|| ten ||

47 17 62
                                    

⸻

Hoppla! Dieses Bild entspricht nicht unseren inhaltlichen Richtlinien. Um mit dem Veröffentlichen fortfahren zu können, entferne es bitte oder lade ein anderes Bild hoch.

Enttäuschung.

Das war es, was sie in den Augen ihrer Eltern sah. Jeden verdammten Tag. Ihre Tochter war nicht so geworden, wie sie es sich vorgestellt, wie sie es sich erträumt hatten. Eine große Karriere hatten sie ihr vorausgesagt. Ein Medizinstudium war der Traum ihrer Mutter für sich selbst gewesen, doch ihre Noten waren nie gut genug gewesen, weswegen sie nun als Krankenschwester hervorragenden Dienst leistete und Menschenleben rettete. Ihre Eltern hatten gehofft, dass ihre Tochter einmal den Traum ihrer Mutter leben konnte. Doch so, wie sie jetzt die Schule schleifen ließ, würde das wohl nichts werden.

Lucy wollte nie den Traum ihrer Mutter leben. Sie wollte nicht für Großes bestimmt sein. Julia und sie hatten eine große Auslandsreise nach ihrer Matura geplant, die nächsten Sommer gestartet wäre. Das Danach hatten sie noch offengelassen. Durch Ferialjobs hatten sie Geld gesammelt. Natürlich hätten sie auch noch ihre Eltern nach ein bisschen Unterstützung anbetteln müssen, doch es wäre genug gewesen. Nach Julias Tod hatte Lucy mit den Ferialjobs aufgehört. Wozu sollte sie auch jetzt noch Geld sparen?

Enttäuschung war es auch, was sie nun in den Augen ihrer Eltern sah, als sie am nächsten Morgen zu ihnen in die Küche trottete. Nachdem sie von ihrem kleinen Ausflug zurückgekehrt war, hatte sie genug Zeit allein gehabt, um in Ruhe über ein paar Sachen nachzudenken und sich letztendlich auch zu beruhigen. Allem voran wollte sie nur eines: Das Gespenst in ihrem Kopf loswerden, solange sie es noch konnte. Sie spürte mit jeder Faser ihres Körpers, wie es stärker wurde. Das Ding war es, das sie so wütend machte, das sie nach mehr Energie lechzen ließ. Sie wollte nicht daran denken, was sie mit Kasimir gemacht hatte. Hatte sie ihn getötet oder hatte er sich nur vor ihr in Sicherheit gebracht? Sie hoffte Letzteres.

„Wie geht es dir heute?", fragte ihre Mutter besorgt, eine dampfende Tasse Kaffee in ihren Händen. Es war nach zehn Uhr morgens und für sie somit Zeit für die zweite Portion Koffein. Lucy kannte zwar den Dienstplan ihrer Mutter nicht, da sich dieser ständig änderte, doch sie vermutete, dass sie heute Nachtdienst hatte. Ansonsten säße sie nicht an dem Esstisch. Ihr Vater war verantwortlich für den Einkauf einer wichtigen Landtechnikfirma und es war ihm möglich, zwei Tage die Woche von zuhause aus zu arbeiten. Die beiden saßen sich am Esstisch gegenüber und musterten Lucy prüfend, als sie durch die Tür trat.

„Besser." Die Schnittwunden brannten und juckten, doch es war auszuhalten.

„Dann setz dich und erzähl uns mal, was gestern genau passiert ist", forderte ihr Papa streng. Die Zornesader auf seiner Stirn trat hervor und seine Gesichtszüge wirkten angespannt. Wenn man jemandem bestimmte Gefühle raubte, war das offensichtlich nicht von Dauer - sie konnten sich neu bilden.

Lucy atmete tief durch, versuchte, die aufschäumende Wut in ihrem Inneren zurückzudrängen. Als ausgeglichen konnte sie sich definitiv nicht bezeichnen. Ihr Vater zeigte auf den Sessel am Ende des Tisches, weswegen sie den Vorsitz machte und somit unter den Argusaugen ihrer Eltern stand. Fehlte nur noch eine Tischlampe, die direkt und unerlässlich in ihr Gesicht schien.

one haunting story of one blue girlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt