Kapitel 5

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Am nächsten Morgen brauchte es ein bisschen länger, als sonst um in die Gänge zu kommen. Als wir am Abend hatten ins Bett gehen wollen, war Mom gerade nach Hause gekommen und ich hatte vergessen meinen Wecker zu stellen.
Es war einzig Beas Nachrichtensturm zu verdanken, dass wir noch halbwegs rechtzeitig aufwachten.
Noch im Bett liegend versicherten wir unserer Freundin, dass ihr Outfit auch wirklich gut aussah. Natürlich nicht ohne ein wenig die Augen über sie zu verdrehen.
Nacheinander gingen wir ins Bad und zogen uns an. Danach frühstückten wir und machten uns dann auf den Weg zur Schule.
Auch, wenn es bereits Sommer war, war die Luft an diesem Morgen unangenehm kühl. Große graue Wolken am Himmel deuteten darauf hin, dass es später noch regnen oder vielleicht sogar gewittern würde.
Als wir an der Schule ankamen und unsere Fahrräder angeschlossen hatten, hörten wir, wie jemand unsere Namen rief.
Es war Alicia. Sie stand einige Meter vom Haupteingang entfernt und winkte uns begeistert zu. Neben ihr stand Madison.
Leicht biss ich mir auf die Unterlippe. Was hatte ich für ein Problem mit ihr? Es war gerade einmal ihr zweiter Tag hier und ich kannte sie überhaupt nicht und dennoch regte sich so etwas wie Abneigung gegen sie in mir.
Es war ihr gegenüber nicht sonderlich fair, schließlich hatte sie nichts getan, was dafür sorgen könnte, dass ich sie nicht mochte.
Während wir zu den Beiden hinüber liefen, überlegte ich, dass es wohl ihr Aussehen sein musste. Ich hatte nichts dagegen, wenn jeder das trug, was ihm gefiel, jedoch ließen ihre Klamotten sie sehr abweisend und gleichgültig wirken.
Mir fiel es ein wenig schwer mit Menschen umzugehen, die vom ersten Augenblick an den Anschein machten, dass sie keinerlei Interesse an mir hatten.
„Mia, Charlie, das ist Madison.“, stellte Alicia uns einander vor, als wir bei ihnen ankamen.
„Hey, schön dich kennenzulernen!“, sagte Charlie und lächelte sie breit an. Auch ich versuchte es mit einem kleinen Lächeln, obwohl mir nicht wirklich danach zumute war.
Einige Augenblicke standen wir unschlüssig auf dem Schulhof, dann schlug Alicia vor wir können ja hineingehen, hier draußen sei es ihr zu kalt.
Gerade, als wir uns zum gehen wandten, hörte ich schnelle Schritte hinter uns.
„Liam!“, Madisons Gesicht hellte sich ein wenig auf, „Schön dich zu sehen.“
Es war der Junge, der genau, wie sie seit gestern neu auf unsere Schule ging.
Die Beiden umarmten sich flüchtig, dann betraten wir das Schulgebäude.
Während sich die Anderen unterhielten beobachtete ich Madison und den Jungen, Liam. Die Beiden wirkten vertraut mit einander, so, als würden sie sich schon eine Ewigkeit kennen. Ob sie wohl verwandt waren? Geschwister vielleicht? Aber dafür schienen sie zu unterschiedlich. Irgendwelche äußerlichen Gemeinsamkeiten mussten Geschwister doch haben. Vielleicht waren sie auch Stiefgeschwister. Oder ein Paar.
Aber auch für ein Paar schienen sie viel zu verschieden zu sein. Zum mindestens so weit ich das nach einem Tag und kaum einem Wortwechsel beurteilen konnte.
„Mia?“, Charlie stupste mich an der Schulter an.
„Hmm?“, machte ich und sah sie mit gerunzelter Stirn an.
„Englisch?!“, sagte sie.
Verwirrt sah ich mich um. Die anderen drei waren verschwunden.
„Klar, ich war nur in Gedanken.“, sagte ich.
„Gefällt er dir?“, fragte sie.
„Wer?“, verwirrt sah ich sie an.
„Liam.“, erklärte sie, „Du hast ihn die ganze Zeit so komisch angeschaut.“
„Häää?“, machte ich, „Wie kommst du denn darauf?“
„Hab ich doch gerade gesagt.“, stellte sie fest.
„Ich hab ihn aber nicht komisch angeschaut.“, sagte ich. Klar, ich hatte Madison und ihn beobachtet, aber nicht ihn im speziellen.
„Wenn du meinst…“, sagte Charlie, „Aber trotzdem, wie findest du ihn?“
„Es sieht nett aus?!“, sagte ich, doch es klang eher wie eine Frage.
Charlie verdrehte nur die Augen und zog die Tür zum Englischraum auf. Was genau hatte sie von mir hören wollen?
Okay, Liam schien nett zu sein und er sah auch nicht schlecht aus, aber ich kannte ihn nicht, oder? Ich sollte mir keine voreilige Meinung über ihn bilden. Oder über Madison. Wer wusste schon, vielleicht war ja in Wirklichkeit sie die super Nette und er war ein zurückgezogener Arsch, der immer schlecht gelaunt war.
Ich entschied, dass ich sie beide vermutlich aus meinen Gedanken verbannen sollte, bis ich sie näher kennenlernte – falls ich sie näher kennenlernte.

The Secrets Hidden In Your ShadowsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt