anfängt, irgendwas rumzuwuseln. „Mira?" gehe ich ihr mit unseren Kindern auf dem Arm hinterher in den Flur. Hier legt sie gerade ihr Handy weg und reagiert dann endlich mal auf meinen fragenden Blick. „Jugendamt... sie haben nur gefragt, ob wir kommen können, weil es Joel nicht so gut geht." „Ich ruf schnell meine Mum an, damit sie Lion und Zoe nimmt?" „Ja, ich zieh mich um und packe den beiden was ein." Gesagt getan, keine zwanzig Minuten später steht meine Mum auf der Matte, um hier bei uns zuhause auf ihre Enkelkinder aufzupassen. „Danke, Mum" lächle ich sie an. „Schnapp dir jetzt deine Frau und ab mit euch." Sie drückt mir noch einen Kuss auf die Wange und nimmt mir meinen Sohn ab. Mira drückt sie auch nochmal und dann sitzen wir auch schon im Auto auf dem Weg nach Hamburg. Die Fahrt über hängen wir beide eher unseren Gedanken hinterher. Ich zumindest, bis Mira ihre Hand auf meinen Oberschenkel legt. Ich lächle sie kurz an und verschränke unsere Finger miteinander.

Als ich auf dem Parkplatz des Krankenhauses parke, bin ich gefühlt nicht mehr richtig anwesend. Auf dem Weg zum Eingang, greife ich nach Miras Hand. Sie klammert sich ein wenig an mich und als wir das große Gebäude betreten, taucht auch schon Conni auf. Sie hat ein leichtes Lächeln auf den Lippen, während sie uns entgegenkommt und keine zehn Minuten später haben wir so Einwegkittel an und sitzen zwischen mehreren kleinen Wärmebetten. Mein Finger streichelt sanft über Joels Handrücken. „Er ist noch nicht ganz über den Berg, aber er ist ein Kämpfer" beendet Conni ihren Bericht. Neben ihr die Frau vom Jugendamt, mit der wir neulich noch gesprochen haben. Die Frau, die nen ziemlich großen Einfluss bei der Entscheidung, ob wir Joel zu uns nehmen können oder nicht, besitzt. Mira sitzt neben mir und hat unsere Hände miteinander verschränkt. Ich achte kaum auf das ganze Rumgewusel um uns herum, sondern wirklich nur auf Joel. Somit registriere ich auch erst etwas später, dass sich Conni und Frau Kropp etwas von uns entfernt haben. „Ich habe Angst um ihn" murmelt Mira dann. Ich drücke ihre Hand etwas fester und gebe ihr einen Kuss auf die Schläfen. „Er ist stark, hast du doch gehört" flüstere ich „und er hat uns. Egal wie jemand anderes entscheidet."

Nun, einige Tage später, ist es tatsächlich schon soweit, dass wir Joel wieder richtig auf den Arm nehmen können. Gestern hat er mich sogar leicht angelächelt, das wohl schönste Geschenk überhaupt, was ein Kind einem machen kann. Heute schaffen wir es allerdings nicht mehr ins Krankenhaus. Frau Kropp war heute morgen bei uns und hat sich bei uns umgesehen. Ich hoffe einfach, dass es jetzt langsam mal vorangeht mit dem Ganzen. Er braucht ein richtiges Zuhause, seit seiner Geburt hat er nichts anderes gesehen als das Krankenhaus beziehungsweise einen Haufen Geräte und Schläuche um sich rum. Allerdings heißt es den restlichen Tag jetzt erstmal Arbeit. Meine Gedanken sind zwar nur bei Joel aber trotzdem muss ich heute das Konzert hinter mich bringen. Auch meine Großeltern sind hier und beschäftigen sich gerade mit unseren Kindern, während Mira und ich arbeiten. „Mira, mach mal ne Pause, du sitzt seit keine Ahnung wann hier und arbeitest." „Ich will das hier fertig bekommen" lächelt sie leicht. „Komm wenigstens bitte mal nen bisschen näher" schmunzle ich und ziehe sie zu mir ran. Meine Frau lehnt sich leicht an mich ran und tippt noch irgendwas fertig, bevor wir wirklich mal Pause machen und zu meinen Großeltern und unseren Kindern gehen.

Meine Großeltern sitzen mit unseren Kindern auf dem Sofa und irgendwie sieht mein Opa nicht sonderlich gut aus. Sagen tu ich dazu erstmal nichts, aber beobachten tu ich ihn trotzdem. Irgendwie wirkt er müde... keine Ahnung... „Wollt ihr nachher raus oder eher im Backstage bleiben?" „Wir würden heute eher im Backstage bleiben" lächelt meine Oma leicht. „Alles klar" lächelt Mira mit Zoe auf dem Schoß. Wir unterhalten uns noch eine ganze Weile ziemlich gut, bis die Vorbereitungen aufs Konzert in die nächste Runde gehen. Meine Großeltern beschäftigen sich in der Zeit mit unseren Kindern und legen sie dann auch schlafen. Als ich auf der Bühne stehe, verdränge ich alles mögliche, vor allem die Angst oder eher Sorge um Joel. Nach ungefähr anderthalb Stunden empfangen mich meine Großeltern, mit jeweils einem meiner Kinder auf dem Arm hinter der Bühne und ich drücke den beiden erstmal jeweils einen Kuss auf den Kopf. „Na meine Schönen" schmunzle ich „Wo habt ihr denn die Mama gelassen?" „Die musste los, irgendwas beim Merchandise Stand" antwortet mein Opa. „Alles okay? Du siehst irgendwie erschöpft aus?" „Das ist nur das Alter, mein Junge. Warte nur ab, in ein paar Jahren wird es dir auch so gehen" klopft er mir auf die Schulter „Dann klappt es nicht mehr so gut, auf der Bühne von A nach B zu springen und Saltos vom Keyboard zu machen." Irgendwie ist meine komplette Familie nicht so begeistert von diesem Sprung. Allen voran Mira. Angesehen hat sie sich das einmal und hat mir deutlich gesagt, wie sie darüber denkt. „Ich weiß, dass ihr kein Fan von dem Salto seid" verdrehe ich die Augen und nehme Zoe hoch „Na? Du findest Papas Salto cool, oder?" Lachend schüttelt Zoe den Kopf. „Du hast eine Familie, Wincent, was du da machst ist nicht gerade ungefährlich" verdreht meine Oma die Augen.

All of me // Wincent Weiss FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt