Liebe zu dritt [Paul Aron x Dino Beganovic]

1.Kapitel

Estland 31.05.2022

Die Nase tief in seinem Mathebuch vergraben grummelt Paul leise vor sich hin. Mathe und er, schon immer hat er mit diesem Fach eine wechselhafte Beziehung geführt. Von himmelhochjauchzend bis zu Tode betrübt. Zwischen diesen Gefühlslagen bewegt sich Paul schon seit Jahren und gerade ist wieder einmal der Punkt angelangt, an dem er dieses Buch und seinen Mathelehrer am besten gleich mit in die Hölle flucht.

Wieso muss der Kram auch so kompliziert sein, dass einem der Kopf zu rauchen beginnt und die Zahlen vor seinen Augen verschwimmen. Ralf hatte ihm geraten, Jüri um Hilfe zu bitten, schließlich ist der andere Este, wie allen bekannt ist, unglaublich gut in Mathe und könnte Paul sicherlich helfen, allerdings gibt es da ein Problem.

Paul hat mit Jüris damaligen Freund, jetzt sicherlich Exfreund, geschlafen. Nicht dass er gewusst hätte, dass sich Jüri mit diesem Idioten in einer Beziehung befindet, dann hätte er nämlich die Finger von dem anderen gelassen. Allerdings war er eben unwissend und so hat sie Jüri in flagranti erwischt. Paul erinnert sich lebhaft an den Schwall von Schimpfwörtern der Jüri in einem nicht enden wollenden Monolog über die Lippen kam und wie er selbst sich mit einer gestammelten Entschuldigung verzogen hat.

Man war ihm dieser Abend peinlich gewesen und er konnte Jüri, den er glücklicherweise nicht allzu oft sehen muss, nicht mehr in die Augen sehen. Der wird ihm ganz sicher nicht mit seinem Mathe-Problem helfen, wo Paul ihn doch nur an den Betrug seines Ex-Freundes erinnern würde. Also muss er sich diesen Käse irgendwie selbst in den Kopf prügeln, denn eine weitere Fünf, wie in der letzten HÜ, kann er sich nicht leisten. Sonst würde ihm noch sein Privileg entzogen werden, den Unterricht online mitzuverfolgen, wenn er durch die Weltgeschichte reist.

Unwirsch schüttelt er den Kopf, versucht seine Gedanken wieder auf das hier und jetzt zu richten, schließlich muss er noch das ein oder andere Matheproblem lösen. Also lässt er seine Augen erneut über die Erklärung und schließlich über die Beispielaufgabe wandern. Allerdings schweben noch immer dicke Fragezeichen über seinem Kopf und so langsam wird er wütend auf sich selbst.

„Paul?" Wird er schließlich von seiner Mutter angesprochen und dieser kleine Tropfen ist, was seine Zündschnur zum Reißen bringt. Er will gar nicht so unfreundlich sein und dennoch presst er nur ein äußerst genervtes „Was?!" über seine Lippen.

„Verstehst du jetzt warum ich sage das unser Pauli hier ein kleiner Griesgram ist?" Lacht Ralf, die Arme vor der Brust verschränkt und die Augen auf seinen kleinen Bruder gerichtet, während er im Türrahmen lehnt, wohlwissend das und vor allem wie dieser darauf reagieren wird. Paul schnaubt leise, pfeffert das Buch auf den Couchtisch und verschwindet aus dem Zimmer, allerdings nicht ohne seinen Bruder noch mit der Schulter anzurempeln. Er ist kein Griesgram.

„Ralf!" Hört er noch, wie seine Mutter ihren ältesten Sohn tadelt, dann wirft er die Tür hinter sich ins Schloss und wirft sich mit dem Gesicht nach unten auf sein Bett. Drückt den Kopf ins Kissen und würde am liebsten schreien. Ralf übertreibt, er ist kein Griesgram, er hat lediglich eine graue Wolke über seinem Kopf schweben, die kleine Blitze schießt, wenn ihm mal wieder jeder auf den Senkel geht und darin sind erstaunlich viele Leute gut in letzter Zeit.

„Darf ich reinkommen?" Ist es natürlich seine Mutter, die nach einigen Minuten seine lauten Gedanken unterbricht, allerdings nach ihrem sanften Klopfen vor der Tür stehen bleibt. Paul nimmt einen tiefen Atemzug, versucht sein brodelndes Blut wieder zu einem normalen Level zu bringen und ein paar unverständliche Worte brummen. Ihm ist es egal, ob seine Mutter diese hört und wie sie es dann interpretiert, aber das Öffnen der Tür kommentiert er nicht weiter.

„Du weißt, dass dein Bruder nur Spaß macht?" Fragt seine Mutter ihn und in jeder anderen Situation hätte er genickt. Allerdings ist er eben, statt seinem Bruder Kontra zu geben, schmollend in seinem Zimmer verschwunden und so seufzt er nur leise.